Kaum einer kennt ihn, seit der Pandemie tritt er aber verstärkt in die Öffentlichkeit: Der Deutsch-Französische Kulturrat will neue Akzente auf beiden Seiten der Grenze setzen, sagt Aline Maldener, die neue Geschäftsführerin.
Frau Maldener, was macht eigentlich der Deutsch-Französische Kulturrat?
Wir begleiten und fördern die deutsch-französische und wo immer möglich die europäische kulturelle Zusammenarbeit. Dabei verfolgen wir keine eigene kulturpolitische Agenda, sondern greifen vielmehr aktuelle Themen im Kulturbereich auf und versuchen, deutsch-französische Positionen zu formulieren. Im Prinzip hat der Kulturrat eine beratende Funktion für die Politik, ohne dass sich die politisch Handelnden beider Länder in die Inhalte unserer Arbeit einmischen.
Es war ursprünglich nicht das Ziel, eigenständige Projekte durchzuführen, dafür fehlen uns einfach die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie das entsprechende Budget. Vielmehr ging es darum, Denkanstöße in der deutsch-französischen kulturellen Zusammenarbeit zu geben, eine Art Ideenlabor und Impulsgeber zu sein. Das ist sicherlich ein entscheidender Grund, warum die Arbeit des Rats nicht so stark im Fokus der Öffentlichkeit steht. Aber im Zeitalter der Digitalisierung und von Corona wollen wir neue Formate entwickeln, in den sozialen Netzwerken präsenter sein, unsere Arbeit einem breiteren interessierten Publikum zugänglich machen. Auch kooperieren wir noch stärker als bisher mit anderen Institutionen wie den Goethe-Instituten, dem Deutsch-Französischen Jugendwerk oder der Stiftung Genshagen.
Was wäre ein klassisches Beratungsthema des Kulturrats für die Politik?
Nehmen wir das Beispiel Urheberrecht, das im digitalen Zeitalter enorm an Bedeutung gewonnen hat. Das Europäische Parlament hat der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt bereits 2019 zugestimmt, sie muss nun in nationales Recht umgesetzt werden. Frankreich hat im Gegensatz zu Deutschland eine andere Auffassung, was die Vergütung und den Schutz des geistigen Eigentums für Kulturschaffende angeht und hat die EU-Richtlinie in weiten Teilen übernommen. Während Frankreich nicht-lizenzierte beziehungsweise illegale Inhalte auf den Plattformen mithilfe von Upload-Filtern gänzlich blockiert, können in Deutschland unter anderem 15 Sekunden von jeder Musik und jedem Film erst einmal haftungsfrei online gestellt werden. Die Plattformen zahlen dafür nur pauschal. Kunst- und Kulturschaffende müssen im Zweifel selbst nachweisen, dass die Nutzung nicht zulässig ist. Das ist an dieser Stelle mal vereinfacht ausgedrückt ein entscheidender Unterschied. Wir vom DFKR versuchen, diese beiden Positionen zu harmonisieren und streben eine einheitliche Lösung zur Stärkung der Kulturschaffenden an.
Franzosen und Deutsche ticken oft anders. Wie findet der Rat im Alltagsgeschäft zu einer gemeinsamen Position?
Im Grundsatz sind wir uns einig, dass wir Kultur nicht aus dem Elfenbeinturm heraus betrachten, sondern Kunst, Kultur und Kreativszene einer breiten Zivilgesellschaft zugänglich machen wollen. Natürlich gibt es auf dem Weg dorthin unterschiedliche Mittel und Ansätze, schon aufgrund der verschiedenen Strukturen und Traditionen im jeweiligen Land. Frankreich ist zentralistisch und Deutschland föderalistisch aufgestellt. Diese Unterschiede sehen wir ja auch in anderen Bereichen und nicht nur in der Kultur. Aber der Rat lebt vom Engagement seiner Mitglieder und unterschiedliche Herangehensweisen können enorm spannend und bereichernd sein, damit Kultur in beiden Ländern noch stärker ins Bewusstsein der Menschen gelangt. Das ist auch notwendig, da die Coronakrise Kreativszene und Kulturbereich besonders hart getroffen hat.
Das gelingt uns zum Beispiel in Form neuer Formate, mit denen wir verstärkt junge Menschen ansprechen.
Womit dürfen wir dann in Zukunft rechnen?
