Ein kleines Lokal für die Mittelalterszene sollte es sein, doch das „Camelot“ in der Saarbrücker Fröschengasse wurde schnell zu etwas Größerem. Denn das Restaurant ist Anlaufpunkt für Fans der vergangenen Zeit. Gespeist werden darf gerne auch in Gewandung.
Je größer eine Stadt, desto abwechslungsreicher ist das kulinarische Angebot. Auch in Saarbrücken gibt es eine reichhaltige Auswahl aus aller Herren Länder. Dies gilt für viele Nationen Europas, aber auch mit Speisen aus Asien, Afrika und Südamerika laden Restaurants zu besonderen Spezialitäten ein. Was es seit langem nicht mehr gab: Essen wie im Mittelalter! Dies hat sich nun geändert, in der Fröschengasse mitten im Herzen von Saarbrücken.
„Camelot“ heißt das Restaurant mit den reich gedeckten Tafeln. Willkommen sind auch Zeitreisende. Denn immer häufiger sieht man in Saarbrückens Altstadt edle Ritter, Feldherren, Herolde, Hofnarren, Wikinger, Edelfrauen und Edelmänner, Gaukler, Feldamazonen, Magier, Feuerspucker, Mägde und Recken. Für all jene, die in entsprechender Gewandung kommen, hält das „Camelot“ eine Überraschung bereit. Doch auch alle anderen sind herzlich eingeladen, einzutreten und die kulinarische Zeitreise zu erleben.
Ein nettes Stübchen mit Empore
Das Ganze ist ein Zufallsprojekt, welches letzten Herbst an einem regnerischen Sonntag entstand. Karsten Scheiper heißt der Mann hinter dem „Camelot“. Und dieser spazierte damals mit seiner Frau durch die Fröschengasse und sah das leer stehende Restaurant. Gesehen hatte er es im November, die Verträge waren im Dezember unter Dach und Fach. Es sollte eigentlich klein anfangen, aber im Saarland heißt es ja, aus etwas Kleinem wird schnell etwas Großes. Geplant hatte er nämlich eigentlich, ein kleines Mittelalterlokal für die doch große Liebhaberszene zu betreiben. Natürlich auch für jedermann. Denn alle sind hier willkommen! Das Essen hat einen mittelalterlichen, aber auch einen neuzeitlichen Touch. Hier ist vieles möglich, und es ist auch verdammt spannend.
Das Restaurant hat drei Etagen und eine herrliche Dachterrasse. In der unteren Etage wird zurzeit noch gebaut. Im September soll sie eröffnet werden. Dort wird eine Gastronomie kommen, die mehrmals am Tage das Gesicht verändert. Morgens ist es ein Café im Stil von Mittelerde und Hobbit-Café! Dort gibt es Frühstück in Bio-Qualität. Auch zum Mitnehmen! Um die Mittagszeit bieten sie dann Bowls und Flammkuchen an. Kleine schnelle Sachen für die, die es eilig haben! Nachmittags gibt es diverse Kuchen, die frisch aus dem Ofen kommen. Abends wird es dann zur Anlaufstelle für Cocktails und Met. Was ich erfuhr: Met ist vergorener Honig und macht in diesem Haus 80 Prozent des Getränkeumsatzes aus. Sie beziehen ihren Met aus einem Biobetrieb in Bayern, und dieses Familienunternehmen hat 12.000 Bienenstöcke und liefert beste Qualität. Mitten auf dem Land zwischen München und Tirol ist der Betrieb gelegen.
Im ersten Geschoss haben sie eine klassische Ritteretage mit Schwertern und Helmen an der Wand. Dort befindet sich die Haupttheke. Von dieser aus wird auch der oberste Stock bedient, der eher etwas bäuerlich gehalten ist. In dieser Etage gibt es auch noch einen Nebenraum für etwa 20 Personen. Ein ganz nettes Stübchen mit Empore! Von der bäuerlichen Etage geht es dann raus zur großen Dachterrasse. Auch dort ist noch nicht alles fertig, allerdings kann man hier schon sehr entspannt sitzen. Sie soll aber weiterentwickelt werden im Sinne von „Fluch der Karibik“. Die Wände sollen noch mit Südseemotiven gestaltet werden. Scheiper ist gerade in Verhandlungen mit einem Norddeutschen, der eine Kogge besitzt und deren original Koggensegel zum Verkauf steht. Es soll seinen Platz auf dieser Dachterrasse bekommen.
