Bei ihm läuft, schwimmt und radelt es gerade so gut wie noch nie: Triathlet Tim Hellwig startet nach einer langwierigen Leidenszeit mit unterschiedlichen Verletzungen voll durch.
Mit dem Hylo Team Saar, dem er seit etwa vier Jahren angehört, ist Tim Hellwig vor Kurzem Historisches gelungen: Ende August gewannen die Bundesliga-Triathleten erstmals die Deutsche Meisterschaft. Dabei ließen sie mit dem Ejot Team Buschhütten den Serienmeister (2012 bis 2020), also quasi den FC Bayern München des Triathlon, erstmals hinter sich. Nur drei Wochen später triumphierte der gerade einmal 22-jährige Athlet der DJK SG St. Ingbert erstmals bei einem Rennen der WM-Serie in Hamburg. 2021 ist somit das erfolgreichste Jahr seiner noch jungen Karriere. Und das, obwohl er anfangs die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio noch verpasst hatte. Danach ging es Schritt für Schritt bergauf in Richtung Weltspitze. „Ich bin von Rennen zu Rennen besser geworden – es war eigentlich auch gar kein schlechtes dabei. Ich bin mega zufrieden, dass alles so konstant abgelaufen ist", freut sich Hellwig und ergänzt lachend: „Den Sieg bei der WM-Serie in diesem Jahr noch zu toppen, wird allerdings schwierig."
„Den Sieg noch zu toppen wird schwierig"
Tim Hellwig stammt aus Neustadt an der Weinstraße und hat sich schon als Kind überdurchschnittlich gern und viel bewegt, wie er erzählt. Schon mit sechs Jahren wurde er Mitglied im Schwimmverein und stürzte sich regelmäßig in die Fluten des örtlichen Schwimmbades. Manch andere können sich in diesem Alter noch nicht einmal über Wasser halten. Parallel war Hellwig auch als Jugendfußballer aktiv. Mit zwölf Jahren musste er sich dann für eine Sportart entscheiden und das Schwimmen bekam den Zuschlag. „Ich war zwar schon leistungsmäßig unterwegs, aber in den Nachwuchsklassen jetzt nicht so gut, dass ich ganz vorne mitschwimmen konnte", erinnert er sich. Irgendwann hat ihn sein Vater, selbst Hobby-Triathlet, einfach mal zu einem Triathlon angemeldet. „Ich habe damals gar nicht groß drüber nachgedacht, sondern einfach mitgemacht. Das lief auf Anhieb gut, und ich habe gemerkt, dass ich dafür wohl ein Talent habe", erklärt er und gibt zu: „Ich fand es dann doch auch interessanter, drei Sportarten zu vereinen als den ganzen Tag nur zu schwimmen. Gerade die Kombination aus viel Bewegung und Abwechslung hat mir sehr gut gefallen." Er widmete sich vollends dem Triathlon und schnell stellten sich erste Erfolge ein, die wiederum die Motivation auf immer nächste Schritte schürten.
Mit 16 Jahren dann zog er ins Internat der Hermann-Neuberger-Sportschule in Saarbrücken, besuchte fortan das Sportgymnasium am Rotenbühl und wechselte von seinem Heimatverein TV Mußbach zur DJK SG St. Ingbert. Aus dem Neustädter wurde ein Neu-Saarländer. „Hier ist die Schule einfach perfekt mit dem Sport kombiniert, und das war für mich der optimale Start", erklärt das große Triathlon-Talent. Sechs Jahre ist das inzwischen schon her. Heimweh verspürte er nicht. Dazu fehlte ihm schlichtweg die Zeit: „Man ist hier mit Schule, Sport und den vielen Leuten, die man dabei so trifft, den ganzen Tag beschäftigt", berichtet er und will diese Erfahrung nicht missen: „Ich habe die Entscheidung nie bereut und würde es jederzeit wieder so machen. Das war echt cool." Auch den gewöhnungsbedürftigen saarländischen Dialekt und vor allem die Saarländerinnen und Saarländer hat er lieb gewonnen. Heimweh hat er auch deshalb immer noch nicht. Die Häufigkeit der Besuche pro Jahr in der alten Heimat hat folgerichtig abgenommen, aber wichtige Ereignisse wie Geburts- und Feiertage locken ihn dann doch immer wieder nach Neustadt an der Weinstraße.
