Groß und wuchtig thront das prächtige Schloss Salzau im Landkreis Plön in Schleswig-Holstein. Einst von einem Grafen errichtet, war es im 20. Jahrhundert für einige Zeit eine begehrte Kulturstätte. Nun wartet der imposante Bau auf seine Wiedererweckung.
Manchmal retten es auch illustre Namen nicht. Kalifornien und Brasilien nennen sich zwei Flecken am Ostseestrand östlich von Laboe, aber es hilft alles nichts. So schnurgerade die Küstenlinie, so schnörkellos das touristische Angebot. Sandstrand, Strandkörbe, Grasnarbe, geteerter Weg, genormte Ferienhäuser, Fischbrötchen, Currywurst. Dass die Natur ihren Liebreiz ungleich verteilt, dafür kann der insgesamt acht Kilometer lange Schönberger Strand tatsächlich nichts, aber entschuldigt dies die abgezirkelte Einfallslosigkeit des dortigen Fremdenverkehrs? Ebenso wie die in die Jahre gekommenen Ostseebäder Scharbeutz und Grömitz urlaubt in Kalifornien, wer sich allein vom Namen blenden lässt oder weil er schon seit Jahren genau da immer wieder hinfährt. Und nirgends sonst. Schade eigentlich.
Seen und Wälder prägen das Landschaftsbild
Zum Glück aber erschließt sich nur wenige Kilometer im Hinterland der Küste eine Ausflugs- und Urlaubslandschaft, die im Norden Deutschlands ihresgleichen sucht. Der Landkreis Plön verdankt seine natürliche Anmut eiszeitlichen Moränen und wie so oft im flachen Norden, wenn unversehens Hügel die Gegend aufwellen und die Landstraße zur Buckelpiste wird, wird’s irgendwie zur „Schweiz". Auch der nördliche Rand der „Holsteinischen Schweiz" ist sanftes Hügelland, geprägt von kleinen und großen Seen, von wogenden Wäldern, Wiesen und Feldern. Richtig bekannt wurde diese Gegend 1957 durch den Familien- und Heimatfilm „Ferien auf dem Immenhof", Idylle pur, und keine Frage, dass sich die männlichen Zuschauer in Dick oder in Dalli verknallten. Es braucht aber gar nicht die längere Fahrt von der Ostseeküste zum Großen Plöner See, um die Schönheit der Gegend zu erleben. Nimmt man die L 211 von Preetz Richtung Schönberg, so wird es nahezu unberührt und fast menschenleer, wenn man in Schlesen den Abzweig Richtung Fargau wählt. Hier also liegt unweit der Küste eine außergewöhnliche Sehenswürdigkeit, die zu einem ausführlichen Spaziergang einlädt. Ausgangspunkt ist die Kapelle am Ortseingang des Dorfes Fargau, auf einem kleinen Hügel oberhalb des Friedhofs gelegen und von Weitem zu erkennen an seinem spitz zulaufenden, filigranen Turm. Ein Schild weist nach Salzau, dort entlang! Eine schmale Asphaltstraße windet sich, begrenzt durch mächtige Bäume und Hecken, am Rande hügeliger Getreidefelder entlang und mündet in einer weiten Senke. Hier liegt, ein wenig versteckt, im Dornröschenschlaf seit Jahren Schloss Salzau.
Wer das Gelände durch das mächtige, auf nahezu quadratischem Grundriss errichtete Torhaus betritt, erahnt, dass solch ein Prachtbau nicht isoliert in schönster Einsamkeit errichtet werden konnte. Und tatsächlich handelt es sich bei dem Schloss um das spätere Zentrum eines weit verstreuten Guts, zu dem bis Mitte des 18. Jahrhunderts umliegende Dörfer und ausgedehnte Landwirtschaftsflächen, Forst-, Jagd- und Fischereigebiete gehörten. Zu dieser Zeit herrschte der Besitzer, Wulf Blome, über gut 600 Personen, leibeigene Bauern, Knechte und Tagelöhner sowie freie Handwerker, Müller, Fischer und Verwalter. Das Gut warf reiche Erträge ab, die Böden fruchtbar, die Weiden fett, Baumholz zu Genüge und viel Fisch im nahen Selenter See. Noch immer stehen die einstigen Wirtschaftsgebäude, Scheune, Pferdestall sowie das Kavaliershaus in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schloss, das spät errichtet wurde. Erst als ein überhitzter Kamin das ursprüngliche Herrenhaus aus der Renaissancezeit in Flammen setzte, ließ 1881 Graf Otto von Blohme das Schloss errichten, das fortan zu den größten Profanbauten in Schleswig-Holstein gehörte.
