Auch zur zweiten Bundesligapause hat Hertha BSC weiterhin mit vielerlei Problemen zu kämpfen. Dennoch sind für den Hauptstadtverein nun möglichst kurzfristig Punkte gefordert, wenn die gesetzten Ziele erreicht werden sollen.
In Pal Dardais erster Amtszeit bei Hertha BSC waren über 20 Punkte in einer Hinrunde kein Thema: 2015/16 holten die Blau-Weißen unter der Regie des Ungarn bis Weihnachten satte 32 Zähler – danach ließ die Ausbeute im ersten Saisonabschnitt zwar kontinuierlich nach, doch 2018/19 waren es immer noch 24. Da hatte sich die Anhängerschaft der Blau-Weißen jedoch bereits daran gewöhnen müssen, dass ihr Team in der Rückrunde jede noch so gute Ausgangsposition verspielt – und begegnete dieser Tatsache längst mit Galgenhumor. Blickt man auf die aktuelle sportliche Situation der Alten Dame, dann ist die beschriebene Vergangenheit jedoch nur mit „Jammern auf hohem Niveau" zu beschreiben. „Um ein vernünftiges Weihnachten zu haben, brauchen wir über 20 Punkte", sprach Herthas Trainer nach der 1:2-Heimniederlage gegen Freiburg vor zwei Wochen. „Dafür haben wir genügend Spiele." Mit dem Auftritt bei Eintracht Frankfurt an diesem Wochenende (Samstag, 15.30 Uhr) sind es genau gesagt noch zehn Partien bis zum Abschluss der Hinspiel-Serie. In dieser Zeit müsste die Mannschaft von Hertha BSC also mehr als 14 Punkte zu den bisherigen sechs sammeln, theoretisch also zum Beispiel jedes zweite Spiel gewinnen. Klingt nach einer nicht unmöglichen Aufgabe – gerade wenn man bedenkt, dass zwar nur zwei von den ausstehenden Gegnern (Augsburg und Bielefeld) hinter dem Tabellen-14. liegen und auch nur zwei den aktuellen „Top 6" (Leverkusen und Dortmund) der Bundesliga angehören. Aber: Was ist schon berechenbar in den letzten Jahren bei Hertha BSC? Mit 19 und 17 Punkten blieb man etwa in der Hinserie der beiden vergangenen Spielzeiten jeweils unter der Marke von 20 plus. Legt man den bisherigen Schnitt 2021/22 zu Grunde, würden Dardais Schützlinge sogar nur auf maximal 15 Zähler unter dem Weihnachtsbaum kommen. Das verdeutlicht, wie ernst die Situation einmal mehr bei Hertha BSC ist. „Wir haben erst sechs Punkte und fünf Spiele verloren, das ist zu viel", mahnt daher auch Sportvorstand Fredi Bobic. „Da sind wir ein, zwei Spiele in Rückstand." Fakt ist, dass die Mannschaft von Hertha BSC vieles besser machen muss, wenn der Verein ein beschauliches Weihnachtsfest verbringen soll. Das Ziel von über 20 Punkten zum Ende der Hinrunde setzt dabei voraus, dass sich diese Besserung in deren weiterem Verlauf quasi automatisch einstellt. Der Kader ist jedoch wieder einmal ziemlich umgekrempelt worden und das auch noch während der bereits begonnenen Saison – sein Zusammenwachsen wird also aktuell noch unbestimmbare Zeit brauchen. Parallel muss jedoch kurzfristig so viel sportlicher Ertrag erzielt werden, dass Ruhe einkehren kann – in einem Umfeld, dem zuletzt bereits viel versprochen und Geduld abverlangt wurde.
