Mit Balladen und Hymnen wie „The Lady in Red" wurde Chris de Burgh (72) weltberühmt und hat bis heute 45 Millionen Tonträger verkauft. Für sein neuestes Werk „The Legend Of Robin Hood" ist er tief in den Sherwood Forest eingetaucht. Der Musiker spricht im Interview über persönliche Helden, die Pandemie und seine berühmten Vorfahren.
Chris de Burgh, wann haben Sie Ihr Album „The Legend of Robin Hood" aufgenommen?
Mit der Musik war ich im Februar 2020 fertig. Anschließend habe ich an vier Tagen meinen Gesang aufgenommen. Einen Tag später begann der Lockdown, und ich konnte meine Kinder monatelang nicht sehen. Dies ist in der Tat ein sehr bösartiges Virus. Ich bin immer noch erstaunt, dass es Leute gibt, die die Pandemie für eine Verschwörung halten. Die glauben zum Teil, dass Liebe diese Krankheit heilen wird. Als ich als Kind in Afrika lebte, musste ich mich gegen Gelbfieber, Typhus, TB und Polio impfen lassen. Ich habe mir nie etwas eingefangen. Ein Problem ist, dass Menschen heute zu viel Zeit im Internet verbringen, wo sie sich mit Müll beschäftigen. Vor 50 Jahren musste sich noch jeder impfen lassen. Es ist ziemlich töricht, den Leuten die Wahl zu lassen.
In England gibt es populäre Impfgegner wie Eric Clapton. Ist das ein Problem?
Er hat eine sehr eigene Auffassung. Die Leute, die das Impfen für ein Experiment mit unserem Leben halten, reden Quatsch. Was soll man dazu sagen? Das Impfen bewirkt, dass sich dein Körper gegen einen Angriff wehren kann.
Inspiration für Ihre 27. Studioplatte war die Arbeit an „Robin Hood – Das Musical". Es feiert am 3. Juni 2022 im Schlosstheater in Fulda Premiere. Wie kam es dazu?
Ich wurde vor vier Jahren gefragt, ob ich etwas für das Schlosstheater schreiben wolle. Daraufhin habe ich mir deren Produktion „Der Medicus" angesehen, die ich exzellent fand. Ich habe dann zugesagt, auch, weil ich mich für die Geschichte des Mittelalters interessiere. Mein Vorfahr Hubert de Burgh war unter King John der zweitmächtigste Mann in England. Ein Musical zu schreiben ist völlig anders als ein Album, weil es da auf der Bühne auch Dialog gibt. In Fulda werden insgesamt 100 Akteure zu sehen sein. Für mich war es sehr spannend, meine Musik von Sängerinnen und Sängern, Band und Orchester live gespielt zu hören. Mark Seibert hat die Hauptrolle für die Welturaufführung in 2022 übernommen. Wir hoffen, das Musical später auch in größeren Städten wie Hamburg, München oder Wien präsentieren zu können.
Und auf dem Album singen Sie die Songs selbst. Was erwartet den Hörer?
Für das „Robin Hood"-Album hatte ich die Idee, den Hörer in eine Taverne im 18. Jahrhundert zu versetzen. Bei meiner nächsten Tour werde ich es in voller Länge spielen. Ich habe vor, das Live-Publikum an der Handlung teilhaben zu lassen. Robin Hood hat wahrscheinlich nie existiert – und wenn doch, dann hat er das geraubte Geld bestimmt für sich behalten. Aber die Idee ist bis heute wundervoll: Jemand bestiehlt die Reichen und beschenkt die Armen. Und es gibt eine Liebesgeschichte zwischen Robin und Marian. Man kann auch nicht die anderen Outlaws und den Scheriff von Nottingham ignorieren.
Ist Ihr Robin Hood ein Held?
In der Geschichte auf meinem Album ist er ein abnormer Teenager. Mit 19 Jahren soll er gegen ihren Willen die 13-jährige Marian heiraten. Robin betrinkt sich an dem Tag, beleidigt die Gäste und geht ins Bett, um das Mädchen zu vergewaltigen. Aber dann zeigt sich eine völlig andere Seite seiner Persönlichkeit: Er reagiert höflich, mitfühlend und empathisch, als er feststellt, dass Marian verängstigt ist. Am nächsten Morgen bricht er zum Kreuzzug auf und kehrt nach drei Jahren desillusioniert und traumatisiert zurück. Er hat unvorstellbare Dinge gesehen und kann nicht mehr zu Hause leben, weshalb er sich in den Wald zurückzieht. Seine Frau, die er noch nie berührt hat, begegnet ihm dort wieder. Robin geht mit Marian mit, um festzustellen, dass der König sein Volk gnadenlos ausbeutet. Hier beginnt die Legende.
