Endlich wieder sehen können und das nach nur zehn Minuten Behandlung? Das Forscherteam um Peter Szurmann, Chefarzt der Augenklinik Sulzbach, macht das möglich und hat eine neue Methode für schnellere und sichere Hornhauttransplantationen entwickelt. Nun soll das Verfahren auch europaweit angewandt werden.
Vor neun Jahren wurde bei Andreas Umlauf eine beidseitige Entzündung der mittleren Augenhaut (Ueveitis) festgestellt. Sie führte schließlich zu einer Eintrübung der Hornhaut, die sich in Form eines Grauschleiers vor die Augen legte. Alles, was er vorher scharf sehen konnte, wirkte plötzlich verschwommen. „Da ich viel am Computer arbeite, war das eine enorme Einschränkung für mich", beschreibt er den Zustand vor der Operation. Als er auch noch das Autofahren aufgeben musste, weil er sich aufgrund der Erkrankung nicht mehr getraut hatte, am Straßenverkehr teilzunehmen, hatte Umlauf genug. „Zu diesem Zeitpunkt wusste ich, jetzt musste was passieren." Auf Empfehlung seiner Augenärztin ließ sich Andreas Umlauf in der Augenklinik am Knappschaftsklinikum in Sulzbach operieren. „Der Eingriff selbst dauerte vielleicht zehn Minuten und war vollkommen schmerzfrei." Auch die Sehkraft kehrte nach wenigen Wochen wieder zurück. „Jetzt ist meine Sehstärke wieder bei 90 Prozent, ich sehe Konturen und Farben klar, man erkennt Einzelheiten wieder – es ist wie ein anderes Leben."
Sehstärke wieder bei 90 Prozent
Noch vor nicht zu allzu langer Zeit wäre in einem solchen Fall eine Volltransplantation nötig gewesen. Ein zeitlich aufwendiges Verfahren mit einer sehr langen Einheilphase. Mittlerweile wurde diese Methode durch eine wesentlich schonendere Teiltransplantation abgelöst. Bei diesem Verfahren kommen sogenannte lamelläre, nahtlose Techniken zum Einsatz, bei denen nur eine hauchdünne Gewebelamelle des Spenders und nicht wie zuvor die ganze Augenhornhaut verpflanzt wird. Das liefert bessere Sehergebnisse, verkürzt den Heilverlauf des Auges und hält die Abstoßungsrate geringer. Doch auch diese Methode birgt ihre Hürden. So ist gerade die Präparation der Hornhautlamelle besonderes aufwendig und kann zu Zellverlust führen, in dem das empfindliche Gewebe geschädigt wird.
Das neue Sulzbacher Transplantationssystem soll dieses Problem nun endlich lösen. Dabei wird die Lamelle mit einer speziell entwickelten Technik in der Gewebebank Sulzbach vorab präpariert und zusätzlich in eine spezielle Injektorkartusche geladen. Diese am KHERI-Forschungsinstitut der Augenklinik Sulzbach am Knappschaftsklinikum Saar unter Leitung von Chefarzt Prof. Dr. Peter Szurman in Zusammenarbeit mit dem Medizintechnikunternehmen Geuder und der Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) entwickelte Kartusche ermöglicht den Chirurgen eine direkte und berührungslose Injektion der Gewebelamellen des Spenders in das Auge des Patienten.
Genehmigung des Paul-Ehrlich Instituts liegt bereits vor
Der Vorteil des neuen Verfahrens liegt für Dr. Szurman auf der Hand. „Der Operateur erhält ein qualitätskontrolliertes und gebrauchsfertiges Transplantat. Es ist keine weitere, zu Zellverlust führende Manipulation am Spendergewebe vor der Transplantation mehr nötig. Die gesamte Präparation wird unter standardisierten Bedingungen in unserer Reinraum-Gewebebank Sulzbach durchgeführt. Erst, wenn überprüft wurde, dass die Zellen auch nach der Präparation immer noch in einem guten Zustand sind, wird die Lamelle von der DGFG zur Transplantation abgegeben." Zudem gibt es weitere Qualitätsvorteile, die die Sulzbacher Methode mit sich bringt. Diese kennt Dr. Nicola Hofmann, wissenschaftliche Leiterin bei der DGFG: „Weitere Studienergebnisse haben gezeigt, dass eine Ruhephase zwischen Präparation der Hornhautlamelle und Transplantation im OP sogar zu höherer Vitalität der Endothelzellen führt." Zudem wird durch Vorpräparation und Vorladen das Risiko einer Fehlpräparation und des Transplantatverlusts drastisch reduziert. „Die Sicherheit für die Patienten wird durch unser Transplantationssystem eindeutig erhöht", weiß Dr. Szurman. Neben der Sicherheit spielen hier auch ethische Aspekte eine wichtige Rolle. „Jede Fehlpräparation ist ethisch schwer zu vertreten, gerade vor dem Hintergrund der großen Spenderknappheit."
Spenderknappheit – ein Punkt, den auch Andreas Umlauf bemängelt. „Das Schlimmste an der ganzen Sache war die Wartezeit von der Diagnose bis zur OP." Rund 13 Monate dauert es, bis die passende Spenderhornhaut gefunden werden konnte. Ansonsten scheint es Umlauf an nichts mehr zu fehlen. Vielmehr hat er mit der Sehkraft auch wieder zu sich selbst gefunden. „Man hat auch wieder mehr Sicherheit gewonnen. Dadurch, dass man jetzt wieder scharf sehen kann und auch etwas von Weitem erkennen kann, ist man nicht mehr so unsicher und eingeschränkt. Das hat mich über die Jahre sehr belastet. Es ist wieder ein ganz neues Lebensgefühl, das Leben macht wieder mehr Spaß!" Die Genehmigung des Paul-Ehrlich Instituts (PEI) liegt der DGFG bereits vor. Das vorgeladene Transplantationssystem kann ab sofort über die gemeinnützige Gesellschaft bezogen werden. Nun kann das Verfahren aus Sulzbach als das europaweit erste gebrauchsfertige vorgeladene Transplantationssystem für die minimal-invasive Behandlung der Hornhauttrübung genutzt werden.