Kein anderes TV-Format prägte den modischen Stil der 2000er so sehr wie die Kultserie „Sex and the City". Mit dem „SATC"-Reboot „And Just Like That ..." wird die Geschichte der New Yorkerinnen Carrie, Miranda und Charlotte nun fortgesetzt.
Dass die US-Amerikaner wahre Weltmeister in Sachen Produktmarketing sind, hat der zum Medienkonzern Time Warner zählende Privatsender HBO jüngst wieder mal nachdrücklich bewiesen. Denn durch häppchenweise, seit Anfang 2021 geschickt lancierte Informationen rund um die sensationelle Fortsetzung der von ihm zwischen 1998 und 2004 in 94 Folgen produzierten Serie „Sex and the City" („SATC"), konnte HBO das Interesse der weltweit riesigen, in erster Linie weiblichen, Fangemeinde so richtig am Köcheln halten. Lange vor dem ersten offiziellen, rechtzeitig zum Beginn der Dreharbeiten am 9. Juli 2021 veröffentlichten Teaserbild des unter dem Titel „And Just Like That …" laufenden „SATC"-Reboots war daher die Diskussion rund um das Sequel, sprich die Fortsetzung der sexuell aufgeladenen Lebensgeschichte der New Yorker Protagonistinnen aus deren 30er in ihre 50er in den sozialen Medien schon voll entbrannt.
Und zwar in einer Ernsthaftigkeit und Verbissenheit, die männliche Beobachter kaum nachvollziehen konnten. Aber schließlich hatte die Kultserie „SATC" seit Ende der 90er-Jahre doch ganz grundlegend das Frauenbild im TV-Format umgekrempelt, weil die vier Single-Ladys Carrie, Miranda, Charlotte und Samantha in bis dahin ungewohnter Offenheit über die Geheimnisse weiblicher Freundschaft und Sexualität geplaudert und dabei Männern mehr oder weniger nur die Rolle als hübscher Zeitvertreib oder als zu erlegende Beute zugestanden hatte. Oder um es in den Worten der Beziehungskolumnistin Carrie Bradshaw gespielt von Sarah Jessica Parker auf den Punkt zu bringen: „Männer mögen das Feuer entdeckt haben, aber Frauen haben entdeckt, wie man damit spielt." Was im Rückblick keineswegs als kämpferischer Feminismus missverstanden werden darf, sondern vielmehr als prägnanter Ausdruck von Frauensolidarität. Der auch die Eheschließungen der vier weiblichen Musketiere, die insgeheim trotz der zur Femme fatale stilisierten PR-Beraterin Samantha alias Kim Catrall von einer romantischen Zweierbeziehung zu einem starken Mann geträumt hatten, nichts anhaben konnte. Wie die Fangemeinde beim genüsslichen Betrachten der beiden „SATC"-Kinofilme aus den Jahren 2008 und 2010 erfreut zur Kenntnis nehmen konnte.
„Kleider, die Carrie trug, flogen von den Stangen"
Auch die Mode spielte bei „SATC" bekanntermaßen eine zentrale Rolle. Vor allem Carrie konnte ein schier unerschöpfliches Shopping-Budget vorweisen, das sie insbesondere für Unmengen von hochhackigen Schuhen, von Manolo Blahnik bis Christian Louboutin, aber auch für Luxus-Klamotten aller Art oder unzählige Accessoires von Edel-Handtaschen bis hin zu verwegenen Hut-Kreationen anzuzapfen pflegte. Die zuständige Kostümbildnerin Patricia Field ließ Carrie so ziemlich alle angesagten Teile tragen, die von den größten Designernamen der Branche wie Louis Vuitton, Dior oder Gucci entworfen worden waren. „Um die Outfits der Serie sprang damals eine ganze Kultur auf", so die deutsche „Vogue", „Kleider, die Carrie trug, flogen regelmäßig von den Stangen, neue Trends entstanden." Wobei Carries Look sehr wandlungsfähig war, mal sah sie hip und cool aus, mal sportlich, mal romantisch. Die Outfits der drei anderen Hauptfiguren waren dagegen vergleichsweise zurückhaltend. Samanthas Markenzeichen waren strenge Kostüme, die spießig-heiratswütige Galeristin Charlotte gespielt von Kristin Davis bevorzugte brave Kleidchen, die taff-zynische Anwältin Miranda (Cynthia Nixon) griff meist zu sachlichen Hosenanzügen. Dass sich Carrie mit ihrer wöchentlichen Kolumne, ihrer einzigen Einkommensquelle, die Shopping-Exzesse, für die sie laut taxierenden Berechnungen monatlich knapp 7.000 Euro hätte hinblättern müssen, im wahren Leben niemals hätte leisten können, wurde gelegentlich heftig kritisiert. Um den Handlungsstrang des auf zehn Folgen zu jeweils 30 Minuten angelegten Reboots, das wohl erst 2022 in den USA erscheinen wird (in Deutschland bei Sky?) und für den wieder wie bei den früheren sechs Staffeln von „SATC" Michael Patrick King als Executive Producer diesmal für den US-Streaming-Dienst HBO Max verantwortlich zeichnet, wird noch ein großes Geheimnis gemacht. Angeblich kennen nicht einmal die drei Hauptdarstellerinnen Sarah Jessica Parker, Cynthia Nixon und Kristin Davis das komplette Drehbuch. Was kaum glaubhaft sein dürfte, schließlich sind sie als Co-Produzentinnen mit am Ball und erhalten angeblich eine Gage von jeweils einer Million Dollar pro Folge.