Was, glauben Sie, macht Robin of Sherwood so unverwechselbar?
Robin ist als Edelmann in einem Schloss aufgewachsen. Die Geächteten, denen er sich anschließt, mögen ihn anfangs überhaupt nicht, weshalb er sie erst von sich überzeugen muss. Mein Robin entwickelt sich immer weiter. Ich wollte, dass er etwas Modernes hat. Am nächsten kommt ihm eine reale junge Frau namens Greta Thunberg. Sie wurde wegen ihrer Warnungen vor dem Klimawandel oft angegriffen, sogar von Donald Trump.
Glauben Sie, dass die Tage der Menschheit gezählt sind?
Nein, die Menschheit ist unglaublich gut darin, sich an alle Umstände anzupassen. Als das Öl zur Neige ging, ignorierten die Menschen das Problem und entwickelten Elektroautos. Aber ich glaube, dass die globale Erwärmung vor allem in den ärmeren Ländern viele Tragödien mit sich bringen wird. Wir sehen das gerade an den Bränden in Griechenland und der Türkei. Wir müssen dies also ernst nehmen. Winston Churchill sagte: „Verschwende niemals eine Krise!" Corona ist eine Gelegenheit für die jungen Leute, den Kampf aufzunehmen und zu sagen: Wir werden jetzt den Ton angeben!
Wie haben Sie die Legende von Robin Hood kennengelernt?
Ich kannte als Kind die Geschichte natürlich, aber meine Helden waren eher Musiker wie die Beatles, Paul Simon oder Bob Dylan. Ich bin ohne Fernseher beziehungsweise mit schwarzweißen Bildern aufgewachsen. Als ich zwölf war, kaufte mein Großvater General Sir Eric de Burgh ein irisches Schloss mit einer Farm. Meine Eltern hatten bis dahin in Afrika gelebt, mussten aber zurück nach Europa, weil dort unten Weiße ermordet wurden. Das Schloss haben wir dann in ein Hotel umgebaut. Dort habe ich gelernt, mit einer Gitarre vor Gästen aufzutreten. Als ich das erste Mal auf einer richtigen Bühne stand, hatte ich bereits Hunderte von Wohnzimmershows mit irischen Volksliedern gespielt.
Wie wurden Sie zu einem Songschreiber?
Das Songwriting lernt man nicht über Nacht. Ein Lied von Bestand zu schreiben ist vergleichbar mit der Herstellung eines antiken Möbels. Gehen Sie zu den klassischen Songs und nehmen Sie sie auseinander! Finden Sie heraus, warum sie funktionieren. In Foreigners „I Want To Know What Love Is" etwa gibt es vor dem Chorus einen kleinen Break. Diese unterschwellige Pause fällt ins Ohr. Ich kann keine Noten lesen, bei mir läuft alles über das Gehör.
Können Sie sich auch ein bisschen mit Robin Hood identifizieren?
Vielleicht ein bisschen. Er hat sich ja dazu entschieden, anderen zu helfen. Damit kann ich persönlich etwas anfangen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich den Mut hätte, in die Themse zu springen, um jemanden vor dem Ertrinken zu retten. Man muss eine sofortige Entscheidung treffen. Aber man hört solche Geschichten immer wieder. Ich bin kein sehr ausdauernder Mensch, aber ich bin widerstandsfähig. Ich arbeite in einem sehr harten Geschäft. Es ist auf Enttäuschung aufgebaut, die Dinge laufen oft schief. Aber ich habe immer noch Spaß an dem, was ich tue, das ist der Punkt.
Für Sie gibt es sogar eine persönliche Verbindung zur Legende: Ein renommierter Geschichtswissenschaftler hat die These aufgestellt, dass King John, dessen Sohn Heinrich III. und deren Chefjustiziar Baron Hubert de Burgh Robin Hood gejagt haben sollen – wobei letzterer ein Vorfahre von Ihnen ist.