Nur sechs Punkte aus sieben Spielen
Ein solcher Aufwärtstrend setzt allerdings voraus, dass die vorhandenen Spieler auch in ein Gesamtgefüge passen – was den Verantwortlichen schon in den vergangenen zwei Jahren zuvor nicht wirklich gelungen war. Der Vertrauensvorschuss in die Fähigkeiten des neuen Sportvorstands ist hier gewaltig. Ohne Rücksicht auf etwaige kurzfristige Erfolge hat sich Fredi Bobic getreu seinen Prinzipien von einigen Spielern getrennt. Die Neuzugänge haben mit Ausnahme von Suat Serdar zunächst einmal für wenig Euphorie bei ihrer Bekanntgabe sorgen können. Der frühere Schalker ist auch am ehesten derjenige unter ihnen, der gewisse Erwartungen bereits erfüllt hat. Serdar ist mit seinen 24 Jahren aber auch noch einer, der in Berlin weiter wachsen muss – und dessen Leistungskurve schon bei den „Königsblauen" im Druck des Abstiegskampfs nach unten zeigte. Die anderen Verpflichtungen konnten sich hingegen noch gar nicht wirklich beweisen: Verletzungen beziehungsweise Fitnessprobleme bremsten Kevin-Prince Boateng (5 Einsätze, 0 über 90 Minuten), Stevan Jovetic (4/0) oder Myziane Maolida (2/0), Marco Richter (7/0) erfüllte bisher nur die Anforderung eines Ergänzungsspielers und Ishak Belfodil (4/0) fand im Sturm bislang noch gar keine Bindung zum Spiel. Jurgen Ekkelenkamp (3/0) feierte dazu gegen Fürth zwar einen Traumeinstand, konnte den ersten Eindruck dann aber nicht bestätigen. Gut möglich also, dass auch die Neuzugänge – im besten Fall – noch etwas länger zur Eingewöhnung brauchen werden.
Auch eine zumindest überdurchschnittlich erscheinende Verletzungsquote behinderte bislang die Entwicklung des Hertha-Kaders. Niklas Stark ist unter den Abwehrspielern etwa der einzige, der alle sieben Bundesligaspiele absolvieren konnte. Lukas Klünter (bislang nur drei Einsätze) und Jordan Torunarigha (2) waren hier besonders betroffen, aber auch Kapitän Dedryck Boyata (5) sowie Marton Dardai (4) und der ordentlich debütierende Linus Gechter (2). Die Problematik gestaltete sich zwischenzeitlich so groß, dass Herthas Trainer sogar gegen sein Prinzip verstieß, nur vollständig genesene Spieler einzusetzen. So ließ Pal Dardai zuletzt Boyata gegen Freiburg spielen, obwohl der erst drei Tage zuvor wieder ins Training eingestiegen war – „Dedryck hat sich geopfert", formulierte es der Übungsleiter nach der Partie ebenso treffend wie bedenklich. Der 30-Jährige fuhr anschließend dennoch ebenso zur belgischen Auswahl wie Jovetic zur montenegrinischen – beide standen ihrem Verein schon einmal nach einem Trip unter vergleichbaren Bedingungen anschließend verletzungsbedingt nicht zur Verfügung. Neben den Abwehrproblemen (schon 20 Gegentore) gibt es dazu aber auch offensiv Verbesserungsbedarf bei den Berlinern: Nur dreimal hat bislang ein Stürmer des aktuellen Kaders für die Blau-Weißen getroffen – weshalb auch in diesem Bereich große Hoffnung in einen Rekonvaleszenten gesetzt wird: Krzysztof Piatek, der nach viereinhalb Monaten Zwangspause gerade mal zwei Jokereinsätze absolviert und dabei ein Tor erzielt hat. Es ist diese von Schwierigkeiten durchzogene Gesamtsituation bei Hertha BSC, die die Zweifel an einer baldigen Besserung – geschweige denn an einem perspektivisch erfolgreichen Aufbruch – einfach nicht vertreiben kann. In dieser Atmosphäre müssen Team und Trainer nun in den kommenden Wochen weiter an Fortschritten arbeiten und gleichzeitig ausreichend Punkte liefern. Der nächste Gegner hat dabei zwar bislang sogar einen Sieg weniger als Hertha vorzuweisen – den feierte Eintracht Frankfurt jedoch erst am vergangenen Spieltag bei den Bayern.