Man hat das Gefühl, er sei dabei gewesen bei diesen Dramen, die sich im Frühjahr des Jahres in Berlin abgespielt haben: Robin Alexander, Politik-Chef bei der „Welt", beschreibt es in seinem Buch als eine Zeit des Machtverfalls, in der die sonst so sichere Kanzlerin Merkel Stück für Stück ihren Einfluss verliert. Sie baut Annegret Kramp-Karrenbauer als Nachfolgerin auf, aber der Plan scheitert. Drei Männer ringen wochenlang um die Nachfolge als CDU-Chef, darunter mit Friedrich Merz ein ausgewiesener Merkel-Gegner. Dann entgleitet ihr die Corona-Politik, die Ministerpräsidenten der Länder führen Merkel vor, als sie um Ostern herum das Land ein paar Tage lahmlegen will. Dann versuchen Söder und Laschet, sie auf ihre Seite zu ziehen, sie duellieren sich um die Kandidatenfrage, es wird ein unsauberes Spiel mit vielen Tricks und Hinterhalten. Merkel tut so, als ginge sie das alles nichts an.
Aber Alexander schildert, dass auch die Pläne ihrer Gegner nicht aufgehen: Kramp-Karrenbauer hatte damit gerechnet, dass Merkel im Verlauf des Sommers zurücktreten werde, um einen reibungslosen Übergang zu garantieren. Merkel tut das Gegenteil: sie bleibt. Auch Friedrich Merz traut sich nicht, die Stunde, in der die Kanzlerin Schwäche zeigt, auszunutzen. Laschet setzt auf die Fortsetzung des Merkelschen Regierungsstils und würde nicht putschen. Damit zeigt sich, so Alexander, dass die CDU über keine Persönlichkeit verfügt, die das Charisma besitzt, um sich der ewigen Kanzlerin entgegenzustellen. „Machtverfall" ist die Fortsetzung von Alexanders erstem Buch „Die Getriebenen. Merkel und die Flüchtlingspolitik". Er schreibt flüssig, lässt die Akteure lebendig werden. Er berichtet vom Ablauf der Ereignisse, nimmt die Leser mit in die Mitternachts-Videokonferenzen mit den Ministerpräsidenten und spart nicht an Details. Das Buch wirkt authentisch, es liest sich anders als viele andere Politik-Bücher eher wie ein Krimi. Es ist als Augenblicksaufnahme gedacht, eine Bilanz der Ära Merkel wird später zu ziehen sein.