Er soll zu den Top 50 der schnellsten Supercomputer der Welt gehören: Meluxina ist einer der beiden jüngsten Superrechner auf europäischem Boden. Rund 30 Kilometer nördlich von Luxemburg-Stadt arbeiten rund 20 Computerfachleute, darunter Roger Lampach und Pascal Bouvry, an der digitalen Zukunft.
Herr Lampach, Herr Bouvry, Meluxina: der Name ist Programm und spielt wohl auf die Sage um die Entstehung Luxemburgs an. Ist der Superrechner die Wiege des neuen digitalen Luxemburgs?
Roger Lampach: Der Name des Hochleistungsrechners ist tatsächlich eine Anspielung auf die Legende von Graf Siegfried und Melusina, die auf die Ursprünge Luxemburgs verweist. Das X entspricht visuell der Signatur des Großherzogtums „Luxembourg – let’s make it happen". Hier entsteht wirklich etwas großartig Neues, mit dem Luxemburg und die gesamte EU in neue digitale Dimensionen vorstoßen können. Meluxina könnte sich zu einem Wachstumstreiber für die digitale Zukunft vieler Unternehmen entwickeln. Daran arbeiten wir.
Pascal Bouvry: Sie müssen sich Meluxina als eine riesige Maschine vorstellen, die aus ganz vielen Prozessoren besteht und somit diese enorme Rechenleistung von zehn Petaflops überhaupt ermöglicht. Es ist ein wenig wie in der Formel 1 mit wahnsinnig viel PS unter der Haube. Unser Ziel muss es sein, diese PS sprichwörtlich auf die Straße zu bekommen, damit die Unternehmen in Luxemburg und in der Großregion einen wirtschaftlichen Nutzen von diesem Superrechner haben. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg in die digitale Zukunft.
Inwiefern ist Meluxina ein luxemburger oder ein europäisches Projekt?
Lampach: Lux-Provide als Betreiber dieses Hochleistungsrechners ist eigentlich ein klassisches Start-up-Unternehmen. Wir haben 2019 als 100-prozentige Tochter von Lux-Connect, die als Betreiber von Rechenzentren dem Luxemburger Staat gehört, begonnen. Zunächst in Bettemburg im Süden Luxemburgs und seit Juni dieses Jahres auf dem Innovationscampus hier in Bissen-Roost. Lux-Connect betreibt auf diesem Gelände ein hochsicheres Rechenzentrum, in dem unser Supercomputer untergebracht ist.
Der Staat Luxemburg hat sich auf Initiative der EU um das Projekt des Hochleistungsrechners mit dem Standort Bissen beworben und den Zuschlag erhalten. Die Investition von über 30 Millionen Euro stemmt der Staat zu zwei Dritteln, und ein Drittel wird von EuroHPC JU finanziert. Natürlich arbeiten wir mit Meluxina im Europäischen Netzwerk EuroHPC. Ziel der EU ist es, dass in den jeweiligen Ländern sogenannte nationale Kompetenzzentren entstehen, die vernetzt arbeiten und die digitale Strategie Europas entscheidend voranbringen. Und das ist auch bitter nötig, um den technologischen digitalen Abstand zu den USA, China und Japan zu verkürzen.
Wo sind in Deutschland und Frankreich die nächsten Hochleistungsrechner zu finden?
Lampach: In Deutschland zum Beispiel in Jülich, und in Frankreich in der Nähe von Paris. Wir arbeiten an einer Infrastruktur von Hochleistungsrechnern in Europa. Das nationale Kompetenzzentrum soll Ende 2022 startklar und Anlaufstelle für die hiesige Wirtschaft sein, wenn es um das Thema Hochleistungsrechner geht.
Wie funktioniert so ein Superrechner in einfachen Worten ausgedrückt, und was unterscheidet ihn von den üblichen Rechnern in Datacentern?
Bouvry: Was macht Meluxina so leistungsfähig? Ganz einfach gesagt sparen wir die Wege zwischen den verschiedenen Rechnern, wie sie zum Beispiel in einer Cloud arbeiten. Der Weg zwischen zwei Prozessoren braucht beispielsweise Zeit, die wir bei Meluxina einsparen. Die vielen Prozessoren sind bei Hochleistungsrechnern zu einer einzigen Maschine zusammengebaut, was sie dann eben so schnell und stark macht. Wir sind darauf spezialisiert, riesige Datenmengen zu verarbeiten und komplexe Berechnungen in Höchstgeschwindigkeit in den Bereichen Modellierung und Simulation zu machen. Der Supercomputer ist keine Cloud-Lösung, und der Superrechner ist auch nicht für die Speicherung riesiger Datenmengen – Big Data – konzipiert; außer in der Projektlaufzeit.
