Die TG Saar ist Deutscher Kunstturn-Meister, aber Topfavoriten auf die Meisterschaft in diesem Jahr sind andere. Will die TG doch noch ins Halbfinale, muss sie den Topfavorit TuS Vinnhorst schlagen.
Um ihren Deutschen Meistertitel verteidigen zu können, müssen die Kunstturner der TG Saar am letzten Wettkampftag der Bundesliga-Vorrunde alles raushauen: Nach der Niederlage gegen den TV Wetzgau ist am 13. November in Dillingen ein Sieg gegen die Übermannschaft aus Vinnhorst Pflicht, um ihre Chance auf den Halbfinal-Einzug zu wahren. „Wetzgau war schon ein echter Brocken und mit Vinnhorst steht uns ein noch dickerer Brocken bevor", weiß der TG-Vorsitzende Thorsten Michels.
Die TG musste vor der Saison ihren Kader deutlich verjüngen: „Und zwar etwas früher als geplant", merkt Michels an. Weltklasse-Mehrkämpfer Oleg Verniaiev, der die Saarländer 2020 zur vierten Deutschen Meisterschaft der Vereinsgeschichte führte, steht nach wie vor unter Dopingverdacht und bleibt vorerst gesperrt. Der 27-jährige Ukrainer wurde im Sommer 2021 vom Schiedsgericht des Internationalen Turnverbands (FIG) für vier Jahre gesperrt, wogegen er Einspruch eingelegt hatte. Ihn ersetzt der russische Mannschafts-Olympiasieger und zweimalige Bronzemedaillengewinner von Tokio, Nikita Nagornyy. Der 24-Jährige verpasste die Vorsaison aufgrund der Corona-Einreisbestimmungen und ist nach zwei Kämpfen mit 35 Punkten der Topscorer der gesamten Bundesliga.
Hinter Superstar Nagornyy ist die TG mit der deutschen Nummer eins Felix Remuta (23) und den bewährten Stammkräften Waldemar Eichhorn (35), Luca Ehrmanntraut (25) und Florian Lindner (29) sehr gut besetzt. Auch der inzwischen in die griechische Nationalmannschaft berufene Deutsch-Grieche Stefanos Tsolakidis (21) gehört wie in der Vorsaison zum Kader. Hinzu kommen drei saarländische Talente aus der eigenen Kaderschmiede, der Nachwuchs-Trainingsgruppe von Waldemar Eichhorn: Die erst 16-jährigen Jugend-Nationalturner Maxim Kovalenko und Daniel Mousichidis und Nicklas Sprengart (22), der den Sprung aus der zweiten Mannschaft (2. Bundesliga Nord) in die erste geschafft hat. „Das Team hat ein neues Gesicht, aber wir haben eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Athleten", findet Thorsten Michels. Der zweite gemeldete Ausländer, der Französische Mehrkampfmeister Loris Frasca aus Forbach, ist vorerst wegen Knieproblemen außer Gefecht. Allerdings bleibt der TG die Möglichkeit, zwei Athleten während der Saison nachzumelden.
