Nur wenige Fußballer halten einem Verein über mehrere Jahrzehnte die Treue. Der Club der „One-Club-Men" ist überschaubar − aber mit Thomas Müller, Paolo Maldini und Co. gut besetzt. Auch zwei Saarländer sind auf dem besten Weg, ein Teil davon zu werden.
Wohl niemand steht so sehr für den FC Bayern München wie Thomas Müller. Der gebürtige Oberbayer ist das personifizierte Vereinsmotto „Mia san mia", seit mehr als einem Jahrzehnt unumstrittener Leistungsträger des Rekordmeisters und überzeugt zudem in seiner Paraderolle als bodenständiger Publikumsliebling. Dabei hätte es auch anders kommen können. Zumindest, wenn es nach Jürgen Klinsmann gegangen wäre. In seiner wenig erfolgreichen Zeit als Bayern-Coach verhalf Klinsmann Müller zwar im August 2008 zum Einstand in der Bundesliga, zweifelte aber an dessen endgültigem Durchbruch. Stattdessen willigte Klinsmann ein, das damals 19-jährige Talent an die TSG Hoffenheim zu verkaufen. „Er sagte, für mich sei in der Mannschaft sowieso kein Platz", erinnerte sich Müller Jahre später an die Worte seines Vorgesetzten. Einzig Bayerns U23-Trainer Hermann Gerland wehrte sich gegen den sich anbahnenden Transfer und hatte letztlich Glück, dass die TSG zu knauserig war. Die geforderten drei Millionen waren den Hoffenheimern zu viel, sie winkten dankend ab und mussten aus der Ferne dabei zusehen, wie Müller schließlich bei den Bayern zur Weltkarriere ansetzte.
Mindestens zehn Jahre beim Verein
Mit nun 32 Jahren im Herbst seiner Laufbahn angekommen, ist es schwer vorstellbar, dass Müller jemals ein anderes Vereinstrikot als das des FC Bayern überstreifen wird. Sportlich ist der „Raumdeuter" mit seiner ebenso erfolgreichen wie unkonventionellen Spielweise noch immer über jeden Zweifel erhaben, in der Mannschaft als Führungsfigur unumstritten. Kein Wunder, dass der damalige Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge schon vor einer geraumen Zeit einen klaren Blick in die Zukunft wagte: „Ich habe das Gefühl, dass Thomas den FC Bayern nie verlassen wird. Und wenn Thomas eines Tages aufhört, möchten wir ihn auch gerne in den Verein einbinden."
Thomas Müller ist auf dem besten Weg in den exklusiven Club des sogenannten One-Club-Men. Dort versammeln sich Kicker, die ihre gesamte Profikarriere von mindestens zehn Jahren bei einem einzigen Verein verbracht haben. Diese Liste reicht von international weitgehend unbekannten Kickern wie dem Albaner Vasil Ruci, der seine gesamte Laufbahn von 1976 bis 1993 bei Flamurtari Vlora verbrachte, bis hin zu prominenteren Namen wie
Paolo Maldini (25 Jahre AC Mailand), Jürgen Croy (17 Jahre Sachsenring Zwickau) und natürlich Francesco Totti, der seinem Heimatclub AS Rom treu blieb, bis er 2017 mit 40 Jahren seine Schuhe an den Nagel hängte. Dabei gehört zu Tottis Geschichte auch ein heftiger Flirt mit Real Madrid im Jahre 2004. Es war die Zeit der „Galaktischen", als sich Real Jahr für Jahr mit spektakulären Neuzugängen wie Zinédine Zidane, David Beckham oder Luis Figo verstärkte und eine bis dahin ungekannte Verschmelzung von Fußball und Show anstrebte. Totti kam ernsthaft ins Überlegen: „Ich war entschlossen, zu Real zu gehen, die Verhandlungen waren ziemlich weit. Der Vertrag überzeugte mich aber nicht endgültig, dazu kamen Herzensfragen, und ich blieb bei der Roma." Letztlich brachte es Totti auf mehr als 800 Einsätze mit mehr als 300 Treffern für seinen Herzensverein. Auch Ryan Giggs hat einen Club, bei dem er seine ganze Karriere verbrachte: Manchester United. Fast 1.000-mal lief der Waliser für United auf, bildete dort eine innige Einheit mit Trainerlegende Sir Alex Ferguson und gewann Titel um Titel. Giggs’ jüngster Titel ist ein ziemlich besonderer. Im vergangenen Jahr verlieh ihm Athletic Bilbao den One-Club-Award. Seit 2015 vergibt der baskische Spitzenclub diesen Preis an Spieler – seit 2019 auch an Spielerinnen -, die ihrem Verein stets treu geblieben sind, um damit im Profifußball verloren scheinende Werte wie Loyalität und Respekt zu betonen. Erster Träger des One-Club-Awards war Matthew Le Tissier, der ausschließlich für den FC Southampton auflief. Le Tissier war bekannt für spektakuläre Traumtore und die Lebensversicherung seines regelmäßig gegen den Abstieg spielenden Arbeitgebers. Offerten aus London, Manchester und Liverpool lehnte „Le God" stets ab und vergab damit wohl auch die Gelegenheit auf eine größere Rolle im englischen Nationalteam. Umso mehr verehrten und verehren ihn die Anhänger des FC Southampton. Auch die Liste von Le Tissiers Nachfolgern als Preisträger des „One-Club-Award" ist Musik in den Ohren von Fußballnostalgikern. Ihm folgten Paolo Maldini, Sepp Maier (FC Bayern), Carles Puyol (FC Barcelona), Celtic Glasgow-Ikone Billy McNeill und zuletzt eben Ryan Giggs.