Nach dem Abi absolvierte Tim Hellwig die Grundausbildung bei der Bundeswehr und kann sich seither als Sportsoldat voll auf seine Karriere konzentrieren. Schnell wurde er in den Perspektivkader der Deutschen Triathlon Union berufen und arbeitete sich mit starken Leistungen immer weiter hoch: Es folgten die ersten Teilnahmen an einer Deutschen Meisterschaft, einem Europacup und einem Weltcup. Allerdings lief es im wahrsten Wortsinn nicht immer reibungslos und Hellwig hatte immer wieder mit unterschiedlichen Verletzungen zu kämpfen – darunter auch „der eine oder andere Ermüdungsbruch." Offenbar konnte der restliche Körper mit dem Tempo, das Geist und Muskulatur in Sachen Leistungsfähigkeit vorlegten, nicht mithalten. „Der Körper musste sich erst an die große Belastung gewöhnen", weiß Hellwig, „Das hat einfach etwas Zeit gebraucht."
Noch viel Zeit, um sich zu entwickeln
Seit sich der Körper an die hohen Anforderungen gewöhnt hat, steigert sich Tim Hellwig wieder von Rennen zu Rennen. Dass er mit gerade einmal 22 Jahren schon so erfolgreich unterwegs ist, ist bemerkenswert. Schließlich erreicht ein Triathlet sein bestes Sportler-Alter eigentlich erst mit Ende 20, Anfang 30. „Ich habe ja noch ein paar Jahre, um mich weiterzuentwickeln – aber es ist schon cool, wenn man so früh merkt, dass man langsam ganz vorne mitmischen kann. Je schneller es nach oben geht, desto besser." Sein großer Vorteil ist die Ausgeglichenheit. Die persönliche, aber auch die sportliche. Obwohl er ursprünglich vom Schwimmen kommt, hat er auch in den anderen Disziplinen seine Stärken. „Es gibt überall noch Luft nach oben", meint er so bescheiden wie kämpferisch.
Dass man überhaupt mit Freude einer der intensivsten Ausdauersportarten nachgehen kann, ist für Laien und auch so manchen Hobby-Sportler nicht wirklich nachvollziehbar. „Natürlich gibt es auch mal Tage, an denen ich gar keine Lust auf Training habe", gibt er zu. Beispielsweise wenn es regnet, und er sein Fahrradtraining drinnen und „auf der Rolle", also quasi auf einem Heimtrainer für Profis, absolvieren muss. „Da zählt man schon mal die Minuten runter", verrät er, aber lässt auch durchblicken, weshalb er so leistungsstark ist wie er ist: „Man zieht es dann trotzdem durch, weil man ja das große Ziel immer im Hinterkopf behält." In den kommenden Jahren ist bei Hellwig alles auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris, also quasi vor der eigenen Haustür, ausgerichtet. „Dafür ist Konstanz sehr wichtig, deshalb hoffe ich, verletzungsfrei zu bleiben und meine Leistung weiter so zu bringen, dass ich in Paris an der Startlinie stehen darf", betont er. Möglichkeiten, sich von seinem Weg ablenken zu lassen, scheint es nicht zu geben. Hellwig ist viel unterwegs, Trainingslager und Wettkämpfe finden in der ganzen Welt statt. Und zu Hause fällt er abends nach dem Training nur noch auf die Couch oder gar gleich ins Bett: „Alles andere findet von dort aus statt", sagt er lachend: „Ich schaue mir zum Beispiel gerne andere Sportarten an und sehe dann halt anderen Leuten zu, wie sie beim Sporttreiben leiden." Die Taktik scheint aufzugehen – jedenfalls im schon jetzt erfolgreichsten Jahr seiner Karriere.