Der Saarbrücker Fotograf André Mailänder ist einer von fünf saarländischen Künstlern des Ausstellungsprojektes „ReNatur" auf der Grube in Reden. Mit den ausgewählten Arbeiten zeigt er verschiedene Möglichkeiten der Bildsprache. Ein Atelierbesuch.
Seit mehr als 20 Jahren arbeitet der 1964 in Heusweiler geborene André Mailänder als freier Fotograf und hat dabei unzählige Fotos für Agenturen und Werbekampagnen gemacht, die sich über das visuelle Gedächtnis bei vielen Betrachtern eingeprägt haben. Seine Autorschaft ist dabei wohl oft verborgen geblieben, denn bei diesen „Brotjobs" ist der Fotograf nur „Handlanger", wie Mailänder das selbst formuliert. Nach einem Studium der Fotografie an der Fachhochschule Dortmund, das er 2002 mit Diplom abschloss, hat er unter anderem für Zeitungen und Magazine wie „Die Zeit" „Stern", „Focus" oder „Neon" gearbeitet und Fotos geliefert, je nach Beauftragung, ob eine dokumentarische oder journalistische Arbeit gewünscht war.
Dass er als Enkel eines Bergmannes der Grube Göttelborn von Werner Redzimski zur Teilnahme am Ausstellungsprojekt „ReNatur" – bei dem die Künstler sich mit den Prozessen der Renaturierung stillgelegter Gruben im Saarland und im Ruhrgebiet auseinandersetzen – eingeladen wurde, hat ihn sehr gefreut. Denn seine Bezüge zum Thema „Bergbau" sind nicht nur familiär. Bereits im Jahr 2018 fertigte er zum Begleitbuch des „Kumpelprojekts" von Martin Steinert sowohl Porträtfotografien der Bergmänner als auch dokumentarische Fotografien des Kunstwerks „Wooden Cloud" (Steinert), der Zeche Zollverein und der Grube Reden. Jetzt kehrt er mit Fotografien aus unterschiedlichen Serien – und damit auch unterschiedlichen Bildsprachen – innerhalb des Ausstellungsprojektes „ReNatur" nach Reden zurück.
Bezüge zum Thema Bergbau
Zu seinen hierfür ausgewählten Arbeiten zählen Fotografien der Serie „Woven Places/Green Facility" (Verwobene Orte), die während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 entstanden. Davon zeigt Mailänder drei großformatige Abzüge. Möglicherweise ergänzt er die Redener Ausstellung mit sechs weiteren „Woven Places"-Arbeiten, die er zu einem Tableau arrangieren möchte, was aber erst kurzfristig platzabhängig entschieden wird.
Wohl sind diese Fotografien nicht auf stillgelegten Gruben, aber doch auf Industriebrachen entstanden. In einem „Künstlerbuch" hat er 50 Fotografien dieser Serie zusammengefasst. Sie fungieren mit ihren wuchernden und ineinander verwobenen Bäumen und Sträuchern in üppigem Frühlingsgrün mit erzählerisch-dokumentarischem Charakter geradezu als Gegenpol zu seinen Arbeiten aus der Serie „Neue Landschaft", die bereits 2016 auf den Gruben Reden und Göttelborn entstanden. Sie dokumentieren den Ist-Zustand nach der Stilllegung und waren im Auftrag der RAG entstanden.
Die Großformate (150 x 200 cm) sind mit einer Plattenkamera mit adaptierter Digitaltechnik aufgenommen. Die Detailschärfe bei diesen Großaufnahmen irritiert. Glaubt man zunächst vielleicht an eine Detailaufnahme des Erdbodens, so vermittelt jeweils ein rot-weißes Flatterband mit Pflöcken, dass es sich um eine Aufnahme aus höherer Distanz handelt.
Sowohl die „Woven Places" als auch die Fotografien der Serie „Neue Landschaften" sind im Diasec Face-Verfahren beim Düsseldorfer Fotolabor Grieger gefertigt. Dabei wird das Foto beziehungsweise die Bildseite des Fotos unmittelbar mit dem Plexiglas verklebt. Diese Art der Oberflächenversiegelung produziert eine Art „wet look" und das Motiv „schwimmt" regelrecht hinter dem Glas. Vor allem die Düsseldorfer Foto-Stars der „Becher-Klasse" wie Thomas Ruff, Thomas Struth oder Candida Höfer hatten dieses bildseitige Kaschierverfahren, das ursprünglich in der Werbung eingesetzt wurde, für ihre großformatigen Fotoabzüge benutzt und populär gemacht. Nicht nur die Größe beeindruckt, sondern auch das Gewicht – ein solches Großformat unter Plexiglas wiegt fast 40 Kilogramm.
Dokumentarische Landschaftsfotos
Die dokumentarische Landschaftsfotografie ist nur eine von vielen möglichen Bildsprachen, die Mailänder anhand dieser beiden Serien zeigt. „Grundsätzlich hat jede Serie auch ihre eigenen technischen Vorgaben – zum Beispiel ultrascharf mit Plattenkamera im Diasec-Verfahren oder etwa experimentelle, auf Alu Dibond gezogene Fotografien", erläutert Mailänder bei einem Besuch in seinem Atelier.
In Reden zeigt er eine weitere Facette seiner Arbeiten mit frühen Schwarz-Weiß-Fotografien aus seinem Archiv-Fundus, kombiniert mit Gemälden von Jörg Munz. Kurator Werner Redzimski, der gemeinsam mit Munz für die Organisation des „ReNatur"-Projektes verantwortlich ist, hatte die beiden Künstler bereits einige Jahre zuvor miteinander bekannt gemacht, weil ihm eine Kombination beziehungsweise „Multiautorenschaft" geradezu sinnfällig erschien. Jetzt wurde sie in die Tat umgesetzt.
In der Gemeinschaftsarbeit „Motiv 1" ist ein buntfarbiges Gemälde mit gegenständlichem Blütenzweig von Munz einer abstrakten Schwarz-Weiß-Fotografie von Mailänder zugeordnet. In der Verzahnung der beiden Bildwerke auf einer Fläche sucht das Auge des Betrachters unweigerlich nach Verbindungen. Formale Analogien zwischen Malerei und Fotografie erzeugen eine innerbildliche Spannung. In einer weiteren Gemeinschaftsarbeit mit dem Titel „Motiv 2" ist nicht nur die Anordnung von Hoch- zu Querformat, sondern auch der formale Umgang mit dem Motiv umgekehrt: Mailänder fügt eine Schwarz-Weiß-Fotografie mit landschaftlichen und industriellen Segmenten zu einer gegenstandslosen Malerei von Munz.
„Die eigene, selbst beauftragte Arbeit, die mir künstlerische Freiheit ermöglicht, ist mir am Wichtigsten", bekundet André Mailänder den für ihn bedeutendsten Teil seines fotografischen Werkes. In Reden hat er mit der Auswahl der genannten Exponate sowohl Fotos aus selbstbeauftragten Serien als auch durch den Auftraggeber bestimmte Dokumentarfotografien vereint.