Alfons Hörmann tritt Ende des Jahres als Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes zurück. Grund ist ein anonymer Brief, der ihm Führungsschwäche vorwarf. Für den deutschen Spitzensport ist das eine Chance.
Der Deutsche Olympische Sportbund soll im Dezember ein neues Präsidium erhalten. Diesen Plan bekräftigte der DOSB Mitte September nach einem Treffen von Präsidium, Vorstand und Verbändegruppen. „Der im Juni gefasste Beschluss", im Dezember vorgezogene Neuwahlen für das gesamte Präsidium durchzuführen, „wurde heute nochmals bestätigt", hieß es in einer Mitteilung des DOSB. Dementsprechend soll am 4. Dezember in Weimar nicht nur eine Nachfolge für den scheidenden Präsidenten Alfons Hörmann gefunden werden. Dennoch ist es die Personalie, die am meisten polarisiert. Denn während der Amtszeit des 60-Jährigen wurden immer wieder kritische Stimmen laut. Für viele ist ein Wechsel bei dieser Personalie, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand, eine Chance, den deutschen Spitzensport wieder besser zu machen.
Kritik, die nicht hinter vorgehaltener Hand, sondern offensiv nach vorne getragen wurde, kommt vom Präsidenten des Deutschen Triathlon-Verbandes. Denn der setzte ein halbes Jahr vor den Neuwahlen gleich zu einer Abrechnung an. Im Gespräch mit dem „Badischen Tagblatt" zählte Martin Engelhardt die Fehler des langjährigen Präsidenten auf und bezeichnete die Ära Hörmann als einen „Tiefpunkt" für den deutschen Sport. Der Wechsel an der Spitze im Dezember sei „eine große Chance, einen Neuanfang wagen zu können". Neben den öffentlich gewordenen „Defiziten im persönlichen Umgang", die eine Führungskrise im Dachverband des deutschen Sports ausgelöst hatte, „muss man ja aber auch insgesamt sehen, was die Bilanz von Hörmanns Arbeit ist", sagte Engelhardt: „Wenn man da die einzelnen Bereiche betrachtet, angefangen von der Olympiabewerbung über den Umgang mit der Presse bis hin zu den Verwerfungen mit dem IOC, ist das für den deutschen Sport ein Tiefpunkt. Vieles wurde lange Zeit einfach unter den Teppich gekehrt – und zwar so lange, wie das Geld gestimmt hat. Dafür hat Hörmann durch seine guten Kontakte zur CSU gesorgt."
Der millionenschwere Mittelaufwuchs habe „etliche Leistungssportverbände zufriedengestellt. Im Gegenzug wurde über vieles hinweggesehen." Hörmann und der für den Sport zuständige Bundesinnenminister Horst Seehofer sind CSU-Parteifreunde. Engelhardt war bei der letzten Präsidentschaftswahl als Gegenkandidat zu Hörmann ins Rennen gegangen, „um deutlich zu machen, dass wir keineswegs mit allen Handlungen im DOSB einverstanden waren. Ich habe damals auch ein Konzept vorgestellt, das durchaus auch als Kritik am Präsidenten zu verstehen war", sagte er. Bei der Mitgliederversammlung im November 2018 hatte sich allerdings Hörmann deutlich durchgesetzt. Ob sich Engelhardt im Dezember erneut zur Wahl stellen wird, ließ er offen. „Es wird sicherlich eine Findungskommission geben, diverse Namen von Kandidaten wurden ja schon genannt", sagte der Mediziner: „Aber bevor es um die möglichen Kandidaten geht, ist es zunächst einmal wichtig, dass man ein Anforderungsprofil erstellt und klar wird, was für ein Programm der ein oder andere anstrebt." In Sachen Findungskommission hatte Engelhardt schon mal recht.
„Vieles wurde unter den Teppich gekehrt"
Wie die Sportschau berichtete, soll der frühere Bundespräsident Christian Wulff diese Gruppe leiten. Wulff habe sich dazu bereit erklärt, unterstützen wird ihn Verena Bentele. Die Paralympics-Siegerin ist Präsidentin des Sozialverbandes VdK. Die ehemalige Biathletin und Skilangläuferin war vier Jahre lang Behindertenbeauftragte der Bundesregierung. Im Gespräch für die Hörmann-Nachfolge sind mittlerweile Thomas Weikert, Präsident des Tischtennis-Weltverbandes ITTF, Stefan Klett, Präsident des Landessportbundes NRW, oder auch Clemens Prokop, früherer Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Auch Triathlon-Verbandschef Engelhardt ist noch im Rennen.
