Mit seiner ersten Sommer-Kollektion katapultierte sich Maximilian Davis gleich an die Spitze des inoffiziellen Designer-Newcomer-Rankings. Auch mit seiner aktuellen Herbst- und Wintermode beweist der Brite, dass sich Geschmack und Attraktivität nicht ausschließen.
Wenn die ungekrönte Königin der britischen Modetalente-Protektion – Lulu Kennedy – einen Newcomer für würdig befindet, um ihn oder sie im Rahmen ihres gemeinnützigen „Fashion East"-Projekts durch kostenlose Präsentation der Premieren-Kollektionen auf der London Fashion Week zu unterstützen, pflegen Branchenkenner inzwischen sofort genau hinzuschauen. Schließlich hat Ms. Kennedy schon vielen inzwischen zu Designer-Stars aufgestiegenen einstigen Talenten den Weg ins Mode-Business geebnet, darunter bekannten Namen wie Simone Rocha, Roksanda Ilincic, Marques Almeida, Martine Rose, Grace Wales Bonner, Holly Fulton, Jonathan Saunders oder Gareth Pugh. Da das Unterstützungspaket auch die Bereitstellung eines hochkarätigen Expertengremiums von Profi-Fotografen bis zu Top-Stylisten beinhaltet, kann ein professioneller Start eines Newcomer-Labels quasi garantiert werden.
So geschehen auch jüngst bei der Brand „Maximilian", die von dem in Manchester geborenen Maximilian Davis ins Leben gerufen worden war und deren erste Kreationen für den Sommer 2021 coronabedingt im Herbst vergangenen Jahres in einer beeindruckenden virtuellen Show vorgestellt werden konnten.
Die 18 Looks der Kollektion waren so überzeugend, dass die britische Fashion-Presse einhellig vom wohl spannendsten Debüt der Saison gesprochen hatte. Wenig später hatten sich die Luxus-Versandhäuser mit Net-à-Porter an der Spitze oder Promis wie Rihanna um die Kreationen gerissen. Schließlich erklärte sogar die „New York Times" den 25-jährigen Briten mit Blick auf die Winterkollektion 2021/2022 als „one of London’s most exciting fashion talents". Im deutschsprachigen Raum hat noch niemand Notiz von dem neuen Label genommen. Löbliche Ausnahme war die deutsche „Vogue", die immerhin ihre Leserinnen in einer Kurznotiz auf Maximilian Davis und „dessen ätherisch wirkende Schneiderkunst mit tiefen Dekolletés und anmutigen Braletts" aufmerksam gemacht hatte. „Zu sehen, dass Frauen Macht über ihren eigenen Körper haben", wie die „Vogue" den sich selbst als Mitglied der „People of Color" bezeichnenden Designer zu Wort kommen ließ, „ist unglaublich wichtig. Aber die Sexualität der Kollektion hat immer noch Eleganz – es ist möglich, elegant zu sein und trotzdem Haut zu zeigen."
Vom Gedanken lösen: nur Streetwear kann modisch sein
Schon aus diesem Statement lässt sich ableiten, dass Davis von der Streetwear wenig hält, die derzeit die Fashion-Welt dominiert: „Ich mache elegante Kleidung mit entsprechendem Tailoring. Ich möchte die Menschen von der aktuell weit verbreiteten Vorstellung abbringen, dass nur Streetwear eine modern-adäquate Bekleidung sein kann, weil ich selbst sie ganz anders anziehen möchte." Es ist ihm angesichts der kulturellen Wurzeln seiner Familie – sein Vater stammt aus Jamaika, seine Mutter aus Trinidad – ein ganz besonderes Anliegen, der Welt endlich den Nachweis zu erbringen, dass sich auch dunkelhäutige Menschen elegant zu kleiden wissen. Sein Eintreten für „black elegance" und „black beauty" dürfte im Zuge der „Black Lives Matter"-Bewegung genau den Nerv des Zeitgeists treffen.
Mode spielte in der afrokaribischen Familie von Maximilian Davis seit jeher eine große Rolle. Die Mutter hatte in den 1970er-Jahren als Model gearbeitet. Sein Vater und seine ältere Schwester hatten beide Modedesign am Manchester College studiert, ohne jedoch anschließend den Weg ins Fashion-Business einzuschlagen. Seine Oma mütterlicherseits hatte ihn schon im Alter von sechs Jahren mit der Nähmaschine vertraut gemacht. Die Dame legte großen Wert auf korrekte Kleidung, wobei den Jungen vor allem das sonntägliche Herausputzen mit den besten Klamotten vor dem Kirchgang beeindruckt hatte. Die Vorliebe des Vaters für elegantes Auftreten konnte er hingegen nicht so recht nachvollziehen, ohne maßgeschneiderten Anzug ging dieser kaum je aus dem Haus. Nach seinem Schulabschluss zog Maximilian Davis in die englische Hauptstadt, um am renommierten London College of Fashion Modedesign zu studieren.