Hohe Wellen hat im Web das Fehlen von Kim Cattrall geschlagen, weil die Rolle der provokanten Samantha als unverzichtbar angesehen wurde. Aber Cattrall hatte ein Mitwirken kategorisch ausgeschlossen, wofür ein zerrüttetes Verhältnis zur Kollegin Sarah Jessica Parker verantwortlich ist. Auch die Absenz von Kostümbildnerin Patricia Field wurde im Web heftig kritisiert, weil diese derzeit durch die Arbeit an der zweiten Staffel der Netflix-Serie „Emily in Paris" nicht zur Verfügung steht. Schon nach Veröffentlichung der ersten Bilder vom Set des Spin-offs „And Just Like That …" wurde daher in vielen Medien ziemlich vorschnell das Urteil gefällt, dass die Klamotten-Auswahl bei weitem nicht das Niveau der Originalserie erreichen könne. Obwohl speziell für die Kleidung von Sarah Jessica Parker seinerzeit keineswegs Patricia Field alleine verantwortlich war, sondern ein ganzes, anno 2002 mit dem Emmy ausgezeichnetes Team von hochkarätigen Stylistinnen mit Molly Rogers und Rebecca Weinberg an der Spitze. Da Molly Rogers auf ausdrückliche Empfehlung von Fields hin die Verantwortung für die Kostümbild-Leitung übertragen wurde, dürfte viel dafür sprechen, dass auch vom „SATC"-Reboot wieder viele neue Fashion-Trends ausgehen werden. „Reboots haben es in der Regel schwer", so die „Taz" zum Spin-off-Start, „Neue Zuschauer locken sie nur selten an, und die alten Fans sind meistens enttäuscht, weil nicht alles wie früher ist. Bei ‚Sex and the City‘ wird das nicht anders sein." Dabei müssen zwangsläufig zur Glaubwürdigkeit des Revivals konzeptionelle Änderungen vielfältigster Art vorgenommen werden. Thematisch können sich Carrie und Co. in ihren Fünfzigern nicht mehr über die gleichen Sujets wie in ihren Dreißigern unterhalten.
„Reboots haben es in der Regel schwer"
Sarah Jessica Parker hatte schon mal ausgeplaudert, dass „Technologie und soziale Medien" oder „Sexualpolitik und die #MeToo-Bewegung und Time’s Up" schon genügend neuen Gesprächsstoff liefern könnten. Auch neue Stars wie Nicole Ari Parker oder Sarita Choudhury und Charaktere, die der Gender-Bewegung oder der Diversität Rechnung tragen, sowie das Mitwirken von „Women of Colour" wie der Schauspielerin Nicole Karen Pittman sind in den Augen der Macher heute ein absolutes Muss. Wobei mit dem aus der Serie „Grey’s Anatomy" bekannten Star Sara Ramírez in der Rolle der Podcast-Moderatorin Che Diaz der erste nonbinäre Charakter in der „SATC"-Geschichte schon in den Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit aufgerückt ist.
Höchste Spannung versprechen natürlich auch die neuen Outfits der Hauptdarstellerinnen, vor allem der Look von Carrie. Glücklicherweise hat HBO Max durch Veröffentlichung von frühen Bildern vom Set schon erste Einblicke in die Garderobe ermöglicht. Carries legendärer Tüllrock konnte dabei nicht mehr gesichtet werden, auch nicht das weiße Minikleid im Kimonostil oder ihr origineller Business-Look aus weißer Cargo-Hose, pinkem Shirt samt Anzugweste und überdimensionaler schwarzer Krawatte plus Brosche. Gottlob zeigte Carrie aber auch flach-bequemen Birkis oder den omnipräsenten Sneakers die kalte Schulter und ist stattdessen nach wie vor meist in High Heels unterwegs – ihre Vorliebe für Manolo Blahnik hat sie offenbar beibehalten. Auf dem ersten Pic war Carrie in einem verspielten Boho-Look zu sehen, wobei sie zu einem schlichten weißen Shirt einen hoch taillierten Vichykaro-Rock und ein Paar schwindelerregende Plateau-Mary Janes trug. Überraschend: die natürlich wirkenden silbergrau-perlmuttfarbenen Strähnchen im ansonsten sandblonden Haar. Ihr zur Rechten ist Cynthia Nixon alias Anwältin Miranda Hobbes sogar mit einem silbergrauen Bob zu bestaunen, ihr Look bestand aus einer angesagten Marlenehose, einer hochgeschlossenen Bluse und einer schwingenden Clutch. Die die brave Galeristin Charlotte York mimende brünette Kristin Davis präsentierte sich klassisch-romantisch mit Bleistiftrock, gepunkteter Bluse samt Ballonärmeln und kleinem Handtäschchen. Nach diesem fotografischen Appetizer ging es Schlag auf Schlag. Immer neue Bilder vom Set wurden veröffentlicht. Beginnen wir mit Carrie, die auf verschiedenen Schnappschüssen ihren früheren Hang zur Doppelhandtasche wieder hat aufleben lassen, aber an der Hand gewissermaßen auch schon mal solo unterwegs war – mit Gucci-Bag oder der 1997 entworfenen Vintage-Pailletten-Bag von Fendi und offenbar ihre ehemalige Smartphone-Allergie endlich abgelegt hat. Ganz ladylike bezaubernd, der bodenlange weiße Rock mit großformatigen schwarzen Polkadots von Carolina Herrera in Kombination mit einem pfiffigen Federhut und Pumps von Duchessa Gardini. An einem Longblazer tauchte wieder die altbekannte Blumen-Brosche von Chanel auf, an den Füßen feierte der blaue Satin-Pump mit Funkelsteinen von Manolo Blahnik fröhliche Wiederauferstehung.
