Die „Hafenküche“ hat sich schön gemacht und in Teilen neu erfunden. Chef Frederik Grieb prägt nun den Küchenstil an der Rummelsburger Bucht.
Drei Dinge, die auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammenpassen, kommen bei der „Hafenküche“ trotzdem zusammen: leicht abseitiges Rummelsburg an der Spree, ein Busbetriebshof und ein Fine-Dining-Küchenchef. Alles korrespondiert dennoch prächtig miteinander. An der Straße Zur alten Flussbadeanstalt nahe dem Kraftwerk Klingenberg gab’s massig Platz, als „BerlinMobil“-Unternehmer Frank Richert seinerzeit ein neues Gelände für Busse und Gebäude suchte. Die Anlage einer Marina am Wasser war folgerichtig. „Zu einem Hafen gehört ein Hafenrestaurant“, befanden der Besitzer und Prokuristin Doreen Plischkaner. 2010 ging die „Hafenküche“ mit dem Biergarten „Hafenkante“ und der „Hafenkantine“ für die Tagesversorgung an den Start. 2020 stieß Frederik Grieb hinzu, der als Geschäftsführer und Küchenchef nun die Verantwortung für das kulinarische Gebilde auf drei Säulen trägt.
Eine souveräne Abzweigung ans südliche Mittelmeer
Umbau und Erweiterungen der „Hafenküche“ wurden 2019 geplant. Sogar „vor Corona“ inklusive berührungsloser Armaturen und Türen im Sanitärbereich. Frederik Grieb war lange vor der Wiedereröffnung des Restaurants im Mai 2021 involviert. Im Sommer 2020 gab es erst einmal den Biergarten. Die Arbeiten in der „Hafenküche“ sollten zu Weihnachten beendet sein. „Dann standen wir in einem fertigen Restaurant und konnten keine Gäste empfangen“, erinnert sich Grieb an den Lockdown. Doch in diesem Sommer strömten sofort alte und neue Gäste herbei. Übers Wasser und über die Straße. „Im Sommer ist die ‚Hafenküche‘ ein Selbstläufer, aber im Winter muss man die Gäste mit guter Küche locken.“
Und mit der klaren, aber heimeligen Innenraumgestaltung von „Hülle & Fülle“, die eine multifunktionale, an die Jahreszeiten angepasste Nutzung des Gebäudes ermöglicht. Gaskamine fungieren als Raumteiler für die verschiedenen Bereiche und als Wärmespender im Winter – sogar draußen in der Raucherlounge. Der hintere Bereich kann mit einem Vorhang abgetrennt werden. Etwa in der warmen Jahreszeit, wenn die gläsernen „Garagentore“ hochgefahren sind, und der Fokus auf der luftigen Verbindung von Innen und Außen liegt. Die „Hafenküche“ hat nur 40 Plätze am Wasser, kann so aber einen Teil der 100 weiteren im Gastraum miteinbeziehen. Auch die Gäste sind vielfältig: Nachbarn aus den zahlreichen Neubauten entlang der Bucht. Bootstouristen, die am Wochenende anlegen. Lichtkunst-Freunde, die an der Köpenicker Chaussee die „Dark Matter“-Ausstellung besuchen. Oder Gäste, die die Kochkünste von Frederik Grieb bereits im „Pots“ im Ritz-Carlton als Küchenchef oder auf der MS Europa als Sous Chef von Dieter Müller schätzen lernten.
Es gab also eine gewisse Gelinggarantie an einem heißen Sonntagspätnachmittag, als die geschmackssinnige Freundin und ich wegen Lichtkunst und Küchenchef recht spontan in der „Hafenküche“ einfielen. Eine Ceviche mit Süßkartoffelmus, fruchtiger Maracuja-Säure und Popcorn kühlte uns bei Temperaturen um 30 Grad leichtfüßig herunter. Ein Erdbeereis mit Rhabarberkompott und Baiser-Scherben setzte den angenehmen Eindruck erfrischend fort. Wir wiederholen das Ganze zwei Monate später mit Reservierung und Abendkarte, Notizblock, Kamera und einem Gespräch mit Frederik Grieb. Im August widmen wir uns neben den fein ziselierten Varianten ebenso den substanzielleren Tellern. Dem „Rummelsburger“ etwa, einem „Hafenküche“-Klassiker. Dem 200-Gramm-Patty vom Rind verpasste Grieb eine zeitgenössische Auffrischung mit hausgemachter Zwiebelmarmelade und Parmesan-Aioli. Eine schöne, schmackige Sache! Das vormalig gemüsebasierte Veggie-Patty erhielt ein Upgrade mit „Beyond Meat“. Die Burger bewahren ihre naturgegebene Robustheit, wurden aber in den Details verfeinert und von uns mit Normal- und Süßkartoffelpommes ergänzt.