Und wie steht es um die Sicherheit der Daten?
Bouvry: Natürlich gibt es bei uns dafür jede Menge Sicherheitsszenarien. Lux-Provide ist für die Informatik-Sicherheit, und Lux-Connect für die physikalische Sicherheit zuständig. Das beginnt mit dem hochsicheren Datacenter von LuxConnect mit der höchsten Sicherheitsstufe klassifiziert nach Tier IV, extrem starken Zugangskontrollen, reicht über redundante Glasfaseranbindungen bis hin zu gesicherten Daten in anderen Rechenzentren von Lux-Connect.
Wer braucht überhaupt diese Hochleistungsrechner in der Praxis?
Lampach: Das ist genau der Punkt, der über die digitale Zukunft entscheidet. In der Wissenschaft, zum Beispiel bei der Klimaforschung, arbeiten Forscher wie Physiker, Biologen oder Meteorologen mit Simulationsmodellen, die eine enorme Datenmenge verarbeiten, um möglichst viele Eventualitäten zu berechnen und genaue Prognosen zu tätigen. Dabei helfen Hochleistungsrechner. Diese Idee gilt es nun auf andere Wirtschaftsbereiche zu übertragen, zum Beispiel in der Weltraumindustrie oder in der Automobilbranche oder im Gesundheitsbereich. Unternehmen können in der Regel derartige Rechnerleistungen und entsprechende Manpower gar nicht vorhalten. Superrechner können Produktentwicklungen vorantreiben und für Industrieunternehmen wesentlich kostengünstiger gestalten. Komplexe Teile können beispielsweise noch genauer konstruiert werden, Markteinführungszeiten für neue Produkte verkürzen sich, und Materialkosten werden gesenkt. Darin sehe ich eine große Chance für die Unternehmen im Wettbewerb, zumal Luxemburg seit einigen Jahren intensiv die Weltraumindustrie forciert.
Bouvry: Der Bedarf in der Industrie ist vorhanden. Das sehen wir mittlerweile an den Anfragen und am Interesse. Wir müssen in den kommenden Monaten diesen Bedarf kanalisieren und in eine echte Nachfrage nach unseren Leistungen ummünzen. Wir wollen künftig Lösungen an die Industrie verkaufen.
Wie arbeitet Lux-Provide mit dem Saarland zusammen?
Lampach: Es entwickelt sich eine hochinteressante Zusammenarbeit mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken. Die Verarbeitung dieser enormen Datenmengen und daraus resultierende Simulationsmodelle kommen ohne Algorithmen der Künstlichen Intelligenz gar nicht mehr aus. Aus der Wirtschaft selbst hat es bisher noch keine Nachfrage gegeben, aber das wird sich sicherlich bald ändern.
Was erwartet der Staat Luxemburg von Meluxina?
Lampach: Am Standort in Bissen-Roost, dem ehemaligen Goodyear-Gelände, sind wir ideal untergebracht, direkt neben dem Datacenter und einem Gebiet mit Entwicklungspotenzial. Einige hier angesiedelte Firmen, zum Beispiel aus der Automobilbranche, sind potenzielle Kunden für uns. Außerdem ist am hiesigen Standort ausreichend Platz für die Entwicklung weiterer Start-up-Unternehmen in der Spitzentechnologie.
Und wie steht es um die Entwicklung der Arbeitsplätze?
Bouvry: Derzeit sind wir 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 13 verschiedenen Nationen, allerdings derzeit niemand aus Deutschland. Unsere Arbeitssprache ist Englisch. Wir wollen in zwei Jahren auf 50 wachsen. Ein bisschen Berufserfahrung ist in der Regel allerdings vonnöten. Mit Meluxina zeigen wir einmal mehr, welch gewaltiges Entwicklungspotenzial für zukünftige Jobs in Luxemburg und auch in der Großregion vorhanden ist.
Die Leistungsstärke ist für die meisten Menschen unvorstellbar. Müssen wir künftig vor diesen gigantischen Maschinen Angst haben?
Lampach: Das ist eine sehr philosophische Frage. Maschinen lernen, und sie lernen bei diesen Datenmengen schneller als Menschen. Trotzdem werden sie von uns programmiert und gesteuert. Ich denke, bei unseren Sicherheitsvorkehrungen braucht man keine Angst zu haben. Allerdings wird sich die Arbeitswelt kolossal verändern, neue Berufe entstehen, alte verschwinden. Das mag vielleicht den einen oder anderen mehr verängstigen, aber wenn wir den Fortschritt nicht mitmachen und mitbestimmen, machen es andere.