Während der Semester begann Davis schon bei Grace Wales Bonner zu arbeiten, die ihn nach dem Studienabschluss zum Junior-Designer befördern und sich als großer Mentor des begabten jungen Mannes betätigen sollte. Dabei machen sie Davis auch mit den finanziellen Seiten des Fashion-Business vertraut.
Sie machten ihm zudem durch ihr eigenes Vorbild in ihren Kollektionen Mut für die bewusste Einbeziehung von „Blackness" in die Modewelt. Dennoch bedurfte es des Zuspruchs vieler Londoner Freunde, mit der Designerin Mowalola Ogunlesi an der Spitze, um Davis 2019 zum Sprung in die Selbstständigkeit und zur Gründung seines eigenen Labels Maximilian zu animieren.
Vom Karneval inspiriert
Statt ein teures Atelier anzumieten, nutzte er sein Schlafzimmer zum Kreieren seiner ersten sechs Looks, um damit ein erstes Portfolio zu erstellen. Die Corona-Pandemie machte Pläne für eine Vermarktung der ersten Pieces zunichte. Weshalb Davis sich wenig hoffnungsvoll, trotzdem hilfesuchend mit seinen ersten Entwürfen an das „Fashion East"-Projekt gewandt hatte. Zu seiner großen Überraschung wurde ihm die Präsentation seiner Stücke im Rahmen der London Fashion Week für den Sommer 2021 zugesagt, allerdings mit der Auflage, dass er seine Kreationen zahlenmäßig noch erweitern müsse. So entstand schließlich die von Davis „J’ouvert" betitelte Debüt-Kollektion, für die er seine Inspirationen von den Klamotten des traditionellen Karnevals in Trinidad und Tobago bezogen hatte. Zusätzlich hatte er auch noch das Werk des italienischen Malers Agostino Brunias zurate gezogen, das die Ursprünge der kreolischen Kultur widerspiegelt. Das Spektakel, das ursprünglich von den Sklavenhaltern zum eigenen Vergnügen mit dunkelhäutigen Hauptdarstellern initiiert worden war, kannte Davis durch eigene Anschauung von mehreren Aufenthalten in der Karibik. Nach Abschaffung der Sklaverei hatte sich der Karneval zu einer Feier der Befreiung entwickelt. Diese für ihn kulturhistorisch enorm wichtigen Wurzeln wollte Davis aufgreifen und zudem der breiten Öffentlichkeit demonstrieren, dass auch dunkelhäutige Menschen sich elegant zu kleiden wissen: „The black body wasn’t to be seen in elegant clothing." Dafür hat er sich auf die klassische Schneiderhandwerkskunst rückbesonnen, ohne jedoch die jüngere Klientel ganz aus den Augen zu verlieren, für die er Denim-Klamotten oder Print-Pieces in sein Label-Konzept integriert hat. Zu den Highlights der Sommer-Kollektion 2021 zählten beispielsweise aufgeschlitzte Kalbsleder-Kleider, ein elegantes schwarzes Crepe-Fischschwanzkleid, knielange Röcke mit Gänsefedern, Oversize-Damensmokings, Suits mit engen Hosen, schulterfreie Neckholder oder Bralettes mit Harness-Details. Oberstes Prinzip der gesamten Kollektion laut Davis: Super sexy und elegant.
In seiner zweiten Kollektion für den Winter 2021/2022 schwingen zwar auch noch einige Karnevals-Anklänge mit. Aber den Schwerpunkt bilden das fein-elegante Sonntags-Outfit, wie es früher in der Karibik zum Kirchgang getragen wurde, sowie ein sexy Beach-to-Club-Look, wie ihn seine ältere Schwester einst bei Besuchen in Trinidad getragen hatte. Das hat sich beispielsweise in hautengen Cut-out-Bodysuits oder Lycra-Badeanzügen niedergeschlagen, die am Abend beim Ausgehen einfach mit Röcken oder Hosen kombiniert werden können. Das Strandaccessoire in Gestalt einer modisch verfremdeten Taucherbrille sollte man dann aber wohl doch außen vor lassen. Seine Balaclavas oder Sturmhauben gehen dagegen immer. Auch das nächtliche Clubleben der 1960er-Jahre, die Discomusik von Donna Summer und die Kunst des aus Trinidad stammenden Malers Boscoe Holder fanden ihren Eingang in die Kollektion. Nicht zu vergessen sind die von Davis verehrten Fashion-Granden Christóbal Balenciaga und Paco Rabanne. Die hatten mit ihrer puristischen Schneiderkunst Pate gestanden für ein streng monastisch geschnittenes und mit Opera-Gloves kombiniertes schwarzes Woll-Abendkleid, für eine weitärmelige Melton-Wool-Jacke oder für Space-Age-Miniröcke.