Der VW Caddy hat in der fünften Generation eine Evolutionsstufe erreicht, die seinen Wandel vom Handwerkerauto zum Pkw perfekt macht. Seine Gene bewahrt er sich dennoch. Dünn ist allerdings die Auswahl unter der Motorhaube.
Das Digitaldisplay erstreckt sich fast bis zum Beifahrer, die verfügbaren Assistenzsysteme reichen von der Müdigkeitserkennung bis zum teilautonomen Fahren, die Sitze sind zertifiziert rückenfreundlich. Nach einem Handwerkerauto klingt das alles nicht. Und tatsächlich: Im neuen Caddy, dem Hochdachkombi von VW, steckt mehr Pkw als je zuvor. Und doch ist er ein Pragmatiker geblieben. Wie luxuriös und digital er sich gibt, hängt von der Ausführung ab und natürlich davon, wie viele Häkchen man in der Optionsliste macht.
Beim Testwagen wurden derer ganz schön viele gemacht. Aber von Anfang. Von außen betrachtet verblüfft, wie sehr es gelungen ist, den grundlegenden Charakter des Nutzfahrzeugklassikers aus Hannover trotz umgestalteten Blechkleids beizubehalten. Die Rückleuchten ziehen sich nun seitlich bis an die Dachkante, die Frontpartie ist schnittiger als zuvor – es liegt vor allem an den neuen Lufteinlässen und den verschmälerten Scheinwerfern, die man optional mit LED-Leuchtmitteln bestellen kann. Hinten leuchten LEDs serienmäßig. Dass der optisch aufgemöbelte Caddy dennoch als Caddy zu erkennen ist, liegt an den beibehaltenen Proportionen mit hohem Dach und senkrecht abschließendem Heck.
Fenster im Fond sind nicht zu öffnen
Sobald man die Fahrertür öffnet und im Caddy Platz nimmt, erinnert jedoch nichts mehr an seine Geschichte, die äußerst hemdsärmelig als Pick-up Ende der 70er begann. Im Testwagen glimmt nach Betätigen der Zündung das Digitalcockpit auf, wie man es vom Golf VIII kennt, die Basisversion fährt allerdings nach wie vor mit Analoganzeige. Ordentlich Aufpreis (ab knapp 1.200 Euro) kostet auch der zehn Zoll große Infotainment-Touchscreen mit Navi, der mit der Cockpitanzeige zur digitalen Bedienlandschaft zusammenwächst, die kaum noch Platz für herkömmliche Knöpfe und Tasten lässt. Selbst die klassische Handbremse und der Schaltknüppel sind zu kleinen Hebeln geschrumpft. Es ist Geschmackssache, wenn man die Klimaanlage oder die Lautstärke nur noch per Fingerwischen bedienen kann – dass so etwas im Caddy jemals angeboten würde, war lange Zeit kaum vorstellbar.
Wie gehabt – und zum Leid hinten mitfahrender Kinder im Familienauto Caddy – lassen sich die Fenster im Fond nicht öffnen. Und das optionale Panorama-Dachfenster (knapp 1.000 Euro) lässt ebenfalls nur Licht, nicht aber Luft rein. Die Verarbeitung des Innenraums ist tadellos. Für ungeahnten Sitzkomfort sorgen die Vordersitze mit dem Gütesiegel der Aktion Gesunder Rücken (AGR), die ab rund 180 Euro je nach Modellversion zu haben sind. Die Einstellmöglichkeiten umfassen eine elektrische Vier-Wege-Lendenwirbelstütze. Ein Feature, das den Caddy für die Langstrecke qualifiziert. Aber nicht nur dieses.
Auf unserer Fahrt von Berlin ans Stettiner Haff, immerhin 170 Kilometer über teils bröckelige Landstraßen und Autobahnen, lässt der Test-Caddy keinen Zweifel daran, dass er auch zum Reiseauto taugt. Der Stauraum fasst mindestens 1.213 Liter, da müssen wir nicht überlegen, wie wir Badetaschen, Luftmatratzen und das Beach-Ball-Set ins Ladeabteil hineinbekommen – einfach reinwerfen! Zwar öffnet die Heckklappe immer noch sehr raumgreifend, wer möchte, bestellt sie mit elektrischer Zuziehhilfe, die es auch für die seitlichen Schiebetüren gibt. Dass auch fahrwerksseitig renoviert wurde, macht sich vor allem in Kurven bemerkbar, die sich mit der direkter übersetzten Servotronic-Lenkung präziser ansteuern lassen. Zum Komfortgewinn trägt die neue Hinterachskonstruktion bei: Eine Starrachse sorgt zwar nach wie vor dafür, dass der Caddy ordentlich zuladen kann (bis über eine halbe Tonne), doch die alten Blattfedern wurden durch moderne Schraubenfedern und eine Längs- und Querlenker-Konstruktion ersetzt. Die Folge: Nur noch selten rumpelt das Fahrwerk, mehr Pkw-Feeling denn je – was auch daran liegt, dass sich das Hochdachmodell anders als sein Vorgänger unter anderem mit dem Golf VIII nunmehr die Plattform teilt, den sogenannten Modularen Querbaukasten von Volkswagen.
