Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen, berichten über positive Erfahrungen. Viele Firmen sind trotzdem zurückhaltend. Dabei gibt es vielfältige Unterstützung des Inklusionsamtes. Sozialministerin Monika Bachmann startet dazu am 1. Oktober eine Aufklärungs- und Informationskampagne.
Frau Bachmann, Betriebe sind gesetzlich verpflichtet, Schwerbehinderte zu beschäftigen. Wie ist die Situation im Saarland, wie steht das Land im Ländervergleich da?
Das Saarland steht im Ländervergleich hinsichtlich der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung im Mittelfeld der Bundesländer. Mit einer Quote von 4,3 Prozent liegen die Arbeitgeber im Land nur knapp unter der gesetzlich vorgegebenen Quote von fünf Prozent, die für Betriebe mit 20 oder mehr Beschäftigten bindend ist. In konkreten Zahlen bedeutet dies, dass die rund 1750 Betriebe im Saarland, die gesetzlich zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen verpflichtet sind, von ihren zusammen fast 246.000 Arbeitsplätzen gut 10.500 Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt haben.
Welche Erfahrungen machen Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen?
Grundsätzlich kann man feststellen, dass die Erfahrungen, die ein Unternehmen mit Beschäftigten mit Behinderung macht, mit den Erfahrungen mit Beschäftigten ohne Behinderung identisch sind. Wenn es zum Beispiel um die Auswirkungen charakterlicher Attribute, positiven wie negativen, geht, gibt es absolut keinen Unterschied. Und die aus Krankheiten resultierenden Fehlzeiten liegen bei schwerbehinderten Mitarbeiter/innen teilweise sogar unter denen nicht eingeschränkter Kolleg/innen.
Wichtiger ist aber doch eine ganz andere Erfahrung: Von erfolgreich praktizierter betrieblicher Inklusion profitieren nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern gerade auch die übrigen Beschäftigten und die Unternehmen selbst.
Und das gilt bei den Unternehmen nicht nur im Hinblick auf monetäre Aspekte. Natürlich zahlen Unternehmen, die ihre gesetzliche Beschäftigungspflicht gegenüber Schwerbehinderten erfüllen, keine Ausgleichsabgabe. Daneben gewährt das Inklusionsamt selbstverständlich auch finanzielle Unterstützung zur Schaffung von Schwerbehindertenausbildungsplätzen beziehungsweise beteiligt sich auch signifikant an den Kosten der behinderungsgerechten Arbeitsplatzgestaltung.
Daneben können auch Lohnkostenzuschüsse vom Inklusionsamt gezahlt oder Mehraufwendungen abgegolten werden, die dem Arbeitgeber bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen entstehen. Auch die Arbeitsassistenz, bei der einem schwerbehinderten Mitarbeiter eine Assistenzkraft durch das Inklusionsamt finanziert werden kann, ist weitere wirksame Hilfen zur beruflichen Integration.
All diese finanziellen Fördermöglichkeiten sind in der Gesamtbetrachtung nicht unwichtig, denn davon profitiert selbstverständlich auch der Arbeitgeber, für den sich die Einstellung eines Menschen mit Behinderung, der unter besonderen Schwierigkeiten leidet, letztlich wirtschaftlich rechnet.
Aber der wahre Gewinn für das Unternehmen – und damit auch die positive Erfahrung – liegt meiner Meinung nach an anderer Stelle. Generell nämlich können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Behinderung, auch wenn anfangs gemeinsam Herausforderungen zu meistern sind, für ihre Arbeitgeber und den gesamten Betrieb einen wirklichen Gewinn darstellen, wenn sie entsprechend ihrer individuellen Fähigkeiten eingesetzt werden.
Wie gestaltet sich Zusammenarbeit beispielsweise mit den Kammern: Gibt es dort Offenheit für das Thema oder eher Zurückhaltung?
Grundsätzlich sind die Kammern im Saarland sehr offen für das Thema. Ein Beleg dafür ist nicht zuletzt die Tatsache, dass die Kammern das Inklusionsamt bei der zum Monatsanfang gestarteten Informations- und Imagekampagne unterstützen.