Nicole Ari Parker sticht modisch hervor
Auch der schwarze Nietengürtel, mit dem Carrie ein fliederfarbenes Tafetta-Kleid von Carolina Herrera an ihrer Taille zusammenschnürte, ist für „SATC"-Fans nichts Neues. Accessoires waren eine grüne Vintage-Clutch von Judith Leiberny und schwarze Vintage-Pumps von Manolo Blahnik. Zu einem bunt gemusterten Sommerkleid wurde Carrie mit gold-metallic-farbenen Platform-Sandals von Yves Saint Laurent ausgestattet. Der wohl interessanteste Look war ein Jumpsuit-ähnlicher hellbronzener Leinenanzug von Claude Montana, über dem ein gelb geblümter Seiden-Blazer von Dries Van Noten für Farbtupfer sorgte. Das Outfit wurde perfekt abgerundet mit hochhackigen Yves Saint Laurent-Sandalen und zwei Cross-Body-Bags. Schlicht und elegant, die Kombi aus knielangem pinkfarbenem Mantel und plissiertem Kleid in Weiß. Ziemlich funky, der im viktorianischen Vintage-Style schwarz-weiß-karierte Rock zu Mary-Jane-Pumps von Celine.
Ein veritabler Shitstorm entzündete sich rund um ein wallendes Boheme-Maxikleid mit Paisley-Print, das Carrie in guter alter Manier über statt unter einem hellblauen Leinenhemd trug. Dazu hatte sie Plateausandalen von Terry de Havilland und eine Gucci x Balenciaga- „Hourglass"-Tasche kombiniert. Stein des Anstoßes war, dass dieses Piece vom Fast-Fashion-Brand Forever 21 stammte, was angesichts der kritischen Produktionsbedingungen dieser und anderer Billigklamotten nicht tolerierbar sei. Modisch wurden die beiden anderen Hauptdarstellerinnen von Carrie wieder klar in den Schatten gestellt. Miranda war beispielsweise in einem karierten Hemdkleid von L’Agence, in einem bunt-gestreiften Tie-Dye-Kleid von Dries Van Noten samt cremefarbener Loewe-Bag und türkisfarbenen Wedges von Clergerie, in einem purpurroten Jumpsuit von Likely NYC samt Plattform-Sandalen von Yves Saint Laurent oder in Bluse und Midirock mit identischem Tie-Dye-Print von Gerard Darel zu sehen. Charlotte lächelte beispielsweise in einem weit schwingenden, gepunkteten Rock von Balenciaga zu einer weißen Bluse von Stella McCartney, Pumps von Manolo Blahnik und Bag von Rianna + Nina, in einem floral geschmückten Cocktail-Dress von Lela Rose Bridal samt hellblauer Louis Vuitton-Mini-Bag und hellgrauen Wildleder-Pumps von Manolo Blahnik, in einem ausgestellten weißen Midi-Kleid von Alexander McQueen zur pinkfarbenen Seidenbluse, in einem maritim gemusterten Midi-Dress von Emilia Wickstead samt Block-Heels-Sandalen von Alexandre Birman Clarita oder in einem Vintage-Organza-Top von Givenchy samt Chanel-Täschlein in die Kamera. Unter den Newcomerinnen sticht vor allem Nicole Ari Parker in ihrer Rolle als Dokumentarfilmerin Lisa Todd Wexley modisch hervor. Die Beauty mit afroamerikanischen Wurzeln verzauberte mit einem glamourösen Look, bestehend aus Jumpsuit von Issay Miyake, einem darüber getragenen Mantel von The Row und High-Heel-Sandalen von Giuseppe Zanotti. Das Auftauchen von Bridget Moynahan in der Rolle von Mr. Bigs früherer Ehefrau dürfte hingegen kaum Fashion-Trends auslösen. Ihr Look kommt eher lässig daher, mit blauer Seidenbluse zu khakifarbenem Bleistiftrock und beigefarbenen Gladiator-Sandalen.