Hertha BSC bezieht gegen Freiburg die fünfte Saisonniederlage – dennoch stärkt Geschäftsführer Bobic vor der Bundesligapause Trainer Dardai den Rücken.
Das so ein einziges Tor für ein (angeschlagenes) Selbstvertrauen bewirken kann, das demonstrierte Hertha BSC vergangenen Sonnabend im Heimspiel gegen den SC Freiburg. Dumm nur, dass es erst in der 70. Minute gelang – zuvor musste für die Vorstellung der Elf von Pal Dardai die im Fußball oft strapazierte Beschreibung „Kampf und Krampf" herhalten. Noch unglücklicher dann, dass den Berlinern in der Schlussphase durchaus Fortune fehlte, um den zweiten Treffer zu erzielen – und die Freiburger mit Nils Petersen einen Joker in der Hinterhand hatten, der einmal mehr seine Fähigkeiten beim Siegtor der Gäste unter Beweis stellte. Doch bis zum zwischenzeitlichen Ausgleich waren die Hauptstädter auch vieles schuldig geblieben – die kämpferische Note stimmte zwar, darüber hinaus ging aber wenig. So blieb letztlich mal wieder nur eine „halbe Leistung": Dass die Mannschaft von Hertha BSC über 90 Minuten arbeitet und dazu strukturierten Fußball spielt, ist schon vergangene Saison selten vorgekommen. Etwas, das der Gegner am vergangenen Samstag vorexerzierte. Nach dem Führungstor in der Anfangsphase des Spiels mussten sich die Freiburger lediglich den Vorwurf gefallen lassen, gegen einen konfusen Widersacher nicht zeitig auf das zweite Tor gegangen zu sein. Der „Rucksack" der 0:6-Pleite und der öffentlich von den Verantwortlichen geforderten Wiedergutmachung dafür lastete jedenfalls schwer auf Dardais Mannschaft. Unter solchen Vorzeichen hat man es sogar schwer, über den Kampf zum Spiel zu finden – irgendwie aber hatte Hertha BSC dadurch auch Mitte der zweiten Halbzeit die Gäste anscheinend eingelullt. Beim Aufbau eines schnellen Gegenzugs jedenfalls präsentierte sich die Hintermannschaft des SC einmal überraschend unsortiert, und mit direktem Spiel – öffnender Pass von Suat Serdar, Eingabe Maximilian Mittelstädt von links, Abschluss Krzysztof Piatek im Strafraum – war der Ausgleich perfekt. In der Folge wackelte der Gast auf einmal und Piatek, Jurgen Ekkelenkamp (an die Latte) und Dedryck Boyata hatten sogar die Chance zum Führungstor. Selbst nach dem Nackenschlag zum 1:2 bäumten sich die Blau-Weißen auf und verpassten durch Serdar und Mittelstädt zumindest noch die mögliche Punkteteilung. Unter dem Strich nutzte das aber nichts: Über die gesamte Spielzeit hatte Hertha BSC zu wenig geboten und war der Sieg der Breisgauer so dennoch verdient.
Wieder nur eine „halbe Leistung" für Hertha
Dabei hatten Dardai und seine Schützlinge vor dem Spiel ausgerechnet in Christian Streich einen Fürsprecher gefunden. Der Trainer des SC Freiburg verwunderte dabei etwas mit seinen Aussagen, als er Hertha BSC attestierte, nach seiner Spielanalyse des 0:6 in Leipzig nicht viel falsch gemacht zu haben. Trotz der sich früh abzeichnenden Niederlage habe die Mannschaft weitergekämpft und versucht, die Leipziger in Ballbesitz auch weiter anzulaufen und dadurch zu stören. Allerdings habe der Champions-League-Teilnehmer an diesem Nachmittag einfach sehr gut gespielt – Fazit Streich: „Da hätte ich gegen die auch nicht spielen wollen." Nett ausgedrückt, angesichts der doch eher desolaten Vorstellung der Berliner – vielleicht wollte der 56-Jährige aber auch einfach seinem Team die Favoritenrolle für das Gastspiel an der Spree von den Schultern nehmen.
Auch Fredi Bobic sah sich im Vorfeld der Partie genötigt, die Stärke des Gegners hervorzuheben. „Freiburg ist schon lange nicht mehr das kleine gallische Dorf irgendwo im Breisgau", hob der Geschäftsführer Sport von Hertha BSC zu einer ausführlichen Eloge an. „Sie haben eine hohe Kontinuität im sportlichen Bereich, im Management und auf der Trainerposition", strich Bobic dabei zwischen den Zeilen die Vorbildhaftigkeit der Handlungsstrukturen beim Sport-Club heraus – und führte beinahe schon neidisch aus: „Die Intensität bei ihnen ist sehr, sehr groß, jeder geht an seine Grenzen." Und über das bisher gute Abschneiden des Streich-Teams: „Sie verdienen sich das über die Mentalität, die sie auf den Platz bringen." Nach dieser Mentalität in der Mannschaft – für Bobic beinahe schon ein Mantra – sucht man schließlich immer noch bei Hertha BSC. In Leipzig habe es an Körpersprache und Gegenwehr gemangelt, kritisierte Bobic: „Mir war es einfach zu leise auf dem Platz."
Dardai auch nach Länderspielpause auf Trainerbank
Auch Trainer Dardai musste nach dem 0:6 von Leipzig natürlich die Zügel anziehen: „Ich habe versucht, die Jungs etwas zu provozieren – und sie haben im Training gut mitgemacht." Um die Performance auf dem Platz gegen die Freiburger etwas lauter und selbstbewusster zu bekommen, ließ Herthas Coach dazu Kevin-Prince Boateng in der Startelf auflaufen. Nicht der einzige Wechsel bei den Blau-Weißen: Die wieder genesenen Dedryck Boyata und Stevan Jovetic sowie Marco Richter spielten im Vergleich zur Partie in Leipzig von Beginn an. Doch auch aller Wille ist von geringem Nutzen, wenn dabei Schwächen nicht abgestellt werden können. So resultierten beide Freiburger Treffer aus Standardsituationen, womit die Anzahl an Gegentoren nach Ecken oder Freistößen den Ligahöchstwert von acht erreicht hat. „Heute kann man nicht sagen, das hat man vercoacht", beteuerte Pal Dardai nach dem Schlusspfiff, „da kann ich nicht hingehen und köpfen." Damit wollte der Ungar auch den Journalisten etwas entgegensetzen, die ihn in Folge der fünften Niederlage im siebten Spiel nach seinen Aussichten im Traineramt bei Hertha BSC befragten.
Fredi Bobic war ebenso nach dem Spiel daran gelegen, diese Spitze schnell abzubiegen – auf Nachfrage erklärte Herthas Sportvorstand, Pal Dardai werde auch nach der länderspielbedingten Bundesligapause auf der Trainerbank sitzen. „Die Leistung und die Art und Weise wares insgesamt in Ordnung – auch wenn das Ergebnis nicht stimmt", erklärte Bobic und fügte hinzu: „Ich habe viele positive Ansätze gesehen." Zu diesem Zeitpunkt hatte Sky-Experte Lothar Matthäus bereits angebliche Interna preisgegeben, dass Hertha mit Dortmunds Sportdirektor Edin Terzic Kontakt aufgenommen habe (mit einer Absage als Antwort), er aber in der Woche nach dem Freiburg-Spiel durchaus mit einer „Reaktion" der Berliner Führungsspitze in der Trainerfrage rechne. Wenn dies auch nicht zutreffen sollte, so ist die Jobgarantie Pal Dardais in jedem Fall aktuell wohl nur noch von Spiel zu Spiel gültig.