Der „Verbrannte Kohl“ zog mit Frederik Grieb zusammen an die Spree um: Im „Pots“ hatte er den von außen schwer gebrannten und innen karamellisierten Kohl als Veggie-Signature-Dish etabliert. Misoschaum und Haselnüsse dürfen ihn in der „Hafenküche“ weiterhin begleiten. Bei mir bricht unverzüglich Lieblingsgericht-Alarm aus. Der Kniff: „Der Spitzkohl wird in der Holzkohle solange geröstet, bis er richtig schwarz ist“, erklärt Grieb. „Das Barbecue ist fürs Finish.“ Rallye-Grillstreifen auf den ausgepackten Vierteln inklusive. Der Misoschaum wiederum basiert auf einer Hollandaise. „Wir machen den Kohl auf Anfrage vegan, aber das ist dann ohne Butter ein anderes Gericht.“ Frederik Griebs Produktverständnis, Know-how und mehr als zehnjährige Erfahrung in der Sterne- und Spitzengastronomie sind an solchen Kleinigkeiten erkenn- und schmeckbar. Ein mit Chermoula, einer nordafrikanischen Grill-Gewürzmischung, überraschend scharf unterlegter gerösteter Blumenkohl dagegen ist von Haus aus vegan. Mit Rauchmandeln und Granatapfelkernen nimmt er souverän den Abzweig ans südliche Mittelmeer.
Der Meister plant einen längeren Landgang
Wir sind bei den Hauptgerichten zufällig fischlos. Doch Meeresgetier gibt’s selbstredend ebenfalls. Gegrillte Garnelen und Kabeljaufilet mit Oliven-Tapenade stehen bei den Hauptgerichten vom Grill auf der Karte. Filet von der Holsteiner Färse oder Perlhuhnbrust vom Grill können alternativ geordert werden. Beilagen sind Extras: Es gibt die große Wahlfreiheit von Möhren mit Sesam und Kreuzkümmel bis hin zu stinknormalen Fritten. Bei den Dips reicht das Spektrum vom „Kräftigen Kalbsjus“ bis zur südamerikanischen Chimichurri. Das grüne Holzkohle-Grill-Ei in der offenen Küche ist ständig im Einsatz und erfreut die Köchin und die sieben Köche: „In so einer gut gestalteten Küche zu arbeiten macht Spaß“, sagt Frederik Grieb, der sie selbst plante. „Wir wollen unseren Köchen echt was bieten.“ Zum Beispiel auch einen großen Infarm-Schrank, in dem Kräuter und Salate vor Ort frisch heranwachsen. Das ist gut für die Kreativität des Teams. Und macht in Zeiten des Mitarbeitermangels den Arbeitsplatz in einer guten Gastronomie attraktiv.
Wer will, kann weiterhin einen Ausflug in feinsinnigere Tellergefilde unternehmen. Wir wählen dieses Mal bei den Vorspeisen eine Süßkartoffel-Ceviche mit Maracuja, Koriander und eingelegter roter Zwiebel. Die orangefarbenen Würfelchen spielen fruchtsauer cevichegemäß „kalt gekocht“ die Hauptrolle. Auf dem Nachbarteller möchte eine Brandenburger Burrata von Paolella von unseren Gabeln gezupft und mit gegrilltem Pfirsich und Tomaten verspeist werden. Nur der im Balsamico-Dressing angekündigte Kaffee dürfte gern noch mehr in den Vordergrund treten und das Röstpfirsich-Umami pushen. Die Kugel von der weichen Kuhmilch-und-Sahne-Schwester vom Mozzarella scheint aus purer Creme zu bestehen und ließe sich auch durchweg löffeln. Der Teller wäre ein idealer Begleiter zu einem Glas Wein, wenn‘s mal nicht gar zu episch werden soll.
„Hafenpickles“ mit Kräuterquark und einem fluffigen Mini-Sauerteigbrot sind ebenfalls dafür geeignet. Selbst eingelegte Blumenkohlröschen, Gurken, Champignons, Maisstreifen und geringelte Rübchen sind erfreulich wenig sauer und fordern zum herzhaften Hineinbeißen auf. Alle vier bis sechs Wochen sollen künftig Teile der Karte wechseln. Saisonales wie Grünkohl, Ente oder Martinsgans, ein Weihnachtsmenü oder „New Year‘s Eve in der Hafenküche“ sind optimistisch auf Event-Kärtchen für Herbst und Winter gedruckt. „Wir bieten auch ein Vier-Gänge-Menü an“, sagt Frederik Grieb. „Das darf sich gern noch herumsprechen.“
Beim Dessert sind wir am fortgeschrittenen Abend wieder mitten im Sommer. „Ich wollte gern einen Erdbeerbecher machen und was ganz Frisches mit Zitronen“, sagt Grieb. Für die Freundin gibt’s voll das Land, wo die Zitronen nicht nur blühen, sondern auch besonders aromatisch reifen: Eine Granité sowie eine Creme aus Amalfi-Zitronen begleiten eine wohldimensionierte Kugel Joghurteis. Bei mir finden sich späte Erdbeeren gemeinsam mit Vanilleeis, rot getupften Baiser-Scherben und einer mit Tonkabohne aromatisierten Sahne in der Schale ein. Ein schmackofatziges, aber keineswegs überforderndes rot-weißes Rausschmeißerchen. I like!
Frederik Grieb plant einen längeren Landgang in Rummelsburg. „Das ist jetzt mein Heimathafen. Die ‚Hafenküche‘ wird mich sicher die nächsten zehn oder 20 Jahre begleiten.“ Die Stammgäste dürfen sich auf viel Weiterentwicklung und Abwechslung freuen. Vielleicht wird Grieb nach intensiven Jahren auf und am Wasser sogar noch zum Freizeitkapitän – einen Bootsführerschein oder gar ein eigenes Gefährt besitzt er jedenfalls bislang nicht.