Deutlicher Verjüngung des Kaders
Mit einem deutlichen 60:18-Heimsieg zum Auftakt gegen den StTV Singen war die TG Ende September souverän in die neue Saison gestartet. Beim folgenden Auswärtskampf in Schwäbisch Hall hätten die Saarländer mit einem Sieg den Einzug ins Halbfinale klarmachen können. Gegner und Vorjahres-Finalist Wetzgau stand nach der knappen 22:29-Auftaktniederlage gegen Vinnhorst schon mit dem Rücken zur Wand und musste gewinnen, um seine Chance auf die Endrunde zu wahren. Zum Leid der Saarländer gelang das der Heimmannschaft schließlich auch mit einem 44:27-Erfolg (10:2 Gerätepunkte). Der Wetzgauer Kader um Nationalturner Andreas Toba und mit dem Russen Artur Dalaloyan und dem Spanier Nestor Abad Sanjuansogar auf den Ausländer-Positionen ist einfach zu stark besetzt. Zudem verpasste die TG ihr Ziel, möglichst fehlerfrei zu turnen, und so war der Traum vom vorzeitigen Halbfinal-Einzug schnell ausgeträumt. Gleich in der ersten Übung am Boden stürzte Waldemar Eichhorn auf seiner Schlussbahn. Statt dieses Gerät für sich zu entscheiden, stand am Ende ein knappes 6:7. Beim 2:10 am Pauschenpferd war die TG chancenlos. Einzig die Ringe konnte der amtierende Deutsche Meister für sich entscheiden (9:6). Ordentliche Leistungen am Barren (3:5) und beim Sprung (5:6) reichten in der Folge nicht, um die Gastgeber in Verlegenheit zu bringen. Am Reck machte der TV mit einem deutlichen 10:2 alles klar. „Der Sieg für Wetzgau ist verdient", stellte der TG-Vorsitzende Thorsten Michels nach dem Wettkampf klar. Trotzdem wollte er seiner Mannschaft „ein Kompliment aussprechen. Sie hat sich nicht aufgegeben und bis zur letzten Übung gekämpft." Nikita Nagornyy wurde mit 15 Punkten Top-Scorer des Tages. Bemerkenswert: Ausgerechnet die erst 16-jährigen TG-Talente Maxim Kovalenko und Daniel Mousichidis blieben bei ihren Übungen fehlerfrei. Schon beim Auftakt in der Dillinger Kreissporthalle gegen Singen ließen die beiden Youngsters aus der eigenen Jugend aufhorchen. Als Debütanten steuerten Musichidis (fünf) und Kovalenko (drei) wie auch der aus der Zweiten Mannschaft aufgerückte Nicklas Sprengart (drei) ihre ersten Bundesliga-Punkte zum ungefährdeten 80:16-Heimsieg (10:2 Gerätepunkte) bei.
Um doch noch ins Halbfinale einzuziehen, muss die TG Saar ihren Heimkampf in Bundesliga-Gruppe B am 13. November gegen Titelfavorit TuS Vinnhorst gewinnen. Dort wurde vor der Saison kräftig in den Kader investiert und mit Felix Dauser, der bis 2020 für die TG Saar turnte, Philipp Herder (vom Siegerländer KV) und Nils Dunkel (KTV Straubenhardt) drei von vier Turnern aus dem deutschen Olympia-Team von Tokio verpflichtet. Auch auf den Ausländer-Positionen ist Vinnhorst mit dem Russen Vladislav Poliashov und den Spaniern Rayderley Zapata und Thierno Diallo herausragend besetzt. Ähnlich sieht es bei der KTV Straubenhardt aus Gruppe A aus, die ihren ohnehin schon stark besetzten Kader mit Dario Sissakis vom Siegerländer KV verstärkt hat. „Demnach war schon vorher klar, wer die Favoritenrolle innehat. Jedenfalls nicht der amtierende Deutsche Meister", sagt Michels und lacht. Trotzdem traut er seiner von Eugen Spiridonov trainierten Mannschaft einiges zu: „Wir haben Qualität in der Mannschaft, die Jungs sind motiviert und wenn wir die Qualität auch an die Geräte bekommen und uns keine Fehler erlauben, wird es auch für Topteams gegen uns nicht einfach." Der Einzug ins Halbfinale ist demnach nicht unmöglich.
Wie in der ebenfalls von der Corona-Pandemie geprägten Vorsaison besteht die Bundesliga aus zwei Staffeln. Nach Abschluss der Vorrunde treffen die jeweiligen Erstplatzierten am 20. November im Halbfinale auf die Zweiten der jeweils anderen Staffel. Die Sieger machen am 4. Dezember in der Ratiopharm Arena in Ulm den Deutschen Meister unter sich aus. Neu hinzugekommen ist die K.-o-Runde um den Abstieg. Hier treffen die Dritt- und Viertplatzierten über Kreuz aufeinander, und die jeweiligen Verlierer turnen im direkten Duell um den Abstieg in die 2. Bundesliga.