Zwei Wochen nach der Bundestagswahl sortiert sich die politische Landschaft im Saarland neu – mit Blick auf die Landtagswahl am 27. März. Als Erstes hat die SPD Klarheiten geschaffen und Anke Rehlinger als Spitzenkandidatin nominiert.
Für den sprichwörtlichen Paukenschlag sorgte die CDU. Der Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer und Peter Altmaier war nicht nur für bundesweite Aufmerksamkeit gut. Selbst Medien bis nach Spanien war es eine Meldung wert, dass die beiden Kabinettsmitglieder ihr Bundestagsmandat, gewonnen über die Landesliste, nicht annehmen. Bei Peter Altmaier war der Schritt nicht völlig überraschend. Schon kurz nach dem desaströsen Wahlergebnis der CDU mit dem Verlust aller vier Wahlkreise im Saarland gab es Hinweise, dass der Bundeswirtschaftsminister zugunsten von Nadine Schöne Schön verzichten könnte (siehe FORUM-Ausgabe 40). Altmaier ist der letzte altgediente Bundesminister der Ära Merkel. Schon vor der Wahl dürfte ihm klar gewesen sein, dass seine Karriere in der allersten Reihe der Bundespolitik den Zenit erreicht hat. Im Übergang in die Nach-Merkel-Zeit hätte er mit seinen Erfahrungen, Netzwerken und Connections aber eine wichtige Rolle sowohl gegenüber möglichen neuen Koalitionspartnern als auch innerparteilich übernehmen können. Das Wahlergebnis war aber für die Union kein gleitender Übergang, sondern ein harter Bruch.
Einen solchen harten Schnitt hat auch Annegret Kramp-Karrenbauer für sich gemacht. Vor dreieinhalb Jahren zog es sie in die Bundespolitik mit der Option, Merkel beerben zu können. Die Entwicklungen nahmen bekanntermaßen andere Wendungen. Trotzdem genießt sie, wie Berliner Unionskreise berichten, hohes Ansehen. Das hat sie nicht zuletzt als Verteidigungsministerin in der Afghanistan-Krise untermauert. In ihrer Karriere hat sie mehr als einmal alles auf eine Karte gesetzt, ob sie Jamaika im Saarland platzen ließ (und nach den Wahlsiegen eine Große Koalition führte), oder eben auch mit ihrem Wechsel nach Berlin. Der Rückzug jetzt dürfte weniger vorab kalkuliert gewesen sein.
Ausgangslage für die Landtagswahl hat sich geändert
Nun wollten sie den Weg für Erneuerung und für Jüngere in der Partei frei machen. Nadine Schön, die sich in Berlin längst einen Namen gemacht hat, innerparteilich und inhaltlich, sowie Markus Uhl können ihre Arbeit in Berlin fortsetzen.
Der Rückzug des erfahrenen Politprofis und der ehemaligen Parteivorsitzenden ist ein Statement zum Zustand der Bundespartei. Für die Saar-CDU bedeutet es den Rückzug zweier politischer Schwergewichte, die Partei in Land und Bund sowie das Land selbst viele Jahre geprägt haben. Die „Verjüngung unserer Partei im Bundestag", von der Saar-Parteichef Tobias Hans sprach, ist damit eingeleitet. Wieweit diese „Verjüngung" in der Saar-CDU greift, wird sich bis zum Parteitag Mitte November, der die Landtagswahl vorbereiten soll, zeigen. Auf Verjüngung in der CDU-Ministerriege hat der Ministerpräsident bislang verzichtet, auch wenn in unterschiedlichen Phasen seiner bisherigen Amtszeit darüber mehrfach öffentlich diskutiert und spekuliert worden war.
Am gleichen Tag der überraschenden CDU-Rückzugsankündigungen als Folge der Wahlniederlage hat die Saar-SPD in neuem Aufwind nach der Bundestagswahl weitere Pflöcke für den Landtagswahlkampf eingeschlagen und als erste Partei ihre Vorsitzende und Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger erwartungsgemäß als Spitzenkandidatin nominiert, mit einstimmigem Votum von Landesvorstand und Landtagsfraktion. Das soll ein Parteitag, ebenfalls Mitte November, noch offiziell bestätigen, woran es keinen Zweifel gibt.
Die Verjüngung im Bundestag hat die SPD bei der Bundestagswahl ausgebaut. Josephine Ortleb (34) hat ihr Direktmandat verteidigt, Esra Limbach (32) für die Sozialdemokraten ein weiteres Direktmandat dazugewonnen. Und mit der Bereitschaft von Susanne Speicher, prominente Sprecherin von Fridays für Future im Saarland, für die SPD bei der Landtagswahl zu kandidieren, haben beide, Kandidatin und Partei, ein personell und inhaltlich klares Signal gesetzt. Ob es der live zugeschaltete Wahlsieger Olaf Scholz als Hinweis für die laufenden Verhandlungen zur Regierungsbildung in Berlin registriert hat, war nicht auszumachen. Aber unverkennbar ist die Aufbruchstimmung, die das Ergebnis der Bundestagswahl auch bei den Saar-Genossen ausgelöst hat. Wobei es auch dort fünf Monate vor dem Wahltermin nicht an nachdenklichen Stimmen mangelt, wissend, wie schnell sich Rahmenbedingungen und Stimmungen ändern können. Das jüngste Wahlergebnis an der Saar mache „stolz und demütig", sagte Rehlinger und ergänzte: „Der Verantwortung muss man gerecht werden".
