Im Unterschied zu ihrer großen Schwester Akupunktur erfordert die Akupressur nicht den Einsatz von Nadeln, sondern nur einen Finger-Reibedruck. Sie ist bestens zur Selbstbehandlung geeignet, ihre Wirksamkeit konnte aber bislang wissenschaftlich nicht erklärt werden.
Ein typisches Beispiel aus dem Alltag mag die Wirkungsweise von Akupressur ganz einfach veranschaulichen. Weil sicherlich schon jeder mal bei leichten Kopfschmerzen rein intuitiv versucht haben dürfte, die Malaise durch vorsichtiges Massieren der Schläfen zu lindern. Nichts anderes steckt letztendlich hinter der Akupressur, die schon seit Jahrtausenden in China angewandt wird, inzwischen fester Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) ist, in Japan unter der Bezeichnung „Shiatsu“ bekannt ist und längst auch als fernöstliche Heilkunde immer mehr Anhänger in den westlichen Ländern gefunden hat. Bei der Akupressur handelt es sich um eine effektive Massagetechnik, gewissermaßen eine Akupunktmassage, bei der mittels Einsatz der Finger äußerlich reibender Druck auf verschiedenste Punkte des Körpers ausgeübt wird, um Blockaden zu lösen und die Selbstheilungskräfte des Organismus zu aktivieren. Wie die aus dem Lateinischen stammende Namensähnlichkeit schon vermuten lässt, ist die Akupressur eng mit der noch bekannteren Akupunktur verwandt. Wobei der übereinstimmende Wortbestandteil „acus“, der für „Nadel“ steht, in Sachen Akupressur ziemlich in die Irre führen kann. Weil bei ihr kein invasives Pieksen oder Stechen vonnöten ist, für das im Lateinischen das Wort „punctio“ steht, sondern ein Drücken, lateinisch „premere“, völlig genügt.
Fester Bestandteil der Traditionellen Chinesischen Medizin
Bei den Behandlungsmethoden liegt der fernöstlich-philosophische Leitgedanke zugrunde, dass die auf den Namen „Qi“ (sprich: „Tschi“) getaufte Lebensenergie auf exakt definierten und Meridiane genannten Bahnen, im Wesentlichen zwölf an der Zahl, durch den menschlichen Körper fließt. Wobei jede der Energiebahnen oder Meridiane direkt einem bestimmten Organ oder auch einer Organgruppe zugeordnet wird. Kommt es in einem der Meridiane zu einem Stau oder einer Blockade des Qi, so hat dies direkte negative Auswirkungen auf das verbundene Organ und kann dadurch eine Krankheit verursachen. Das Prinzip von Akupressur wie Akupunktur beruht nun darauf, genau diese Blockaden durch zielgenauen Fingerdruck oder eben Nadeleinsatz auf die Staupunkte aufzulösen. Wobei auf den Meridianen rund 400 sensible Punkte definiert sind, durch deren stimulierende Aktivierung eine Linderung oder Heilung diverser Schmerzen angenommen wird. Auch wenn die Akupressur als Heilverfahren bestens zur Eigentherapie geeignet ist, so ist es doch sinnvoll, sich vorab die Mühe zu machen, die richtigen Akupressurpunkte, die häufig paarig links/rechts angeordnet sind, für das jeweilige gesundheitliche Problem genau kennenzulernen. Dafür gibt es im Web verschiedenste Auflistungen samt informativer Abbildungen. Auch ein diesbezügliches Informationsgespräch mit einem auf TCM spezialisierten Heilpraktiker, mit einem Experten in einem TCM-Institut oder einem Arzt mit Zusatzqualifikation in Traditioneller Chinesischer Medizin kann sehr hilfreich sein. Häufig finden sich die Druckpunkte nahe am Schmerzbereich, allerdings gibt es auch sogenannte Fernpunkte, bei denen der korrekte Akupressurpunkt ein ganzes Stück vom Problembereich entfernt angesiedelt sein kann. Den Druckpunkt für den Lungenmeridian findet man beispielsweise links außen am Unterarm, einen Fingerbreit oberhalb des Handgelenks – seine Aktivierung soll bei Asthma, Migräne oder Nackenschmerzen helfen. Der Druckpunkt für den Magenmeridian ist vier Fingerbreit unterhalb der Kniescheibe in der Vertiefung zwischen Schienbein und Schienbeinmuskel angesiedelt, seine Stimulierung soll unter anderem Verdauungsprobleme beheben. Bei Kopfschmerzen oder Migräne kann es eine Schnellhilfe sein, zwei Punkte kurz zu drücken, die sich mittig einen Querfinger über den Augenbrauen befinden. Alternativ kann man am oberen Rand der Augenbrauen von innen nach außen fortschreitend drückend für eine Schmerzlinderung sorgen.