Da auch Ingo Weiss als Präsident des Deutschen Basketball-Bundes der Findungskommission angehört, gilt er eher nicht als Kandidat für die Hörmann-Nachfolge. Bislang hat aus dem derzeitigen Präsidium außer Hörmann nur der Berliner Kaweh Niroomand als DOSB-Vizepräsident Finanzen seinen vorzeitigen Rückzug aus der DOSB-Spitze angekündigt.
Intern hat der Verband zusätzlich einiges aufzuarbeiten und die Konsequenzen zu ziehen. In einer internen Runde ging es außerdem um die Präsentation eines Zwölf-Punkte-Plans zur „Weiterentwicklung des Verbands" durch die Verbändegruppen. „Der DOSB begrüßt die Vorschläge ausdrücklich und wird diese in den kommenden Wochen diskutieren und für die bevorstehende Mitgliederversammlung vorbereiten", hieß es in dem Statement des Dachverbandes. Ingo Weiss, zusätzlich Sprecher der olympischen Spitzenverbände, und Jörg Ammon, Sprecher der Landessportbünde, bekräftigen die Absicht, gemeinsam an einem Strang zu ziehen: „Unabhängig von unterschiedlichen Bewertungen im Detail eint alle Beteiligten, dass ihnen die weitere erfolgreiche Entwicklung von Sportdeutschland am Herzen liegt. Das ist die Basis für eine erfolgreiche Gestaltung der Herausforderungen, vor denen wir im Breiten- wie im Spitzensport stehen."
Schöne Worte, die dem desaströsen Bild der vergangenen Monate und Jahre jedoch nicht gerecht werden. Denn allzu oft hatte der DOSB ein klägliches Bild abgegeben. Mitarbeiter hatten in einem offenen, anonymen Brief über ein „Klima der Angst" in der Zentrale in Frankfurt geklagt und vor allem Hörmann kritisiert. Der Präsident wiederum wurde von der Entscheidung des IOC überrascht, die Olympischen Spiele 2032 nach Australien zu vergeben, ohne sich überhaupt näher mit dem Interesse des Ruhrgebiets an einer Austragung zu befassen. Und auch bei den Spielen in Tokio im Juli und August waren die deutschen Athleten weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Doch womöglich steht die nächste Peinlichkeit schon bevor. Denn offensichtlich haben sich die Sportfunktionäre zu wenig Gedanken gemacht, welche Aufgaben die Findungskommission konkret haben soll. Am Freitag, drei Tage nach dem Presseauftritt, erreichte Weiss jedenfalls ein Protestbrief, unterzeichnet von neun Sportverbänden, darunter der besonders mitgliederstarke Leichtathletik-Verband und der Deutsche Turnerbund. Der „liebe Ingo", schreiben die Funktionäre, möge bitte das „genaue Verfahren" zu Bewertung und Auswahl der Kandidaten definieren. Es gehe jedenfalls nicht, dass Wulff und seine Kommission „durch vorherige Einschätzung der Kandidaten", die Wahl der Delegierten auf der Mitgliederversammlung beeinträchtigen. Ranglisten, Priorisierung oder anderweitige Bewertungen widersprächen einem demokratischen Auswahlprozess. Vielmehr dürfte das Gremium lediglich die prinzipielle Eignung für das Amt bewerten. Das aber dürfte bei der Versammlung zu einer Kampfkandidatur zwischen mehreren Bewerbern führen. Weiss und Ammon sowie die Sprecherin der Verbände mit besonderer Aufgabenstellung, Barbara Oettinger, hatten sich das wohl anders vorgestellt. Sie wollten den mächtigsten deutschen Sportfunktionär in der Kommission hinter verschlossenen Türen auswählen. Bei der Mitgliederversammlung in Weimar hätten die Delegierten dann nur noch die Auswahl bestätigt. Es hätte eine glanzvolle Inthronisation werden können.
Zweifel an der Findungskommission
Unter den bereits genannten Kandidaten gilt Weikert als sehr interessiert und würde wohl auch von den Verbänden mitgetragen werden, die den Brief an den DOSB verfasst haben. Offensichtlich ist die Sorge groß, der Limburger Rechtsanwalt könne von der Kommission im Vorfeld aussortiert werden. Dabei sieht die Satzung ohnehin vor, dass Kandidaten auch ganz unabhängig von einem Auswahlgremium bei der Versammlung im Dezember antreten können. Das weiß auch Engelhardt, bei dem mit Spannung erwartet wird, ob er es im Dezember erneut probieren wird.
Es müssen noch viele Entscheidungen getroffen werden, bis der neue starke Mann oder die neue starke Frau feststeht. Sicher ist aber, dass ein ramponierter Verband nun endlich eine Richtungsänderung braucht, um wieder in die Spur zu finden.