Diese Wahlen sollen die spannendsten seit zwei Jahrzehnten sein. Das hat sich aber offenbar immer noch nicht so recht rumgesprochen. Sagen Wahlkämpfer aus dem Nahkampf mit oder gegen Wähler. Und erfinden dann einen Lagerwahlkampf, dessen Schreckgespenst im Moment zumindest so gar keinen rechten Schrecken verbreitet. Vermutlich weil alle Konzentration fürs Rechnen gebraucht wird. Taktische (Wechsel-)Wähler stehen vor einer ziemlich unlösbaren Aufgabe. Was müssen sie auch ihre politischen Vorlieben so verteilen, dass alles noch komplizierter wird, als es ohnehin schon ist. Das gilt – der Korrektheit halber - natürlich auch für weibliche und alle anderen Wahlberechtigten.
Klar ließe sich der Wahl-O-Mat zu Rate ziehen, um zu erfahren, wohin die eigene Stimme eigentlich gehören würde. Würden wir uns wirklich daran halten, wäre die Lage ganz sicher alles, nur nicht übersichtlicher. Ich kenne nicht wenige, denen der Wahl-O-Mat überraschende Selbsterkenntnisse beschert hat.
Vielleicht sollte man die ganze Quälerei einem Algorithmus überlassen. Entscheidungen von Maschinen empfinden Menschen als gerechter als menschliche Entscheidungen. Zeigt eine Studie der Saar-Uni. Zumindest werden sie klagloser hingenommen, während bei menschlichen Entscheidungen nachgefragt wird. Erst recht dann, wenn Entscheidungen als ungerecht empfunden werden. Bei derselben Entscheidung einer Maschine wird dagegen unterstellt, dass sie rational und emotionslos getroffen wurde, also ihre Richtigkeit haben muss. Geschenkt, dass gleichzeitig keiner mehr wirklich glaubt, Computer hätten immer Recht. Womit das auch keine richtige Lösung wäre. Aber was ist schon eine richtige Lösung?
Wahlen sind Wetten auf die Zukunft. Wer weiß, wie wir vor vier Jahren gewählt hätten, wenn uns jemand was von Pandemien erzählt hätte. Jedenfalls ist es keine Alternative, als Wähler wie der Esel zwischen den Heuhaufen zu verhungern, nur weil man sich nicht entscheiden kann und will.
Ein Restrisiko gibt es bei jeder Entscheidung. Die deshalb anderen zu überlassen, ist auch eine Entscheidung. Mit dem Risiko, dass es dann eigentlich vier Jahre Meckerverbot geben müsste. Vielleicht spricht sich aber in den nächsten Tagen noch rum, dass das Ende einer Ära immer auch eine Chance ist.