Nachhaltigkeit, Gleichstellung, Europa, Interkulturelles und Kräfte bündeln rücken stärker in den Fokus. Im September findet ein generationenübergreifendes Festival mit französischer Popmusik in Düsseldorf statt, organisiert von einer deutsch-französischen Musikagentur. Neben der Musik gibt es Diskussionsforen, zum Beispiel zum Thema Nachhaltigkeit in der Musikbranche, wo unser Präsident Dr. Florian Drücke als Experte auftreten wird. Im Dezember greifen wir in Paris die Idee des „Weimarer Dreiecks" auf, in der Veranstaltung „Jugend und Europa – Fangen wir mit der Kultur an". Junge Menschen im Alter von 18 bis 30 Jahren aus Deutschland, Frankreich und Polen sollen ihre Anliegen in Workshops formulieren und im Anschluss an die Politik herantragen, zum Beispiel wie divers oder wie nachhaltig unsere Kultur ist. Wir haben festgestellt, dass gerade in Corona-Zeiten das Bedürfnis über Kultur zu reden und daran teilzuhaben bei jungen Menschen sehr groß ist.
Aber wir haben noch viele weitere Ideen auf Lager, auf die sich kulturinteressierte Bürgerinnen und Bürger freuen dürfen.
Die da wären?
Für 2022 planen wir ein interkulturelles Mentoring-Programm für junge Arbeitnehmer und Arbeiternehmerinnen im kulturellen deutsch-französischen Umfeld. Damit wollen wir den Austausch im beruflichen Bereich weiter fördern. Vorstellbar wäre zudem ein europäischer Kulturpass, den es in Frankreich und Deutschland in verschiedenen Variationen und unterschiedlichen Zielsetzungen bereits gibt. In Frankreich können alle 18-Jährigen den sogenannten „Pass Culture" beantragen, das heißt, sie bekommen ein Budget von 300 Euro geschenkt, mit dem sie beispielsweise ins Museum, in ein Programmkino oder zu einem Festival gehen, aber auch Computerspiele und Comics kaufen können. In Deutschland gibt es einzelne lokale oder regionale „Kulturpässe", die oft auch als Nachweis dienen, dass junge Menschen eine bestimmte Ausstellung besucht oder ein konkretes Theaterstück gesehen haben, das heißt, diese Art von Kulturpass ist viel stärker pädagogisch ausgerichtet. Unser Ziel ist es, eine Synthese aus beiden Ansätzen zu schaffen und einen gemeinsamen Pass in Form einer App zu etablieren, um jungen interessierten Menschen in beiden Ländern Kultur näher zu bringen. Das funktioniert aber nur mit Kooperationspartnern, schon aus Gründen der Finanzierung.
Ein ganz neues Format wäre auch das „Kamingespräch Kultur", bei dem sich Vertreterinnen und Vertreter aus Museen, Theatern oder Programmkinos in Deutschland und Frankreich über Gemeinsamkeiten und Unterschiede ihrer jeweiligen Branche austauschen sollen. Die Idee dahinter ist es, Menschen zusammenzubringen und gemeinsam neue deutsch-französische Projekte anzuschieben. Hierfür brauchen wir allerdings auch Sponsoring und Medienpartnerschaften. Wichtig ist, dass die neuen Formate möglichst kostengünstig umsetzbar sind und sich verstetigen, um langfristig noch mehr Menschen zu erreichen.
Welche Relevanz hat der Deutsch-Französische Kulturrat für Europa, und hat der Aachener Vertrag neue Impulse verliehen?
Europa spielt eine zentrale Rolle bei der Arbeit des Rats. Deutschland und Frankreich, quasi der „Motor Europas", sind die Initiatoren der kulturellen Zusammenarbeit. Aber die Mitglieder des Kulturrats sind sich darüber einig, andere europäische Nationen einzubeziehen. Mit der Idee des Weimarer Dreiecks ist Polen ja bereits an Bord. Der Deutsch-Französische Kulturrat wurde 1988 aufgrund des 25-jährigen Jubiläums des Elysée-Vertrags gegründet. Der Aachener Vertrag, oder Elysée 2.0 genannt, hat nachdrücklich die deutsch-französische Freundschaft untermauert und damit den Willen der kulturellen Zusammenarbeit beider Länder gestärkt.