David Häbel hat alles an Talent mitgebracht, was es braucht, um Fußball-Profi zu werden. Doch er entschied sich gegen eine Laufbahn als Berufsfußballer. Und er fühlt sich gut dabei.
An das Koffer packen hat sich der 22-Jährige bereits gewöhnt. Ein Praktikum in Indien, eins in Zürich, ein Sprachaufenthalt in New York und nun eben San Diego. Der Umzug in die 1,4 Millionen Einwohner-Metropole im US-Sonnenstaat Kalifornien, wo er im Rahmen seines Wirtschafts-Studiums ein Auslandssemester einlegen wird, löst bei ihm weder Angstschweiß noch Hitzewallungen aus. Vor drei Jahren, kurz nach dem Abitur, brach der heutige Amateur-Fußballer zu einem Abenteuer auf. Vom Vater vermittelt, ging er für einige Monate im Rahmen eines Praktikums für einen großen deutschen Bremsenhersteller nach Indien. Für einen jungen Mann, der bis dato vor allem im regionalen Fußball von sich reden machte, eine enorme Umstellung. „Manche Dinge wird man nicht vergessen. In Indien kannst Du für fünf Euro einen Führerschein kaufen. Da laufen Kühe und Ziegen auf den Straßen rum, eine geregelte Verkehrsführung gibt es dort nicht. Ich habe mich nie getraut, dort Auto zu fahren", sagt der 22-Jährige rückblickend. Doch das Praktikum am anderen Ende der Welt war für ihn auch eine Zäsur. Spätestens damals war klar, dass es nichts wird mit der Karriere als Profi-Fußballer.
Vor seiner Abreise in die USA Mitte Oktober zog es Häbel zurück zu den Wurzeln. Mit seinen Freunden kickte er noch ein bisschen in der Landesliga bei seinem Heimatverein TuS Wiebelskirchen. Das ist reichlich bescheiden für jemanden, der in den Notizbüchern nahezu jedes deutschen Profivereins stand und der auch zu Lehrgängen der Junioren-Nationalmannschaft eingeladen wurde. Doch mit dem Indien-Abenteuer verlieren sich die Spuren des Fußballers David Häbel. „Ich habe das Studium in Frankfurt begonnen. Alle Vorlesungen sind auf Englisch, teilweise gehen sie bis in die Abendstunden. Um irgendwo in Hessen Oberliga zu spielen, hat mir schlicht und einfach die Zeit gefehlt. Also habe ich es ganz gelassen", erklärt er. Zu dem Comeback in Wiebelskirchen kam es durch den Lockdown. Die Universität stellte auf Online-Unterricht um und der 22-Jährige zog wieder zu seinen Eltern ins Saarland. Eine gute Gelegenheit, um alte Freunde zu treffen und Erinnerungen aufzufrischen.
Im Oktober 2015 wurde der Mittelstürmer vom DFB für das „Tor des Monats Junioren" nominiert. Den Fallrückzieher für die U17 der SV Elversberg gegen die TSG Hoffenheim bezeichnet er auch heute noch „als mein mit Sicherheit schönstes Tor." Spätestens da war das Augenmerk auf den Angreifer gerichtet. Neunmal traf er für die B-Jugend des SVE. Das ist eine beachtliche Marke in einer Mannschaft, die nur wenige Spiele gewinnen konnte und am Ende wieder absteigen musste. „Es war ein Erlebnis, das mir niemand nehmen kann. Nicht jeder kann von sich behaupten, gegen Verteidiger auf dem Feld gestanden zu haben, die heute in der Bundesliga spielen. Und ein paar Tore habe ich ja schließlich auch geschossen", sagt der 22-Jährige.
Kritischer Blick auf das Geschäft
Doch warum kam es nicht zum Durchbruch bei den Profis? Häbel zuckt die Achseln, überlegt und sagt: „Sicherlich war ein bisschen Pech dabei. Auf der anderen Seite gab es Dinge in diesem Geschäft, die mich gestört haben. Du kannst eine Karriere als Berufsfußballer nicht richtig planen." Mit Pech meint er seinen geplatzten Wechsel zu 1860 München. Mit 17 Jahren zog der Angreifer durch die Republik und absolvierte mehrere Profitrainings. Am Ende entschied er sich für die Löwen, weil das bayerische Schulsystem am ehesten mit dem im Saarland kompatibel war. Doch die „Sechziger" stiegen aus der Junioren-Bundesliga ab, der Vertrag war hinfällig. Häbel, der im Alter von zwölf Jahren von Wiebelskirchen zur SVE wechselte, trainierte dann bei den Profis in der Regionalliga mit. Doch den angebotenen Profi-Vertrag lehnte er schließlich ab. „Man verdient als Regionalliga-Profi dann auch nicht die Welt, und es war zwischen meinen Eltern und mir klar abgesprochen, dass ich mein Abitur fertigmache. Die Strukturen waren damals noch nicht so, dass Vollzeitfußball und Schule unter einen Hut zu bringen sind", sagt der 22-Jährige und fügt hinzu: „Ich war mir auch nicht wirklich sicher, ob man tatsächlich auf mich setzt oder ich nur dafür da bin, um irgendeine Quote zu erfüllen."
Es waren wohl auch die Eigenarten des Geschäfts, die ihn abschreckten. Als er als B-Jugendlicher auf sich aufmerksam machte, klopfte auch der FSV Mainz 05 an. „Mein damaliger Trainer Sascha Hildmann hat damals auf mich eingeredet, dass ich unbedingt bei der SVE bleiben soll. Ein paar Wochen später ist er nach Mainz gewechselt und hat angerufen, um mir einen Wechsel schmackhaft zu machen. Das gehört wohl dazu", sagt Häbel lachend, der viele Anekdoten auf Lager hat. Das Probetraining bei der U19 von Borussia Dortmund beispielsweise, als er mit dem heutigen Manchester-Star Jadon Sancho auf dem Platz stand. „Das war schon eine andere Liga. Da ist mir auch bewusst geworden, dass es wohl nicht für die Bundesliga reicht."
Der Wirtschaftsstudent ist ein Kopfmensch. Vielleicht dachte er auch zu viel über die verschiedenen Optionen nach. Als er von seinem damaligen Berater informiert wurde, dass Borussia Mönchengladbach einen Beobachter zu zwei Spielen schicken würde, machte er sich viele Gedanken. „Ich wollte was Besonderes machen, mich zeigen. Am Ende habe ich einfach nicht gut gespielt", sagt Häbel. Doch er ist im Reinen mit sich. „Mir macht es Spaß in Wiebelskirchen. Ich habe keine Verpflichtungen, und die Jungs freuen sich einfach, wenn ich da bin, weil ich ja doch noch ein bisschen kicken kann." Der Traum vom Fußball-Profi, der vielleicht nie wirklich einer war, ist ausgeträumt, die Distanz zum aktuellen Geschehen spürbar: „Ich freue mich, dass es Luca Kerber beim FCS gepackt hat. Vielleicht findet bei den Vereinen ein Umdenken statt und man richtet den Blick mehr auf die eigenen Talente. Luca hat gezeigt, dass man die Schule nicht hinwerfen muss, um Profi zu werden."