Camping boomt, doch Wohnmobile sind sehr teuer geworden. Die günstige Alternative: ein gebrauchter Wohnwagen. FORUM hat die Ur-Form des Caravanings getestet.
Mit gemütlichen 90 Stundenkilometern fahren wir mit unserem Wohnwagen über die Autobahn, immer dem Meer entgegen. „Gute Reise in Eurem Schneckenhäuschen!“ rief uns eine Freundin hinterher. Nur den Berufskraftfahrern gefällt unser Kriechtempo nicht so gut. Mit ihren schweren Lkw drängeln sie ungeduldig von hinten. Beim Überholen wackelt unser ganzes Gespann, so stark sind die Luftverwirbelungen.
Wohnwagen-Fahren ist anstrengend und braucht Übung, das lerne ich schnell. Für die Sommerferien haben wir uns spontan einen gebrauchten Caravan gekauft. Ein Campingurlaub geht immer, dank niedriger Corona-Zahlen öffneten die Stellplätze europaweit.
Im Trend ist Camping nicht erst seit der Pandemie. Vor allem Wohnmobile boomen: Mit 78.055 Neuzulassungen registrierte der Caravaning Industrie Verband (CIVD) 2020 ein Plus von fast 45 Prozent. Doch neue Wohnmobile sind teuer. Auch die Preise für gebrauchte Camper seien stark angestiegen, meldete die „Automobilwoche“. Besonders deutlich falle der Aufschlag bei Wohnmobilen aus, die älter als acht Jahre sind: Sie kosteten auf Gebrauchtwagenportalen im Schnitt über 34.000 Euro.
Die günstige Alternative heißt Wohnwagen. In meiner Kindheit, ich komme aus dem Ruhrgebiet, waren die Gespanne vor allem aus Holland im Sommer massenhaft auf den Straßen unterwegs. Heute scheint die klassische Art des Caravan-Urlaubs vom Wohnmobil-Hype verdrängt.
Außen Vergilbt, innen gepflegt
Dabei hat so ein Wohnwagen viele Vorzüge. Gebrauchte fahrbereite Exemplare finden sich schon ab etwa 3.500 Euro. Wir entdecken unseren am Berliner Stadtrand, wo ihn ein Privatmann verkauft. Das Gefährt ist ein Wilk 450 Deluxe von 1992 und mit einer Aufbaulänge von rund fünf Metern eher kompakt. Okay, die weiße Außenhaut ist etwas vergilbt. Doch innen wirkt alles gepflegt. Kühlschrank, Gasherd, Toilette mit Waschbecken – der Verkäufer führt uns alle Funktionen vor. Regendicht sei der Wohnwagen auch, versichert er. Zumindest riecht es nicht muffig, Wasserflecken an der Decke sind auch nicht zu erkennen. Wir gehen das Risiko ein und kaufen das Teil.
Los geht es dann an einem heißen Julinachmittag, von Berlin Richtung Südfrankreich. Zugfahrzeug ist unsere alte Mercedes E-Klasse. Dank Klimaanlage reist es sich angenehm, unser siebenjähriger Sohn liest hinten Comics.
Erste Zwischenstation ist ein Familien-Campingplatz an der Elbe bei Magdeburg. Unter Beobachtung der Nachbar-Camper rangiere ich unseren alten Wilk 450 an seinen Platz. Und zwar mit zwei Fingern auf der Fernbedienung: Ein Vorbesitzer ließ nämlich nachträglich eine Rangierhilfe installieren. Mit solch einem Mover lässt sich ein tonnenschwerer Wohnwagen per Elektromotor kinderleicht einparken.
Neue Einsteiger-Wohnwagen gibt es schon ab etwa 10.000 Euro, das ist ein Bruchteil von den Anschaffungskosten eines Wohnmobils. Zudem sind die Unterhaltskosten deutlich geringer. Ein Wohnmobil hat eben Motor, Getriebe und andere Bauteile, die gewartet werden müssen. Kfz-Steuer und Versicherung kosten deutlich mehr. Beim Wohnwagen ist das Fahrwerk überschaubar. Es gibt die Faustregel, dass bei einem Wohnmobil und einem Wohnwagen gleicher Länge letzterer immer deutlich mehr Platz zum Wohnen bietet, weil Cockpit, Motor et cetera wegfallen. Unser Wilk 450 hat ein großes Festbett, die Sitzecke mit Tisch lässt sich mit wenigen Handgriffen zu einem weiteren Bett umbauen. Trotz der Enge halten wir es drei Wochen lang gut miteinander aus, aber im Sommer verbringt man ja auch viel Zeit draußen.
Was wir in unserem ersten Wohnwagen-Urlaub auch genießen: die Flexibilität am Ferienort. Mit großen Wohnmobilen kann man nicht einfach mal so zum Strand oder zur Eisdiele fahren. Selbst auf großen Supermarktparkplätzen gerät man mit den weißen Riesen schnell ins Schwitzen. Im Wohnwagen-Urlaub bleibt der Anhänger einfach auf dem Campingplatz. Zu Ausflügen und Einkäufen fahren wir entspannt mit dem Pkw.
Stellplätze nur für Wohnmobile geschaffen
Dafür sind Wohnmobile beim Reisen selbst praktischer. Für sie wurden die Wohnmobilstellplätze geschaffen – Orte mit oft einfacher Infrastruktur, auf denen man auf der Durchreise übernachten kann. Gerade in Frankreich, aber auch in Deutschland gibt es unzählige von diesen Stellplätzen. Als Wohnwagen-Fahrer darf man diese meist nicht ansteuern. Auch kann man sich mit einem Caravan-Gespann nicht einfach an den Waldrand oder auf eine Wiese stellen wie es Kleinbus-Fans gern tun. Wildcampen ist mit einem Wohnwagen praktisch ausgeschlossen, man muss auf einen offiziellen
Campingplatz.
Und die sind in der Hauptsaison überfüllt. Individuelles Reisen mit Wohnmobil oder Caravan sei in Corona-Zeiten eben eine besonders sichere Urlaubsform, konstatiert der Branchenverband CIVD. So sind wir bei unserer spontanen Reise froh, überhaupt noch Campingplätze am Meer gefunden zu haben, wo wir mit unserem Wohnwagen einige Tage stehen konnten.
Nur Südfrankreich war uns dann doch zu weit. Ein Reisetempo von 90 km/h auf der Autobahn mag gemütlich sein, schnell voran kommt man so aber nicht. So wurde aus dem Atlantik spontan die Nordsee. Am friesischen Wattenmeer und am Sandstrand von Rømø hatten wir aber auch viel Spaß. Das ist das Schöne am Campingurlaub: Man lässt sich einfach treiben.