Mit einem Zelt trampte Christiane Hamann in den 80ern in die Eifel und lernte den Ausnahmekünstler Albrecht Klauer-Simonis kennen. Das veränderte ihr Leben.
Grün und felsig ist die Vulkaneifel. Magische Orte mit langer Geschichte gibt es zuhauf. Einer davon ist die „Galerie Pi" in Weißenseifen. Hausherrin Christiane Hamann verabschiedet die Besucher der Vernissage. Sie wollen noch ein wenig verweilen, die Aura der mythischen Skulpturen, die an Zeus, Odysseus und weitere Figuren der Antike erinnern, fühlen und aufnehmen. Galeristin Hamann freut das. Seit 1983 lebt sie im Haus ihres verstorbenen Mannes, ihr Heim erinnert an das Knusperhäuschen aus dem bekannten Märchen der Brüder Grimm.
Damals, 1983: Mit Freundin und „Zelt auf dem Buckel" trampte sie aus Bremen, ihrem Studienort, in die Eifel. Ein Workshop für Sandsteinbearbeitung in Weißenseifen hatte das Interesse der jungen Frau geweckt. Es war das zehnte Symposion des bekannten Künstlers Albrecht Klauer-Simonis, der im Westerwald geboren worden war und auch als Fotograf und Kunstpädagoge gearbeitet hatte. Als eines von drei Kindern sollte er zunächst in die Fußstapfen des Vaters treten und Eisenbahn-Beamter werden. Zum Glück aber erkannten die Eltern sein Talent und schickten ihn in eine keramische Fachschule. Später folgte ein Studium der Malerei an den Lehrwerkstätten der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe.
Auch Joseph Beuys und Günther Mancke kamen gelegentlich nach Weißenseifen. „Während beide der Avantgarde huldigten, war Albrecht der griechischen Mythologie zugewandt. Es gab einfach keine Übereinstimmung", betont Hamann heute.
Die junge Studentin war begeistert, nicht nur von den Skulpturen ihres Mentors Klauer-Simonis sondern auch von ihm selbst. Dieser hatte 1963 das Haus und 1969 das Waldgelände gekauft, Bäume gerodet, Birken gepflanzt und als Freiluft-Galerie Pi ausgebaut. Warum Pi? Klauer-Simonis schuf eine Felsfigur als Abbild des griechischen Buchstabens. Der Name des Ortes stand damit fest: „Galerie am Pi". Bald war sie als internationale Künstlersiedlung bekannt. Individualisten, Andersdenkende und Freigeister kamen in Scharen. Als Antwort auf den Ansturm begann Klauer-Simonis erstmals 1972 mit seinen Kunst-Symposien.
Hamann, in Eutin geboren und in Flensburg gemeinsam mit acht Geschwistern aufgewachsen, fühlte sich in der Eifel wohl. „Nach zwei Wochen musste ich das Zelt meinem Bruder zurückschicken. Der wollte nun verreisen. Und ich hatte keine Bleibe mehr", lacht sie. Doch im Häuschen von Klauer-Simonis war noch ein Plätzchen frei. Sie zog ins Dachgeschoss. Für die Absolventin der Schule für Kunsttherapie folgte ein zweiwöchiges Praktikum in einer psychosomatischen Klinik im saarländischen Blieskastel. Die Sehnsucht nach Pi und dem Galeristen war groß. Per Autostopp fuhr sie an den Wochenenden zurück nach Weißenseifen und in die Arme ihres Mentors. Mittlerweile hatte er eine weitere Werkstatt für die Bearbeitung von Stein und Holz errichtet. „Die Firma Streif unterstützte ihn mit einem Fertighaus. Inklusive Wandkamin." Heute wird es als Ort für Happenings und Vernissagen genutzt.
Einfach war die Liebe zu Klauer-Simonis für Hamann nicht. Sie bewunderte ihn als Vaterfigur und Liebhaber. „Ich war gleichzeitig seine Muse und Lebensgefährtin. Doch wollte ich wirklich mit einem 40 Jahre älteren Mann zusammenleben?" Hamann zweifelte. Sie musste ihr Leben überdenken und zog nach Berlin. An der Technischen Universität (TU) schrieb sie sich für Kunstgeschichte ein. „In der heutigen Hauptstadt war alles anders. Das Leben war teuer. Wie konnte ich mein Studium finanzieren?", erinnert sich die 63-Jährige. „Mir blieb kaum Luft zum Atmen, und für künstlerische Kreativität war plötzlich kein Raum mehr."
„Fast jeden Tag stand er am Schreibpult"
Klauer-Simonis schlug vor, das Fach in Trier zu studieren und zurück zu ihm zu kommen. Sie war einverstanden. „Fortan arbeiteten und lebten wir zusammen und bauten das Interesse für unseren gemeinsamen Schwerpunkt, die Anthroposophie, aus." Die altgriechische Philosophie war es auch, die immer wieder in den Werken des Künstlerehepaares zu sehen ist. 1993 war die Hochzeit. Sie, die Introvertierte, und er, der Extrovertierte. „Mittlerweile traute ich mich, ihm die Meinung zu sagen. Unsere Gegensätzlichkeit spielte aber weiterhin eine große Rolle. Er war belesen und klug. Ich verehrte ihn. Die Zeit mit ihm wurde zur wichtigsten meines Lebens."
Hamann besitzt über 5.000 Zeichnungen des Ausnahmekünstlers: „Fast jeden Tag stand er am Schreibpult und schuf Federzeichnungen. Die haben ihn am meisten begeistert." Schon Anfang der 60er-Jahre hatte der 1918 Geborene als Keramiker größere Aufträge für Glasurmalerei bekommen. „Mit den Erlösen finanzierte er schließlich das Waldgrundstück."
Eine Herzensangelegenheit war für Klauer-Simonis zudem die Schaffung einer Skulptur für die Matthiasbruderschaften, deren Pilgerweg direkt am Grundstück vorbeiführt. „Gemeinsam haben wir dieses Kreuz geschlagen." Hamann deutet auf ein Pilgerkreuz am nördlichen Eingang des Geländes. Ziel der Wallfahrer seit dem 12. Jahrhundert ist das Grab des Apostels Matthias in Trier. Die mittelalterliche Wallfahrtstradition und Matthiasverehrung sind heute noch lebendig. Die meisten Gruppen machen sich im Mai, an Christi Himmelfahrt, mit Pilgerstab und Bruderschaftsfahne auf den Weg. Auffallen aus gutem Grund: Denn Gruppen-Unterkünfte gibt es in der Eifel kaum. So sollen die Insignien helfen, ein Quartier zu finden.
Nach dem Tod von Klauer-Simonis 2002 fühlte Hamann „ein großes Vakuum": „Mein Freundeskreis aus der Kunstszene hat mich aufgefangen", gibt sie heute dankbar zu. „Zum Glück!" Die Gefährten sind ihr erhalten geblieben. Heute arbeitet Christiane Hamann als Therapeutin mit Autisten. Ihr Traum ist es, einmal ihr Leben nur noch der Kunst zu widmen und Ausstellungen zu organisieren. Ganz im Sinne von Albrecht Klauer-Simonis, der einst ihr Mentor, Wegbegleiter und Ehemann war.