Adriano Grimaldi war der Wunschspieler von Trainer Uwe Koschinat. Dennoch waren Teile des Umfelds skeptisch. Mittlerweile hat der Angreifer die Kritik längst widerlegt.
Als Bundestrainer Hansi Flick bei seinem Amtsantritt gesagt hat, in Deutschland sei der „echte Neuner", also der klassische Mittelstürmer, Mangelware, könnte mancher Fan des 1. FC Saarbrücken gesagt haben: „Das stimmt so nicht." Adriano Grimaldi muss lachen, als er auf diese Anekdote angesprochen wird. „Er kann mich gern anrufen", grinst der 30-Jährige.
Lange Pause durch Corona
Als der neue Trainer Uwe Koschinat im Frühjahr gemeinsam mit Sportdirektor Jürgen Luginger die Kaderplanung beim Drittligisten anging, war schnell klar: „Wir wollen den Kader um einen Wandspieler für das Sturmzentrum ergänzen. Eine solche Option hat der Mannschaft bislang gefehlt." Namen wurden viele gehandelt, Transfers wie der von Vincent Vermej (damals MSV Duisburg) erwiesen sich als unrealisierbar, andere Kandidaten wie Felix Higl (jetzt Osnabrück) oder der Saarländer Valdrin Mustafa wurden gewogen und für zu leicht befunden. „Wir wollten einen Stürmer, der diese Liga schon gespielt und bewiesen hat, dass er in ihr Tore schießen kann", sagte Koschinat dann, als die Verpflichtung Grimaldis bekannt gegeben wurde. Das Echo im Umfeld des FCS war geteilt. Mit 30 Jahren ist das Engagement im Saarland die zehnte Profistation des Sohns eines italienischen Vaters und einer marokkanischen Mutter. In den vergangenen Jahren kam eine beachtliche Verletzungshistorie dazu. „Wenn er diese Geschichten nicht gehabt hätte, wäre der Transfer für uns nicht realisierbar gewesen", sagte Koschinat und fügte hinzu: „Wenn er fit ist, zählt er zu den drei besten Stürmern dieser Liga."
Pünktlich zum Herbstbeginn ist Adriano Grimaldi wieder dort, wo sich Profifußballer gern sehen: „Ich würde schon sagen, dass ich wieder bei 100 Prozent bin", erklärt der 30-Jährige, und es ist keine Selbstverständlichkeit. Im vergangenen Frühjahr, als sein damaliger Verein KFC Uerdingen im Abstiegskampf steckte, schlug Corona im Hause Grimaldi zu. Wer das Virus wann eingeschleppt hatte, war nicht mehr feststellbar. Aber die gesamte Familie war infiziert. Den dreifachen Vater erwischte es am schlimmsten. „Es fing an wie eine Erkältung. Aber dann hatte ich tagelang hohes Fieber, trockenen Husten und eine Lungenentzündung. Irgendwann hat der Kreislauf nicht mehr mitgespielt, und wir haben den Krankenwagen gerufen. Es war die richtige Entscheidung", erzählt der Mittelstürmer. Fünf Tage musste er in der Klinik verbringen, eine Einweisung „auf intensiv" blieb ihm Gott sei Dank erspart. Insgesamt vier Wochen war die Familie in Quarantäne, die Saison für den Angreifer gelaufen.
Die Covid-19-Erkrankung stoppte Grimaldi nicht nur im Abstiegskampf des KFC, sie stoppte ihn ausgerechnet dann, als er wieder richtig in Form war. In den letzten vier März-Spielen traf er jeweils einmal und der damalige Uerdinger Trainer Stefan Krämer bezeichnet ihn als Lebensversicherung des Vereins. Doch in Krefeld ging es drunter und drüber, der Investor hatte das Weite gesucht, der Verein am Ende sogar auf die Drittliga-Lizenz verzichtet. „Ich bin niemand der nachtritt", sagt Grimaldi, „am Ende kann man sagen, dass der KFC auch ein Corona-Opfer war.
Bis zum Beginn der Pandemie lief alles ganz normal. Danach haben wir das gemacht, was wir als Profis tun konnten. Wir haben uns auf unseren Job konzentriert, auch wenn es nicht ganz einfach war. Gewisse Dinge konnte man nur mit Humor nehmen", sagt er mit Blick auf die kuriosen Bedingungen beim KFC. Sorgen um Arbeitslosigkeit musste er sich dennoch nicht machen. Zwar hat Grimaldi aufgrund seiner zahlreichen Stationen den Ruf eines Wandervogels, doch Ex-Trainer wie Stefan Krämer loben seine Einstellung: „Er ist ein Top-Profi, der mit einem Personal Coach arbeitet, um in bestmöglicher Verfassung zu sein." Dass er dennoch oft verletzt war, kann sich der frühere deutsche Junioren-Nationalspieler auch nicht so richtig erklären: „Manche Dinge braucht man nicht zu hinterfragen. Manchmal ist es einfach nur Pech." Ohnehin hat ihn die Corona-Erkrankung mehr beeindruckt, als alle Verletzungen zuvor: „Ich habe manchmal noch Probleme mit dem Geschmackssinn. Das ist nervig. Ansonsten bin ich froh, dass ich es weitestgehend überstanden habe. Es ist auf jeden Fall einfacher, nach einer Reha zurückzukommen, als nach solch einer Krankheit. Du weißt eigentlich nicht, wo du stehst."
Koschinat setzt auf Duo mit Jacob
Enorm wichtig war deshalb vor allem die Kommunikation mit Trainer Koschinat, der ihn behutsam aufbaute und die Intensität peu à peu steigerte. „Ich konnte ja immer nur sagen, wie ich mich nach einem Training oder Spiel gefühlt habe. Niemand von uns hatte mit solch einer Erkrankung Erfahrung", sagt Grimaldi. Doch im Herbst 2021 scheint langsam Normalität einzukehren. Grimaldi ist längst in Saarbrücken angekommen, er hat Tore geschossen und Tore vorbereitet. Und er ist vor allem fit geblieben. „Wenn Grimaldi und Sebastian Jacob fit sind, werden sie gemeinsam spielen. Und wenn sie fit bleiben, können wir ganz oben mitspielen", sagte Koschinat vor der Saison. Grimaldi lacht, als er diesen Satz hört: „Das ist eine mutige Aussage. Aber grundsätzlich ist es natürlich toll, wenn man Rückendeckung und Vertrauen durch den Trainer bekommt."
Adriano Grimaldi hat in seiner Karriere viele Stationen gehabt, war für Traditionsvereine wie 1860 München, den VfL Osnabrück oder Preußen Münster aktiv. Die Stimmung im Saarland hat ihn dennoch überrascht: „Ich weiß nicht, ob es mit dem neuen Stadion zusammenhängt. Aber die Leute hier sind schon krass. Es ist eine wahnsinnig positive Stimmung. Das kann uns schon durch die Saison tragen", sagt der Angreifer, der die saarländische Lebensart schon zu schätzen gelernt hat. Seine Familie ist übrigens in Göttingen geblieben. „Zum ersten Mal", sagt Grimaldi, „sonst war sie immer dabei. Aber der Älteste geht nun in die Schule, da haben wir diese Lösung bevorzugt. Wir haben eigentlich permanent Kontakt über Whatsapp oder Facetime. Und es gibt ja immer etwas zu erzählen." Zum Beispiel, dass der FCS endlich wieder einen echten Neuner hat.