Da schädliche Nebenwirkungen bei der Akupressur nahezu ausgeschlossen sind, wenn man mal von etwaigen leichten Blutergüssen oder etwas Muskelkater bei zu starker Druckausübung absieht, kann man sich nach Identifizierung der exakten Lage des Punktes vorsichtig mit dem Finger tastend auf die Suche nach der behandlungsbedürftigen Stelle machen. Ist der in der Regel druckempfindliche Punkt gefunden, wobei er sich meist als kleine Vertiefung zwischen Knochen, Muskeln und Sehnen anfühlt, kann man unter leichtem Fingerdruck damit anfangen, Kreise im Uhrzeigersinn oder je nach persönlichem Empfinden auch in entgegengesetzter Richtung zu drehen. In der TCM wird für Erwachsene ein Behandlungszeitraum von fünf bis 15 Minuten empfohlen, für ältere Kinder sollen es fünf bis zehn Minuten sein. Eher westlich orientierte Therapiekonzepte raten zu kürzeren Massagen bis zu drei Minuten, wobei die Behandlung dann aber täglich drei- bis viermal wiederholt werden sollte. Im Laufe der Fingermassage wird die Empfindlichkeit des Akupressurpunktes spürbar zunehmen, häufig wird sich zusätzlich auch ein angenehmes Wärmegefühl einstellen, im besten Fall wird die Stelle bei Behandlungsende entspannt und schmerzfrei sein. Die erhoffte positive Wirkung kann sich sofort oder auch erst nach Ablauf etlicher Minuten einstellen – es kann aber auch vorkommen, dass gar kein zeitnaher Behandlungseffekt fühlbar ist, denn eine Erfolgsgarantie darf man von der Akupressur nicht unbedingt erwarten. Bei akuten Problemen können auch ein sekundenlanger Dauerdruck, ein intensiveres Massieren oder ein Klopfen mithilfe der Fingerkuppen hilfreich sein. Wer sich nicht dazu in der Lage sehen sollte, einen stärkeren Fingerdruck aufzubauen, kann stattdessen die Stelle auch knetend oder reibend bearbeiten. Auch spricht nichts gegen die Verwendung von Massageknaufen oder speziellen Akupressurstiften, voll im Trend liegt derzeit auch eine die Bequemlichkeit befördernde Akupressurmatte, deren Schaumstoffoberseite mit Kunststoffspitzen versehen ist. Nur übertreiben sollte man nicht, keinesfalls sollte Akupressur zusätzliche Schmerzen verursachen, das Druckgefühl sollte über einen angenehmen Wohlfühlschmerz nie hinausgehen. Bei chronischen Beschwerden wird gerne eine Kombination zwischen gelegentlicher Akupunktur in der Artpraxis und häuslicher Akupressur-Eigenbehandlung empfohlen.
Wie bei der Akupunktur gibt es bislang keine einheitliche wissenschaftliche Theorie oder Erklärung dafür, wie Akupressur genau funktioniert oder wirken kann. Es gibt bezüglich der Akupressur nur verschiedenste Vermutungen, die sogar einen Placeboeffekt nicht ausschließen mögen. Andere Vermutungen gehen von einer Durchblutungsförderung und der Ausstoßung schmerzlindernder körpereigener Opioide namens Enkephalinen durch die Stimulation der Akupressurpunkte aus. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat der Akupressur schon vor zwei Jahrzehnten positive Effekte bei zahlreichen Beschwerden bescheinigt, unter anderem bei Schmerzen rund um Knie und Nacken oder auch gegen Übelkeit oder Depression. Verschiedene neuere wissenschaftliche Untersuchungen legen auch eine Wirksamkeit bei anderen Malaisen wie Verspannungen, Arthritis, Rückenbeschwerden, Menstruationsschmerzen, Stress, Schlafproblemen, Übernervorsität, Appetitlosigkeit, Verstopfung, Durchfall, Migräne oder Spannungskopfschmerzen nahe. Aber fundierte klinische Studien, die dafür einen eindeutigen Nachweis liefern könnten, liegen bislang nicht vor. Es gibt vergleichsweise wenige Kontraindikationen. Wobei sich ein Verzicht auf die Akupressur, deren Kosten aus professioneller Ausführung beispielsweise in der Arztpraxis von den Krankenkassen nicht übernommen werden, bei offenen Wunden, Knochenbrüchen oder Hautkrankheiten gleichsam von selbst verstehen sollte.