Auch ohne den ganz großen Glanz haben die BR Volleys einen Auftakt nach Maß in die neue Saison hingelegt. Nun wartet jedoch das Duell gegen den Dauerrivalen.
Auf dem Papier hätte der Saisonstart für die BR Volleys nicht besser laufen können. Sie haben zuerst alle Testspiele gewonnen, dann im Supercup triumphiert und schließlich die beiden ersten Bundesliga-Duelle für sich entschieden. In den Pflichtspielen gab der deutsche Volleyball-Meister noch keinen einzigen Satz ab – und doch ist aus den Aussagen der Spieler und Verantwortlichen keine Euphorie oder gar Überheblichkeit herauszuhören. Denn längst nicht alles gelang, und die Ansprüche beim Hauptstadtclub sind groß. „Wir haben ein unfassbar gutes Team", sagte Neuzugang Ruben Schott. Unfassbar gut waren die ersten Saisonauftritte aber noch nicht.
Der erste große Prüfstein wartet nun am Samstag (16. Oktober/20.00 Uhr) in der Ratiopharm Arena von Ulm. Beim Rekordmeister VfB Friedrichshafen müssen die Volleys zeigen, wie stark ihre Frühform wirklich ist. Der VfB gilt auch in dieser Saison als vermeintlich ärgster Titelrivale für die Berliner, er leistete sich aber am vergangenen Spieltag eine unerwartete 1:3-Niederlage bei United Volleys Frankfurt. Gegen die Hessen hatte Berlin im Supercup Anfang Oktober souverän 3:0 gewonnen, doch von Quervergleichen halten die Verantwortlichen nichts. Für sie ist das Duell gegen den Dauerrivalen ein echter Fingerzeig. „Wir werden fokussiert arbeiten, um uns auf den Klassiker gegen Friedrichshafen akribisch vorzubereiten", sagte Trainer Cedric Enard. Beide Clubs kennen sich bestens, seit Jahren kämpfen sie um die Vorherrschaft im deutschen Volleyball, obwohl die Berliner den Angriff der Friedrichshafener seit 2015 stets abwehren konnten. In den Punkten Struktur, Kaderqualität und Budget befindet sich der Titelverteidiger auf einem anderen Level. Das schlägt sich meistens auch auf dem Parkett nieder, so wie in der Finalserie der Vorsaison, die die Volleys souverän mit 3:0 nach Siegen für sich entschieden. Der VfB setzt beim nächsten Anlauf auf den Thron auf den neuen Trainer Mark Lebedew, der viele Jahre auch in Berlin an der Seitenlinie stand und die Volleys zu den Meistertiteln zwischen 2012 und 2014 führte. Damals beendete der Australier die Regentschaft von Friedrichshafen im deutschen Männer-Volleyball, nun soll er es umdrehen. „Ich kenne also die Situation", sagte Lebedew.
Souveräner Sieg gegen die Hessen
Die Berliner sehen sich jedoch gerüstet für das erste Aufeinandertreffen mit dem Rivalen in dieser Spielzeit. Der 3:0-Sieg zu Hause gegen die SVG Lüneburg, immerhin Playoff-Halbfinalist der Vorsaison, stärkte das Selbstvertrauen. „Alles in allem habe ich viel Gutes gesehen", sagte Enard, der vor allem den Annahmeriegel lobte: „Die Drei haben heute sehr gut harmoniert." Auch die Ruhe und Mentalität, mit der sein Team die vermeidbaren Rückstände aufgeholt hatte, sei „etwas Positives". Doch der Franzose verhehlte auch nicht, dass die Mannschaft noch längst nicht im optimalen Rhythmus angekommen ist. Er wünsche sich schon gegen Friedrichshafen „noch konsequentere Punkte" nach erfolgreichen Block-Abwehren und vor allem mehr Konzentration zu Spielbeginn: „Dass wir konsequenter starten wollen und müssen, ist unbestritten."
Insgesamt war das Duell gegen Lüneburg, das zum Saisonstart schon gegen Friedrichshafen 1:3 verloren hatte, eine Leistungssteigerung im Vergleich zum 3:0-Erfolg vier Tage zuvor gegen die Helios Grizzlys Gießen. Nachdem sich Berlin gegen den klaren Außenseiter zwei Sätze lang erstaunlich schwer getan hatte, sah sich Kapitän Sergej Grankin sogar zu einer Entschuldigung gezwungen: „Ich möchte mich bei den Fans ein wenig entschuldigen. Wir können mehr."
