Unterschiedlicher könnten die Ziele und Perspektiven der Oppositionsparteien im Wahlkampf kaum sein. Die Linke kämpft um ein stabiles Ergebnis, die AfD will zweistellig bleiben, die FDP will vor beiden liegen und könnte das Zünglein an der Waage werden.
Opposition soll ja bekanntlich „Mist" sein. Dabei hat die zu Ende gehende Legislaturperiode den vier nicht an der Regierung beteiligten Parteien im Bundestag ziemlich viele Vorlagen geboten, sich mit ihren Positionen zu profilieren. Die ungeliebte und eigentlich auch nicht gewollte Neuauflage der Großen Koalition hatte in so manchen Bereichen Angriffsfläche genug geliefert. Das war im ersten Teil schon so, im zweiten, der von der Pandemie dominiert war, erst recht.
Für die Opposition gelten Untersuchungsausschüsse als schärfste Waffe. Und davon gab es gleich drei (und zusätzlich eine Untersuchung, die im Verteidigungsausschuss stattfand). Die Vorgänge um den Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz, die Pkw-Maut und der Wirecard-Skandal lieferten reichlich Stoff, um den Fragen nach Regierungsverantwortlichkeiten nachzugehen.
Im Wirecard-Skandal geriet Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz unter Druck, insbesondere der Linken-Abgeordnete Fabio di Masi profilierte sich als hartnäckiger parlamentarischer Kontrolleur. In Sachen Pkw-Maut stand Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) massiv unter Druck. Dabei zeigte sich der FDP-Abgeordnete Oliver Luksic immer wieder besonders hartnäckig. So intensiv und lohnenswert solche Oppositionsarbeit auch immer sein mag, und so sehr sie einzelnen engagierten Abgeordneten Aufmerksamkeit verschafft, hilft es den Parteien, die jetzt im Wahlkampf stehen, vergleichsweise wenig.
Die Linke tritt seit Langem auf der Stelle. Der Rückzug von Katja Kipping und Bernd Riexinger nach acht Jahren an der Spitze brachte ein neues Führungsduo mit Janine Wissler und Susanne Henning-Wellsow hervor, das in der kurzen Zeit seit ihrer Wahl noch wenig Chance hatte, bei einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu werden. Wissler tritt gemeinsam mit Fraktionschef Dietmar Bartsch als Spitzenduo für die Wahl an. Mit ihren Themen wie beispielsweise Rente greift die Partei zwar soziale Fragen auf, die andere lieber umschiffen, aber so recht dringt sie damit nicht durch. Dafür wird medial viel beachtet, wenn sich Sahra Wagenknecht mit einem neuen Buch in die linke Richtungsdebatte einmischt, oder sie gemeinsam mit Oskar Lafontaine auf Wahlkampftour ist. Je mehr sich der Wahlkampf am Ende auf die Kanzlerfrage fokussiert, umso wackliger wird es für Die Linke, die zwischen sechs und sieben Prozent vor sich hindümpelt und dabei kaum realistische Machtoptionen hat. Selbst wenn rechnerisch Rot-Grün-Rot möglich wäre, ist das bei den handelnden Personen an der Spitze und zentralen inhaltlichen Punkten nicht so recht vorstellbar.
Harte Oppositionsbänke
Die AfD hat sich in Umfragen bei knapp zweistelligen Werten (elf bis zwölf Prozent) eingependelt. Erfahrungsgemäß sind aber Umfragewerte für die Partei mit einer gewissen Zurückhaltung zu bewerten. Viel diskutiert wurde, dass dieser Partei ein zündendes Wahlkampfthema fehlt, wie es vor vier Jahren noch die Flüchtlingsdebatte war. Und für den Slogan „Merkel muss weg" hat die Partei auch noch keinen rechten Ersatz gefunden. Um aber einen bestimmten Kern von Wählerschaft zu erreichen, mag das keine ganz entscheidende Rolle spielen. Der Wahlkampf findet im Wesentlichen im Netz statt und schweißt dort vor allem die eigenen Truppen zusammen. Machtoptionen hat die Partei nicht, schließlich will keine andere Partei mit ihr koalieren. Selbst wenn in der Union die Diskussionen am rechten Rand alles andere als beendet sind, ist eine Zusammenarbeit auf Bundesebene oder gar eine Koalition nach dieser Wahl ausgeschlossen. Die fehlende Machtoption hat die Partei aber längst für sich umgemünzt und mobilisiert sogar Anhänger damit, die „Altparteien" abzulösen. Wenn, wie zu erwarten, am Ende die Kanzlerfrage die Wahl entscheidet, werden die Aussichten für AfD und Linke kaum besser.
Ganz im Gegensatz zur FDP. Es ist noch keine vier Jahre her, dass einige Liberale wohl schon über die Einrichtung ihrer Regierungsbüros nachgedacht haben mögen, bis der berühmte Satz ihres Vorsitzenden den Koalitionsverhandlungen ein jähes Ende bereitet hat. Dass die Liberalen heute dennoch so stark dastehen, ist vor diesem Hintergrund und den zeitweiligen internen Diskussionen durchaus erstaunlich. Damit ist aber auch der Druck enorm. Denn wenn sich an der Tendenz der aktuellen Umfragen nichts gravierend verschiebt, spielen die Liberalen in einigen rechnerisch denkbaren Konstellationen eine entscheidende Rolle. Das ist aber zugleich auch eine Herausforderung im Wahlkampf. Wo sich eine klare Vorab-Festlegung (positiv oder negativ) verbietet, wird es schwieriger mit einem eigenen klaren Profil. Immerhin hat es die FDP nach mühsamem Ringen geschafft, in der Pandemie eine eigene Position zu entwickeln zwischen dem Mittragen der Bekämpfungsmaßnahmen und einem bloßen Regierungs-Bashing. Nach den Umfragen und dem jüngsten Trend könnten sich die Liberalen wieder auf Platz vier mit einem klar zweistelligen Ergebnis wiederfinden.
Ebenfalls in der Opposition sind derzeit noch die Grünen. Die aber erheben ganz andere Ansprüche und haben bekanntlich erstmals nicht nur Spitzenkandidaten, sondern eine Kanzlerkandidatin ins Rennen geschickt. Fulminant gestartet, inzwischen mit Ernüchterung. Dennoch ist es nach wie vor das erste Mal, dass die großen TV-Schlussdispute keine Duelle sondern „Trielle" sind. Nach den Entwicklungen der Umfragen gibt es dabei eine ziemlich klare Prioritätenliste. Gewählt werden aber keine Kandidaten, sondern Parteien. Und dabei liegen Union, SPD und Grüne nach wie vor eng zusammen. Zumal man bei derzeitigen Umfragen eine Unschärfe von zwischen einem und drei Prozentpunkten beachten sollte.