Diese Geschichte kannte ich noch nicht. Haben Sie die im Internet gefunden? (lacht) In dem Fall ist sie wahr! Die Figur Robin Hood ist natürlich ein Räuber. Hubert de Burgh, der für King John und King Richard die Gesetze geschrieben hat, wäre mit Sicherheit in die Jagd involviert gewesen, wenn Robin existiert hätte.
Haben Sie auch schon mal daran gedacht, ein Musical oder Album über Ihre eigene Familie zu schreiben?
Gott, darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Die Familie meiner Mutter bestand unter anderem aus Admirälen und Generälen. Für die wäre es vollkommen abwegig gewesen, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen. Ich brauchte ein bisschen, um meine Eltern von meinem Vorhaben zu überzeugen. Als sie mich das erste Mal im Fernsehen singen sahen, verstanden sie, dass ich einen Traum hatte. Ich war unheimlich naiv und wusste überhaupt nichts über die Musikindustrie. Ich sagte mir einfach: Probiere es aus und schau, ob du es schaffst. Wenn nicht, mach etwas anderes.
Gab es in Ihrer Familie noch andere Künstler?
Nicht dass ich wüsste. Aber mein Großvater stand mir sehr nahe. Auf dem Marlborough College in England sagte man ihm, er sei zu dumm für die Armee. Nichtsdestotrotz kämpfte er im Ersten Weltkrieg und stieg auf bis zum General. Mitte der 1930er war er Leiter des Generalstabs in Indien und für 600.000 Männer verantwortlich. Ein wundervoller Mann, mit dem ich viel Zeit verbracht habe.
Wie war es, als Kind in einem Schloss aus dem 15. Jahrhundert zu spielen?
Wir zogen dort ein, als ich zwölf war. Es war um Weihnachten herum. Im gesamten Schloss gab es keine Elektrizität, keine Heizung, kein fließendes Wasser und keine Möbel. Wir legten uns nachts in Schlafsäcken auf dem Flur. Um Wasser zu holen, mussten wir in den Keller gehen und minutenlang pumpen. Für einen Jungen wie mich ein Abenteuer. Nach drei Jahren eröffneten wir in unserem Schloss ein kleines Hotel, wo ich dann immer vor den Gästen auftrat. Jahre später schrieb ich den Song „The Ghost of old King Richard". Darin stelle ich mir vor, wie der König durch unser Schloss wandelt, auf der Suche nach der anderen Seite.
Wann fanden Sie heraus, welche Rolle Ihr Vorfahr Hubert de Burgh in der britischen Geschichte spielte?
Oh, das wusste ich schon früh. Hubert de Burgh ist zum Beispiel eine der Hauptfiguren in Shakespears Drama „King John". Fand ich super interessant.
Wie gehen Sie mit Ihrer Familiengeschichte um?
Es macht mich nicht anders, aber es ist einfach interessant. Es geht sogar noch weiter zurück. Die populäre britische TV-Sendung „Who do you think you are" dreht sich um das Thema Vorfahren. Meine Tochter Rosanna, die ehemalige Miss World, wurde da mal eingeladen. Sie fuhren mit ihr nach Bayeux in der Normandie, wo es diese berühmten Wandteppiche aus dem 12. Jahrhundert gibt. Auf einem werden drei Männer gezeigt: William I., der England erobert hat. Links neben ihm Richard Odo of Bayeux und rechts Robert, Count of Mortain. Alle drei haben dieselbe Mutter, Harlette Herleva de Burgh, geboren etwa 1003. Es gibt Filme über einen Schotten namens Robert the Bruce, der Elizabeth de Burgh heiratete. Deren Sohn war King David of Scotland. Und ein Baldwin de Burgh war der zweite König von Jerusalem. Unser Familienwappen ist ein goldener Schild mit einem roten Kreuz.
Letzte Frage: Glauben Sie, dass Sie bald wieder auf Welttournee werden gehen können?
Unter Corona? Nein! Das Virus wird uns noch zwei bis drei Jahre begleiten, bis wir es kontrollieren können. Aber ich will natürlich auftreten. Ich bin in Europa, Skandinavien, Russland, Kanada, Amerika und Südafrika ziemlich erfolgreich. Es ist eine große Welt, die wartet. Mal schauen, was passiert.