Vielleicht wird irgendwann auch Jonas Hector diese Ehre zuteil. Hectors große Liebe ist der 1. FC Köln, die launische Diva vom Rhein, die es ihren Verehrern mit ihren Stimmungsschwankungen nicht immer leicht macht. Seit 2010 ist Hector in Köln, schaffte 2012 den Sprung zu den Profis des FC und schließlich den in die deutsche Nationalmannschaft. Hectors Karriere ist eine, wie sie heute gar nicht mehr vorgesehen ist. Denn eines der hochgepriesenen Nachwuchsleistungszentren hat der gebürtige Saarländer seinerzeit nicht von innen gesehen und sich stattdessen über den SV Auersmacher für höhere Aufgaben empfohlen. Entsprechend dankbar ist und war Hector über die Chance, die ihm der 1. FC Köln geboten hat. Wie sehr sich Hector mit dem Club und der Stadt identifiziert, wurde spätestens nach dem Abstieg aus der Bundesliga im Frühjahr 2018 sichtbar. Der damals 28-Jährige widerstand dem branchentypischen Reflex, sich für gutes Geld einem besser aufgestellten Verein anzuschließen und ignorierte die Vielzahl lukrativer Angebote. Hector entschied sich stattdessen für sein Herz sowie den Verbleib in der Domstadt. Für ihn selbst war diese Entscheidung gar nicht schwer, wie er kurz darauf nüchtern im Interview mit der „Westfälischen Allgemeinen Zeitung" erklärte: „Meine Freundin, meine Freunde und meine Familie fühlen sich wohl in Köln, ich fühle mich extrem wohl im Verein und in der Stadt. Daran möchte ich derzeit nichts ändern. Den Druck, für mein persönliches Glück in der Nationalmannschaft und in der Champions League spielen zu müssen, habe ich mir nicht auferlegt." Längst ist Hector Kapitän der „Geißböcke", und es ist nur schwer vorstellbar, dass er seine Schuhe einmal für einen anderen Verein schnüren wird.
One-Club-Award für Vereinstreue
Hector ist nicht der einzige Saarländer, der am Rhein zur Vereinsikone wurde. Denn beim Kölner Erzrivalen Borussia Mönchengladbach gehört Patrick Herrmann längst zum Inventar. Als 17-Jähriger machte er sich auf, wechselte vom 1. FC Saarbrücken an den Niederrhein und brauchte nicht lange, um zu verstehen, welche Spiele für den Verein besonders wichtig sind. Gegenüber dem Borussia-Fanportal „gladbachlive.de" äußerte Herrmann recht unmissverständlich: „Für mich haben die Duelle gegen Köln die größte Bedeutung in der Saison, das sind ganz besondere Spiele. Wenn Derby ist, liegt eine besondere Spannung in der Luft." Herrmann lässt keinen Zweifel aufkommen, dass Mönchengladbach für ihn mehr ist als nur ein Arbeitgeber. Seinen im November 2019 geborenen Sohn machte er umgehend zum Mitglied und auf die eigene Zukunft angesprochen, hat der 30-Jährige klare Vorstellungen: „Wenn es nach mir geht, wechsele ich auch nicht mehr den Verein. Ich könnte mir gut vorstellen, nach der Karriere einmal als Jugendtrainer bei Borussia zu arbeiten." Dabei hatte Herrmann das Ende seiner Gladbacher Zeit schon recht klar vor Augen. Der damalige Trainer Dieter Hecking wollte den 2019 auslaufenden Vertrag nicht verlängern, sodass sich Herrmann bereits nach Alternativen umsah. Erst ein Trainerwechsel „rettete" den Wahl-Rheinländer, Marco Rose wollte den Flügelstürmer unbedingt halten und ließ dessen Kontrakt um gleich drei Jahre verlängern. Für Herrmann war das laut eigener Auskunft „wie Weihnachten und Ostern zugleich." Und vielleicht feiert Herrmann Ostern und Weihnachten ja künftig mit Thomas Müller – gemeinsam im exklusiven Club der „One-Club-Men".