Bei den Assistenz- und Sicherheitssystemen ist fast alles verfügbar, was State of the Art ist. Immer an Bord sind unter anderem sieben Airbags, ein Tempomat sowie Notbrems- und Spurhalteassistent. Gegen Aufgeld verfügbar ist mehr, als noch vor wenigen Jahren bei Pkw gängig war: Alle 19 bestellbaren Helfer zu beschreiben würde den Artikel sprengen. Ganzer Stolz von VW ist neben einem Spurwechselassistent der „Travel Assist". Er ermöglicht teilautomatisiertes Fahren auf sogenanntem „Level 2" über den gesamten Geschwindigkeitsbereich ab 0 km/h. Dabei überwacht die Technik die Fahrsituation und assistiert bei Längs- und Querführung des Fahrzeuges. Ein Novum in einem Nutzfahrzeug, so VW.
Weiterhin warnt ein Auspark-Assistent, wenn sich hinter dem Wagen Verkehr regt, oder ein Trailer-Assistent, der beim Rangieren hilft, wenn ein Anhänger oder Wohnwagen am Haken ist. Auch ein Sprachassistent zum Bedienen von Radio oder Navi ist optional verfügbar, der Befehle sogar ziemlich gut versteht. Ebenfalls neu ist, dass Apple Carplay über Bluetooth und nicht mehr zwingend über eine Kabelverbindung funktioniert. Verfügbar ist auch eine In-Car-App von Amazon Alexa. Smartphones laden über Ports im kleineren USB-C-Format oder induktiv. Für größere Verbraucher wie eine Kühlbox gibt es nach wie vor eine 230-V-Steckdose für 185 Euro extra.
Die intelligente Technik fordert den Fahrer auch dazu auf, vor der Ampel vom Gasfuß zu gehen – was zum Spritverbrauch beiträgt. Mit dem stärksten verfügbaren Zweiliterdiesel 2.0 l TDI mit 122 PS, der im Testwagen an ein leicht behäbig, aber geschmeidig arbeitendes Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen gekoppelt ist, kommen wir auf über 400 Kilometern mit hohem Landstraßenanteil auf einen Durchschnittsverbrauch von 5,7 Liter. Bemerkenswert am sparsamen Diesel ist auch, dass er den fossilen Brennstoff so sauber verbrennen soll wie nie zuvor. Dazu setzt VW auf „Twindosing", will heißen: Um die NOx-Emissionen zu senken, kommen gleich zwei sogenannte SCR-Katalysatoren mit zweifacher AdBlue-Einspritzung zum Zuge.
Zahlreiche Varianten bei der Ausstattung
Das ist Hightech, aber Hightech der alten Verbrennerwelt, in der Volkswagen mit dem Caddy derzeit noch verharrt. Während man im Konzern und auch bei der Kernmarke VW die Weichen in Richtung E-Mobilität gestellt hat, wird es den Caddy als reines Elektroauto nicht geben. Angekündigt wurden bislang lediglich ein Plug-in-Hybrid und eine Erdgasversion (CNG), die im kommenden Jahr (2022) den Anfang macht und sich mit Biogas im Tank wohl nahezu CO2-neutral fahren lassen wird – was bei dieser Art Antrieb grundsätzlich möglich ist. Bis dato haben die Kunden aber nur die Wahl zwischen einem Zweiliter-Diesel in den Leistungsstufen 55 kW/75 PS, 75 kW/102 PS und 90 kW/122 PS sowie einem 1,5 TSI-Benziner mit 84 kW/114 PS. Dieser und der stärkste Selbstzünder lassen sich an das Sieben-Gang-DSG koppeln, standardmäßig wird per Sechs-Gang-Handschalter die Übersetzung geändert. So bestückt kann man den Zweiliter-Diesel auch als 4Motion mit Allrad bestellen.
VW baut den Caddy, der nach dem Start der Modellreihe 1978 in nunmehr fünfter Generation gebaut wird, in vielen Varianten. So sollen möglichst viele Kundengruppen angesprochen werden. Es gibt ihn als den beschriebenen van-artigen Pkw, als spärlicher ausgestatteten Kombi für Pragmatiker zwischen Familie und Betrieb, als Campingmobil Caddy California mit Ausklappbett für zwei Personen, Miniküche und optionalem Zeltanbau oder als pure Handwerkerversion mit Kastenaufbau ohne hintere Fenster und zwei Sitze – die dem Original von einst noch am nächsten kommt. Der Alltrack mit Allrad und Beplankung heißt beim Caddy 5 jetzt Pan Americana. Auch zwei Radstände sind wieder verfügbar – so ist das Modell auf 4,50 Meter beziehungsweise 4,85 Meter Länge beim Maxi gewachsen. Allein der Maxi ist mit einer dritten Sitzbank zu haben – damit wird er zum Großfamilienauto.