Ein anderes positives Beispiel der Zusammenarbeit: In Kooperation mit der Arbeitskammer des Saarlandes bietet das Inklusionsamt ein umfangreiches Programm von Seminaren und Informationsveranstaltungen an, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie das betriebliche Inklusionsteam in die Lage versetzen, sich erfolgreich für die berufliche Teilhabe schwerbehinderter Menschen zu engagieren. Im jährlich erscheinenden Bildungskalender findet sich ein breites Angebot von Grund-, Aufbau- sowie Spezialseminaren.
Das Bildungs- und Informationsangebot richtet sich an das betriebliche Inklusisionsteam, das heißt Schwerbehindertenvertretung, Betriebs-, Personalrat oder Mitarbeitervertretung und Arbeitgeberbeauftragte sowie an Akteure, die mit der beruflichen Teilhabe schwerbehinderter Menschen befasst sind, wie etwa Personalverantwortliche, Werksärzte, einzelne Schwerbehindertengruppen, Wirtschaftsorganisationen oder Arbeitgeberverbände.
Dass es ein Inklusionsamt gibt, ist in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Was sind die Aufgaben?
Das Inklusionsamt – bis zum Jahre 2019 hieß es noch Integrationsamt – im Landesamt für Soziales ist für die Sicherung der Arbeitsverhältnisse schwerbehinderter und gleichgestellter Menschen zuständig. Dazu kann es Maßnahmen ergreifen oder Leistungen erbringen, um Arbeitsplätze zu erhalten und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz zu verhindern oder zu beseitigen.
Das Inklusionsamt weist ein umfangreiches Beratungsangebot für Arbeitgeber und schwerbehinderte Arbeitnehmer auf. Speziell ausgebildete Technische Berater klären Fragen im Zusammenhang mit der behindertengerechten Ausstattung von Arbeitsplätzen. Für besondere Begleitung oder Beratung am Arbeitsplatz beauftragt das Inklusionsamt die Fachberater des Integrationsfachdienstes. Im Rahmen der sogenannten begleitenden Hilfe kann das Inklusionsamt Zuschüsse an schwerbehinderte Arbeitnehmer oder deren Arbeitgeber zahlen, um beispielsweise technische Hilfsmittel zu beschaffen, Arbeitsplätze behindertengerecht auszustatten oder außergewöhnliche Belastungen abzumildern.
Wenn Unternehmen zögern oder unsicher sind: Welche Unterstützung gibt es?
Zu den Leistungen, die das Inklusionsamt für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bietet, zählen die Beratung bei der Auswahl des geeigneten Arbeitsplatzes für schwerbehinderte Menschen sowie Leistungen zur behinderungsgerechten Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für schwerbehinderte Menschen und Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen, die mit der Beschäftigung besonders betroffener schwerbehinderter Menschen verbunden sind.
Hierzu zählt das saarländische Förderprogramm zur Schaffung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen für schwerbehinderte Menschen: ein Prämienprogramm mit einer möglichen Förderung von bis zu 10.000 Euro pro neu geschaffenem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Die Leistungen umfassen auch Zuschüsse zu Gebühren bei der Berufsausbildung besonders betroffener schwerbehinderter Jugendlicher und junger Erwachsener im Alter bis zu 25 Jahren sowie Prämien und Zuschüsse zu den Kosten der Berufsausbildung behinderter Jugendlicher und junger Erwachsener.
Ergänzt wird dieses Programm durch das neue Sonderförderprogramm „Beschäftigung von behinderten Menschen mit multiplen oder gravierenden Vermittlungshemmnissen auf dem ersten Arbeitsmarkt" von April 2021, das Mittel in Höhe von insgesamt fünf Millionen aus der Ausgleichsabgabe breitstellt, um Menschen mit Behinderungen, die multiple oder besonders gravierende Vermittlungshemmnisse haben, in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis einzustellen.
Von den Arbeitgebern werden auch häufig die Leistungen zum Ausgleich außergewöhnlicher Belastungen, die mit der Beschäftigung besonders betroffener schwerbehinderter Menschen verbunden sind, in Anspruch genommen. Bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen kann dem Arbeitgeber im Einzelfall ein personeller und/oder finanzieller Aufwand entstehen, der das übliche Maß deutlich überschreitet. Die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung sieht dann vor, dass das Inklusionsamt dem Arbeitgeber im Rahmen der Begleitenden Hilfe im Arbeitsleben finanzielle Mittel aus der Ausgleichsabgabe zur (teilweisen) Abdeckung dieses besonderen Aufwands gewähren kann.