Richtig glücklich wurde kein Schlossbesitzer
Es gab nicht wenige Zeitgenossen, denen der Neubau damals ein paar Nummern zu groß geraten schien. Verständlich. Denn fast 100 Zimmer sind zwischen Hochkeller und Dachgeschoss verteilt, das ganze Schloss misst allein in der Breite 73 Meter. Dimensionen, die sich schon bald und bis heute rächen. Der Ausbau dauerte ganze sieben Jahre und da immer nur ein sehr kleiner Teil der Zimmer genutzt wurde, bestand für den verwaisten Großteil ein ständiger Unterhaltungs- und Sanierungsbedarf. So richtig glücklich wurde kein Besitzer. Wenn man die wuchtige Vorderseite mit seiner ausladenden Steintreppe, die beeindruckenden Türme an den Seiten und das stolze Wappen über dem verschlossenen Eingang länger betrachtet, könnte man den Eindruck gewinnen, dass das Schloss sich durchaus selbst genügt.
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs ist es vorbei mit den Privilegien des Adels. Zwar bleibt das Schloss im Besitz der Familie Blome, aber der Glanz verblasst. In den 30er-Jahren requiriert der Reichsarbeitsdienst einige Räumlichkeiten, von 1943 bis 1945 richtet dort die Kriegsmarine eine Dienststelle ein, der letzte männliche Blome verstirbt im Jahr der Befreiung. Dann kommen die Engländer und bis 1955 werden dort 400 Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten einquartiert. Die letzte Erbin, mit einem böhmischen Grafen verheiratet, nach Kriegsende selbst eine Vertriebene, kommt 1945 nach Salzau, um kurz darauf an den Tegernsee weiterzuziehen. Es liegt kein Segen auf dem schönen Schloss, das langsam zu verfallen droht. Es wird ab 1964 mehrfach verkauft und es beginnt das Trauerspiel gescheiterter Projekte und windiger Spekulationen, von Größenwahn und Pleiten schnell wechselnder Besitzer.
Damit soll endgültig Schluss sein, als das Land Schleswig-Holstein 1985 das Anwesen für 3,2 Millionen D-Mark aus einer Versteigerung übernimmt und es zum Landeskulturzentrum ausbauen lässt. Das Projekt hat viele Gönner und Förderer, nun geht es Schlag auf Schlag. Die Scheune wird zur Konzertscheune, die Sägerei zum Orchesterübungsraum, ein Ballettinternat zieht ein, es wird lebendig: Seminare, Kunstausstellungen, Theateraufführungen, Lesungen und Musik vom Feinsten. Selbst die „Süddeutsche Zeitung" jubelt 1999: Die Jazz Baltica habe „Schleswig-Holstein auf der Jazzlandkarte verewigt". Mehr noch: Salzau wird zur Spielstätte des „Schleswig-Holstein Musik-Festivals", Gönner und Förderer von allen Seiten, unter ihnen Uwe Barschel und Helmut Schmidt. Salzau wird sogar Sitz der von Leonard Bernstein 1987 begründeten internationalen Orchesterakademie des Festivals. Das Staunen nimmt kein Ende.
Doch 2011 ist Schluss, der Vorhang fällt. Dem Land wird der ganze Spaß zu teuer. Einmal noch wird das Schloss zur Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge, im Februar 2017 wird Salzau für 1,7 Millionen Euro verkauft. Aufatmen in Kiel. Das Schloss Salzau steht also geradezu symbolisch für die schwierigen Nutzungsmöglichkeiten von Großbauten auf dem Land, für den Spagat zwischen Luftschlössern und Denkmalpflege.
Auf der Rückseite des Baus gibt es einen wunderbar angelegten Park, der sich an den Ufern eines kleinen Sees erstreckt. In ihm spiegelt sich die schneeweiße Fassade des Baus, hier zeigt sich das Schloss von seiner lieblichen, harmonischen Seite. Nichts Verwinkeltes, es wirkt ganz offen, freundlich und einladend. Eine Freitreppe führt über eine große, gepflegte Rasenfläche hinab zum Wasser. Schwäne dümpeln gemächlich im glitzernden Sonnenlicht, tief neigen sich die Zweige über das stille Gewässer. Ursprünglich als barocker Garten angelegt, wurde er später zu einer großzügigen Landschaftsanlage, durch die sich auf gewundenen Wegen zwischen gepflegten Wiesen und abwechslungsreichen Baumgruppen flanieren lässt. Zwar handelt es sich um zugängliches Privatgelände, aber mitunter trifft man einen Gärtner oder freundlichen Angestellten, der die Zukunftsvision für das Schloss umreißt. Die Kultur soll nach Salzau zurückkehren, das Schloss Herberge werden für Erholungssuchende und Naturliebhaber. Aber darum geht es dem derzeitigen Besitzer nicht. Er verdient sein Geld mit Kartoffeln und deren Verarbeitung. Bei den Investitionen in den Erhalt und in eine nachhaltige, sinnvolle Nutzung des Anwesens geht es ihm nicht um den Profit. Dem Schloss, das so viele Besitzer hat kommen und gehen sehen, scheint dieser sanfte Umgang mit sich zu gefallen.