Türkgücü München hat auch vor dieser Saison wieder eine hohe Fluktuation im Kader provoziert mit dem Ziel, zur Spitzengruppe der 3. Liga zu gehören. Bisher geht das nicht auf. Die Mannschaft zu unterschätzen wäre dennoch ein Fehler.
Türkgücü München ist im Herbst 2020 in die 3. Liga aufgestiegen. Für Präsident und Investor Hasan Kivran nur eine Zwischenstation. Bis 2023 peilt er die 2. Bundesliga an. Doch Rückschläge gab es in den vergangenen Monaten reichlich.
Sportliche Lage
Noch vor zwei Jahren spielte der von türkischen Gastarbeitern gegründete Verein in der Sechsten Liga, verfügt über kein eigenes Stadion und stellt mit Max Kothny den jüngsten Geschäftsführer aller deutschen Proficlubs. Der 23-Jährige verfolgt gemeinsam mit Präsident und Investor Hasan Kivran ambitionierte Ziele: „Mein Ziel ist es, aus Türkgücü München einen großen und etablierten Verein zu machen", sagt er in einem Interview mit „Spox" und fügte hinzu: „Natürliche träume ich davon, Geschäftsführer bei einem Club in einer der höchsten Ligen zu sein und eines Tages auch die Champions-League-Hymne zu hören." Die Realität ist aber derzeit noch eine andere, viele Sympathiepunkte hat Türkgücü durch solche vollmundigen Aussagen auch nicht gerade gesammelt. Hinzu kommt die undurchsichtige Vereinsarbeit des Clubs. Investor Hasan Kivran stand im vergangenen Winter plötzlich vor dem Absprung, entschied sich dann um und investierte nun kräftig weiter. Die Personalpolitik war zuletzt geprägt von ungeheurem Ehrgeiz, Ex-Profi Petr Ruman nimmt nun auf dem heißen Trainerstuhl Platz, für ihn ist Türkgücü die erste Station als Chefcoach. Ihm wird klar sein: Nach Platz 13 im Vorjahr und einer schwachen Rückrunde hängen die Trauben im Süden wieder hoch. Ein Angriff auf die vorderen Plätze muss mit dieser Mannschaft möglich sein. Das zeigt nun auch Kothny mit seinen Aussagen. „Es kann doch nicht der Anspruch eines Clubs sein, die Einstellung zu haben: „Wenn wir hinten liegen, ja mei, dann ist das eben so. Dann ist das Spiel sowieso gelaufen.‘ Das geht nicht!", wetterte er bei der „TZ" und forderte „eine 180-Grad-Wende." Ansonsten müsse man wahrscheinlich eher früher als später personelle Konsequenzen ziehen, kündigt er an. Nicht davon betroffen wäre dann aber wohl zunächst der Trainer Ruman. Denn den klammerte der Geschäftsführer dabei ausdrücklich aus. Nach den deutlichen Niederlagen gegen Osnabrück und Mannheim hing der Haussegen mächtig schief. Auch in finanzieller Hinsicht ist Türkgücü München speziell. Seit einigen Wochen ist der geplante Börsengang in vollem Gange. Denn nun kann jeder Anteile des Clubs kaufen, anschließend soll die Börsennotierung folgen, der Verein will dauerhaft an der Börse München handelbar sein. Türkgücü hofft, bis Ende der Zeichnungsphase bis zu acht Millionen Euro einzusammeln – das ist der bei diesem Modell rechtlich erlaubte Maximalbetrag. Die BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) hat dem Vorhaben des Clubs bereits grünes Licht erteilt. Geschäftsführer Kothny sagt dazu: „Türkgücü München steht als Club für Integration, Dynamik und Zielstrebigkeit. Gemeinsam mit unseren Aktionären wollen wir unser ambitioniertes Ziel 2. Bundesliga erreichen. Eine Familie hält zusammen."
Transfers
Doch die Fluktuation innerhalb der Familie ist ziemlich groß: 35 Spielerbewegungen (17 Zu- und 18 Abgänge) standen am Ende der Transferperiode zu Buche, der Austausch beim Vorjahres-Aufsteiger war gigantisch. Darum heben wir kurz die wichtigsten Ereignisse hervor, zu denen etwa die kürzliche Verpflichtung des 35-jährigen Innenverteidigers Mergim Mavraj (158 Bundesliga-Spiele) von Erstliga-Aufsteiger Greuther Fürth zählt. Auch die übrigen Neuzugänge kennen fast alle die 3. Liga, teils auch höhere Spielklassen, so etwa Albion Vrenezi (27/Regensburg), Paterson Chato (24/Wiesbaden), Tim Rieder (27/Kaiserslautern), Philip Türpitz (29/Rostock) und der Schotte Andy Irving (21/Heart of Midlothian). Dazu gelang es nach teils merkwürdigen Wechselpossen in Stürmer Petar Sliskovic und Mittelfeldspieler Sercan Sararer zwei Unterschiedsspieler zu halten – Sararer sogar per Verlängerung. Kurzfristig wurde nun auch noch Törles Knöll von Slaven Belupo verpflichtet.
Bisherige Saison
Der Start in die Saison entsprach schon nicht den Wünschen der Vereinsführung. Gegen Verl, Halle und 1860 München gab es drei Unentschieden, zudem war in der ersten Pokalrunde gegen Union Berlin Schluss. Die ersten beiden Siege wurden gegen Aufsteiger gesammelt. Mit jeweils 3:0 wurden Havelse und die zweite Mannschaft der Freiburger geschlagen. Doch nachdem alle Verantwortlichen dachten, dass es jetzt richtig aufwärts geht, folgten zwei derbe Niederlagen gegen Osnabrück und Mannheim – mit jeweils 0:3. Das rief auch Geschäftsführer Kothny auf den Plan. Mit der Drohung nach personellen Konsequenzen wollte er einen Aufschwung herbeiführen. Immerhin: Beim mühsamen 1:0-Erfolg gegen den MSV Duisburg stimmte das Resultat.
Der Trainer
Petr Ruman trainierte zuletzt die Regionalliga-Mannschaft von Greuther Fürth. Zuvor fungierte er zwischenzeitlich als Co-Trainer bei den Profis, trainierte die U19 von Darmstadt 98 (2016 – 2018), die Zweite Mannschaft der Kickers Offenbach (2014 – 2015) sowie mehrere Jugendteams des FSV Frankfurt und des FSV Mainz 05. Als Spieler absolvierte der Tscheche 40 Bundesliga- und 175 Zweitliga-Partien für Greuther Fürth, den FSV Mainz 05 und den VfR Aalen. Türkgücü München ist die erste Trainerstation des Tschechen im deutschen Profifußball: „„Es ist eine sehr interessante und große Herausforderung, in der 3. Liga zu bestehen", sagt der 44-Jährige. Bisher hat Ruman schon auf verschiedene taktische Varianten gesetzt, mit der Viererkette setzte es aber bereits zwei Niederlagen. Variabilität ist mit dem Kader der Münchener aber auf jeden Fall möglich.