Auch deshalb standen für die SPD bei ihrer Klausurtagung, da die Spitzenkandidatenfrage ohnehin klare Sache war, vor allem inhaltliche Schwerpunkte der Landespolitik mit Blick auf die Wahl im Vordergrund. Rehlinger warb dafür, klare Schwerpunkte in der Landespolitik zu setzen. Gerade für ein kleines Land mit überschaubaren Mitteln würde es im Wettbewerb mit anderen wenig erfolgversprechend sein, überall ein bisschen was zu tun. Für die SPD zentral sind die Bereiche Arbeitsplätze, Strukturwandel („kein Schicksal, sondern gestaltbar"), Qualifizierung und Weiterbildung sowie der gesamte Bildungsbereich („von der Kita bis zum Master oder Meister"). Rehlinger will dazu ein „Zukunftsvermögen Bildung" einrichten, also eine Finanzierung, bei der nicht mehr bei Haushaltsberatungen um jede einzelne Lehrerstelle gerungen werden muss. Zwar sei es gelungen, in den letzten Jahren eines SPD-geführten Bildungsressorts die Ausgaben von 750 Millionen auf 1,1 Milliarden zu erhöhen. Darauf dürfe man sich aber nicht ausruhen. Für den dritten großen Bereich, nämlich Klimaschutz, sei der Hinweis, dass IG Metall-Vertreter und Klimaschutzaktivisten auf einer Liste kandidieren, ein „klares Signal".
Entscheidungen bei Parteitagen im November
Auch die FDP geht deutlich gestärkt in den Landtagswahlkampf. Die Saar-Liberalen haben die höchsten Zugewinne erzielt, der Wahlkreis Saarlouis ist der mit den bundesweit höchsten Stimmenzuwächsen bei der Bundestagswahl. 11,5 Prozent haben die Liberalen bei der Bundeswahl erzielt. Für den 27. März gab Parteichef Oliver Luksic ein Wahlziel aus, das nach Stand der Dinge ebenso realistisch wie ambitioniert ist: „Wir wollen acht Prozent, und wir wollen eine Regierungsbeteiligung."
Damit sind zwar die Ziele der FDP klar, aber noch nicht das Personal. Oliver Luksic ist zwar gerade erst als Landesvorsitzender bestätigt worden, aber ob er – gerade erst wieder in den Bundestag gewählt – als Spitzenkandidat für die Saarlandwahl zur Verfügung steht, ist offen. Dass er von Parteifreunden gedrängt wird, ist kein Geheimnis. Er ist schließlich das so ziemlich einzige landesweit bekannte Gesicht der Saar-FDP. Die Wahl der Stellvertreter hat gezeigt, dass es den Liberalen nicht grundsätzlich an guten Leuten mangelt, die sind aber in der Regel nur in ihren Regionen aktiv und bekannt.
Bei den übrigen Parteien ist eine parlamentarische Zukunft unsicher.
Die Rückkehr in den Landtag dürfte für die Grünen ein immer schwierigeres Unterfangen werden. Der Vertrauensverlust durch das Desaster vor der Bundestagswahl dürfte kaum in wenigen Monaten aufzufangen sein, selbst wenn eine Neuaufstellung beim geplanten Parteitag im November gelingt. Der Streit bei den Linken gärt weiter. Ein möglicher Ausschluss von Barbara Spaniol aus der Fraktion ist bis auf nach den Herbstferien vertagt. Bei der Bundestagswahl kam die Linke an der Saar auf immerhin 7,2 Prozent (Bund: 4,9), trotzdem ist ein Wiedereinzug in den Landtag nach dem angekündigten Verzicht Lafontaines auf eine Kandidatur und angesichts des parteiinternen Dauerkonflikts alles andere als sicher. Und bei der AfD hat der interne Dauerkonflikt ebenfalls eine neue Wendung gebracht. Der vor einem Jahr des Amtes enthobene Vorstand unter Josef Dörr hat vor Gericht einen vorläufigen Erfolg erzielt. Demnach war der Parteitag vor einem Jahr mit Wahl eines neuen Vorstands nicht rechtens. Bei der Bundestagswahl hatte die Saar-AfD mit 10,0 Prozent das beste Ergebnis in den West-Ländern, blieb damit konstant. Aber der Dauerkonflikt sowohl auf Landes- als auch Bundesebene zehren an der Zustimmung.
Am Ende ist für alle der nächste wichtige Stichtag zur Landtagswahl der 20. Januar. Bis dahin müssen die Parteien ihre Listen zur Wahl eingereicht haben.