Auch ohne den ganz großen Glanz haben die Spieler die Fans gegen Lüneburg versöhnt. Die Stimmung in der mit 1.653 Zuschauern gefüllten Max-Schmeling-Halle war prächtig, „der Volleyballtempel erwacht", schrieb der Club auf seiner Internetseite. „Wir spielen in einer der geilsten Hallen, die es in Europa gibt", meinte der gebürtige Berliner Schott. Die Spielstätte in Prenzlauer Berg, die in der Vorsaison coronabedingt nur zweimal für Zuschauer geöffnet werden durfte, soll den Volleys in dieser Spielzeit wieder einen richtigen Heimvorteil bringen. „Es ist mit Zuschauern einfach völlig anders als in der letzten Saison", sagte Trainer Enard, der „diese Energie, die unsere Fans verursachen, in unser Team aufsaugen" wolle.
Bei Heimspielen gilt die 2G-Regel, nur Geimpfte oder Genesene erhalten Einlass. Ausgenommen sind Personen, die sich aus Gesundheitsgründen nicht impfen lassen können, sowie Schüler.
Gegen Friedrichshafen müssen es die Berliner aber ohne die große Unterstützung ihrer Fans richten, doch auch das trübt die Hoffnung nicht. Der Titelverteidiger will beim Dauerrivalen bereits ein frühes Achtungszeichen setzen. Für die Spannung in der Liga wäre es kontraproduktiv, denn nicht wenige Experten befürchten einen relativ problemlosen Durchmarsch des Vorzeigeklubs, der schon die letzten fünf Meisterschaften für sich entschieden hatte. Und wenn Manager Kaweh Niroomand sagt, „die Kaderplanung ist dieses Jahr genauso gelaufen, wie wir das wollten", dann ist das kein gutes Zeichen für die Konkurrenz.
In der Tat ist Berlins Kader qualitativ und quantitativ den anderen überlegen. Diagonalangreifer Benjamin Patch und Weltklasse-Zuspieler Grankin verlängerten ihre Verträge, auch die Liberos Adam Kowalski und Samuel Tuia sowie Außenangreifer Cody Kessel konnten gehalten werden. Unter den Neuzugängen befinden sich zwei namhafte Rückkehrer: Jeffrey Jendryk und Schott. Vor allem Schott zeigt schon zu Saisonbeginn, dass er eine echte Verstärkung fürs Team sein kann. Gegen Lüneburg überragte der Berliner Jung mit seiner Annahme-Quote (73 Prozent positiv).
Berliner Kader den anderen überlegen
Eine neue Qualität gewinnt das Team auch durch Neuzugang Santiago Danani hinzu. Der Argentinier ist laut Trainer Enard „ein Weltklasse-Libero", der nicht nur in der Annahme „sehr stark" sei. „Er ist auch ein Kämpfer", meinte der Franzose, „das ist ein großer Bonus und wirklich interessant fürs Team."
Ein Kämpfer ist aber auch Benjamin Patch, der sich gegen Lüneburg im dritten Satz am Daumen verletzt hatte, später aber doch wieder aufs Parkett zurückkehrte. „Notfalls spiele ich auch mit gebrochenen Fingern", scherzte der Diagonalspieler. Ein langfristiger Ausfall des US-Amerikaners „wäre fatal", wie Manager Niroomand betonte. Patch ist als Topscorer und Anpeitscher enorm wichtig für die Volleys, die Daumenverletzung dürfte einen Einsatz gegen Friedrichshafen nicht verhindern. „Das lässt sich tapen", meinte Niroomand.
Etwas mehr Zeit benötigt noch das Zusammenspiel des Teams. „Ich habe immer gesagt, dass wir Geduld haben und Schritt für Schritt wachsen müssen", sagte Niroomand. Der Kader sei erst seit knapp vier Wochen komplett, „da ist es doch klar, dass noch nicht alles perfekt läuft." Zumal Leistungsträger wie Timothee Carle, Samuel Tuia und Anton Brehme zuletzt verletzt fehlten.
Großspurige Kampfansagen in Richtung des Herausforderers aus Friedrichshafen unterlassen die Berliner daher. „Vor uns liegt ein langer Weg", so Niroomand, „da kann ein bisschen Bodenhaftung am Anfang nicht schaden. Dann gibt es auch kein böses Erwachen."