Warum Mittelalter? Ich gebe zu, ich kenne die unterschiedlichen Restaurants unserer Region sehr genau, aber mit der Mittelalterszene habe ich mich noch nie beschäftigt, folglich kenne ich mich da auch nicht aus. Karsten Scheiper erzählte mir Grundsätzliches: „Es gibt in unserer Region viele Mittelaltermärkte mit hohen Besucherzahlen. Im Deutsch-Französischen Garten, in Freisen oder Illingen. Denn es gibt eine sehr große mittelalterliche Szene im Saarland. Man hört aber oft, es gibt keinen richtigen Treffpunkt. Und das war unsere Intention. Und im Winter sind keine Märkte, die Leute wollen sich aber trotzdem treffen.“
Der Betreiber selbst ist seit mehr als 25 Jahren in der Szene aktiv. Er arbeitete im Lahntal und im Taunus auch schon auf zwei Burgen als Küchenchef. Deshalb war es für ihn nicht schwierig, ein Konzept für so einen Laden zu erstellen. Die Leute können in Kostümen kommen. Jeder, wie er will. Niemand wird blöd angeguckt. „Manchmal sitzen da hinten 20 Wikinger in Kostümen und trinken einen Humpen Met nach dem anderen. Sie freuen sich und haben viel Spaß bei uns“, erzählt Scheiper. Und die essen dann auch ein mittelalterliches Mahl. Dann sage ich das Wort Klamotten und es wird mir berichtet, das ginge gar nicht. Da käme sonst einer und würde mir auf die Nase hauen. Das sind Gewandungen. Okay, wieder was gelernt.
Der Küchenchef backt auch täglich frisches Brot
In dieser Szene sind auch sehr viele geschichtsinteressierte Menschen, die sich mit der Historie der Menschheit auseinandersetzen und vor allem die Entwicklung im Mittelalter vom fünften bis zum fünfzehnten Jahrhundert studieren. Frühmittelalter, Hochzeit, Spätmittelalter. Darüber gibt es auch unendlich viele Bücher und Filme. Karsten Scheiper betont, dies seien Menschen, die aus dem Alltag mal raus wollen. Abtauchen in eine andere Welt. Wie Fußball- oder Musikfans. Dies ist auch mal eine Auszeit von dem stressigen Leben mit Handy und einer dauernden Verfügbarkeit. Da wird dann auf den Märkten mal ein Feuer gemacht und eine Wurst oder ein Stockbrot ins Feuer gehalten.
Ob mit Gewandung, ob ohne Gewandung. Ob mittelalterlich oder doch nicht. Die Speisekarte bietet für jeden etwas. Ob Kabeljau oder ganze Doraden, ob Salate oder Fleisch, das Angebot ist vielfältig. Aber auch Schafskäse, Spareribs, Haxen, Schweinebauch und Kraut. Karsten Scheiper möchte eine relativ kleine Karte, damit die Küche alles frisch zubereiten kann! Es geht ihm eben um tagesfrische Produkte. Zehn bis zwölf Gerichte sind immer da, zusätzliche Tagesangebote stehen auf extra Tafeln. Natürlich ist es eine besondere Schreibweise, mit der die Produkte vorgestellt werden. Allerdings steht die Übersetzung auch dabei. Etwa „Kräftiger dunkler Eintopf, mit Erdäpfeln, gewürztem Fleisch vom Rindvieh und geheimem Gemüs‘ und frischen Kräutern, im Tontopf serviert, dazu reichen wir einen kleinen Laib Brot.“ Das ist eine Gulaschsuppe mit passendem Brot. Und so geht es durch die ganze Karte. Der Küchenchef backt auch täglich Brot. Es handelt sich um Patrice Canteau, Franzose aus dem Département Vendée. Er liebt seinen Beruf und steht schon 35 Jahren an den Töpfen. Er liebt seine heimische Küche und versucht, diese hier auch einzubringen. Die pochierte Rotweinbirne etwa ist ein klassisches Rezept. Von Lenôtre und Bocuse. Und sowas gibt es auch hier!
Am Ende meines Besuchs will ich mich doch noch etwas intensiver um den Met kümmern. Ich finde 13 unterschiedliche Getränke dieser Art auf der Karte. Raphael Reifenberger, der Serviceleiter, sagt mir dazu: „Der erste Met, den Du trinkst, ist unser Hausmet. Er geht mit seiner leichten Grundsäure eher in Richtung Viez. Der zweite, der Vanillemet, ist wesentlich runder. Auch mit mehr Restsüße. Ausgewogener. Er reift auch in der Flasche mit der Bourbon-Vanille.“
Danke, das hat mir sehr gut gefallen. Und den Met werde ich weiter studieren…