Seit 2019 steht Rasim Bulic beim 1. FC Saarbrücken unter Vertrag. Seine Einsatzzeiten sind gering, aber er glaubt, dass sich das bald ändern wird.
Wenn man einem Defensiv-Akteur Gardemaß bescheinigen möchte, dann träfe dies auf Rasim Bulic absolut zu. Er misst 1,92 Meter, wiegt rund 85 Kilo. Die Haare kurzgeschoren, ein Händedruck wie ein Schraubstock. Furchterregend auf den ersten Blick, doch es wäre viel zu einfach, den gebürtigen Frankfurter auf derlei Äußerlichkeiten zu reduzieren. Generell haben Fußballer schnell einen Ruf. Der eine ist ein Raubein, der andere ein Großmaul, der dritte ein Frauenschwarm. Bulic gilt als die Höflichkeit in Person. Es gibt niemanden im Umfeld des 1. FC Saarbrücken, der auch nur ein negatives Wort über den 20-Jährigen zu erzählen weiß. Seine Trainer, egal ob sie Dirk Lottner, Lukas Kwasniok oder jetzt Uwe Koschinat heißen, lobten seine Mentalität, seinen Trainingseifer, seine Bereitschaft zu lernen. Seine Mitspieler bezeichnen ihn als absoluten Teamplayer, als einen, der sein letztes Hemd für seine Jungs gibt. „Ich fühle mich absolut wohl hier. Ich bin gerne in der Stadt und erzähle auch manchmal, dass ich mehr Saarländer kenne als viele Saarländer selbst. Ich gehe offen auf die Leute zu in der Stadt und habe viele Freunde gewonnen", sagt Bulic. Was sich nach einer perfekten Spieler-Verein-Stadt-Beziehung anhört, hat allerdings einen Haken.
Trainer loben seine Mentalität
Seit Sommer 2019 steht der serbischstämmige Verteidiger beim FCS unter Vertrag. 13 Einsätze, sieben in der 3. Liga, zwei in der Regio, einer im DFB-Pokal und drei im Saarlandpokal stehen für ihn zu Buche. Hinzu kommen noch ein paar Auftritte bei der Zweiten Mannschaft, die in der Landesliga spielt. Doch gerade diese Spiele in der Landesliga sagen viel über den Charakter des Frankfurters aus.
Während die erste Mannschaft in der vergangenen Hinrunde die 3. Liga aufwirbelte, war für Bulic und ein paar andere kein Platz im Aufgebot. Eine Degradierung in die „Zweite", vor allem, wenn sie in einer unteren Liga spielt, ist eigentlich immer ein eindeutiges Signal dafür, dass die Zeichen auf Trennung stehen. Wenig später gründete der damalige Cheftrainer Kwasniok auch die „berühmt-berüchtigte" Trainingsgruppe 2. Einer blieb am Ende von ihr übrig – Rasim Bulic. Vielleicht lag es auch daran, dass sich der Defensivakteur von allen am professionellsten verhielt. „Er war der einzige von den Profis, von denen man gemerkt hat, dass er Lust auf das Spiel gehabt hat. Er hat mir vorher und nachher die Hand gegeben, war überhaupt nicht arrogant", erzählt ein damaliger Gegenspieler. Auf diese Anekdote angesprochen, muss Bulic lachen: „Das ist schön zu hören, aber am Ende waren die damaligen Mitspieler und gegnerischen Spieler genauso Fußballer wie ich auch. Warum soll ich sie mit meinem Verhalten runterziehen? Sie konnten doch nichts für meine damalige Situation."
Und doch: Ein bisschen mehr hat sich der Defensivakteur, der mit der U19 der Offenbacher Kickers die Bundesligarelegation gegen die SV Elversberg gewann, schon erwartet. „Ein junger Spieler will spielen. Aber er muss auch Geduld haben. Ich habe Ende der vergangenen Saison in der 3. Liga gegen Akteure wie Stefan Kutschke oder Ronny König gespielt. Ich habe gesehen, dass ich mithalten kann", sagt Bulic. Nachdem fast alle Spieler der Trainingsgruppe 2 einen neuen Verein gefunden hatten und nur noch der junge Verteidiger da war, kam es zum Gespräch zwischen Kwasniok und ihm. Dabei wurde es etwas lauter.
Die Folge: Bulic durfte gemeinsam mit den Profis auf den Platz, musste aber einsam seine Runden drehen. „Ich weiß nicht, ob Lukas gemerkt hat, dass wir beide überreagiert haben. Auf jeden Fall hat er mich irgendwann noch mal in die Kabine gebeten und dann hat die Chemie sofort gestimmt. Ich konnte ihm auch meine ganze Geschichte erzählen, und danach war unser Verhältnis richtig gut." Denn über der jungen Karriere des Frankfurters hängt ein dunkler Schatten. Rasims Vater starb im vergangenen Sommer nach einer fünfjährigen Krebserkrankung. Zurück blieben die Mutter und drei Schwestern. „Ich bin seitdem der Mann im Haus", sagt Bulic trocken. 20 Stunden fuhr er mit dem Auto zur Beerdigung nach Serbien, ein paar Tage später die gleiche Strecke wieder zurück. Kurz darauf stand er auf dem Trainingsplatz. Schmerz und Erinnerung blieben. „Es war keine einfache Zeit. Aber mein Vater, der eine eigene Firma hatte, hat alles investiert, damit ich Profi werden kann. Er war bei jedem Training von mir. Ich will ihm etwas zurückgeben und bete vor jedem Spiel zu ihm", sagt der 20-Jährige. Doch Eile und Druck verspürt er nicht. „Irgendwann werde ich meine Chance bekommen", sagt er und berichtet von guten Gesprächen mit Uwe Koschinat. „Und ich werde sie nutzen. Das hat nichts mit Überheblichkeit zu tun. Ich weiß, was ich kann."
Niemand profitiert von schlechter Stimmung
Dabei streitet er gar nicht ab, dass er nach dem durchaus guten Saisonausklang in der vergangenen Runde auf größere Einsatzzeiten gehofft hatte: „Der Trainer sieht derzeit eben andere Spieler vor mir. Das muss man akzeptieren. Es bringt doch nichts, wenn ich einen dicken Kopf machen würde. Damit würde ich mir schaden und letztlich auch meinen Kollegen, weil ich schlechte Stimmung verbreite." Im Team ist Bulic auch aufgrund dieser Einstellung hoch angesehen. Dabei ist es vielleicht sogar ein Nachteil, dass er aufgrund seiner familiären Geschichte erwachsener ist als Gleichaltrige. „Die fünf Jahre mit einem kranken Vater mit allen Höhen und Tiefen haben mich geprägt und reif gemacht. Ich habe die Schattenseiten des Lebens erlebt. Das kann ich nicht abstellen. Aber am Ende ist alles Kopfsache. Ich gebe in jedem Training Vollgas und weiß, dass meine Zeit kommen wird. Solange bin ich geduldig. Es gibt doch viele Menschen, denen es schlechter geht als mir", sagt Bulic ganz entspannt auf der Couch im Foyer des Victor’s Residenz Hotels. 45 Minuten sind wie im Flug vergangen. „Mach‘ was Gutes aus diesem Tag", grinst der Frankfurter und verabschiedet sich.