Nach dem famosen Saisonstart ist Aufsteiger Viktoria Berlin in der 3. Liga ein wenig ins Straucheln geraten. Nun reist das Team auch noch zu Tabellenführer 1. FC Magdeburg.
Vier Spiele in Folge sieglos – da kann man durchaus von einer kleinen Ergebniskrise sprechen. Benedetto Muzzicato weiß das natürlich, und deswegen reagierte der Trainer des so erfolgreich in die 3. Liga gestarteten Aufsteigers Viktoria Berlin auch sehr souverän, als ihn ein Journalist bei der Pressekonferenz mit einem nicht von der Hand zu weisenden Fakt konfrontierte: „Trotz aller Spielfreude: Sie müssen doch auch mal wieder punkten. Mit 17 Punkten steigt man ab.“ Muzzicato lächelte kurz und verteidigte dann seinen Fußball, der noch immer schön anzuschauen, aber seit ein paar Wochen nicht mehr ganz so erfolgreich ist.
„Das ist richtig“, sagte der Deutsch-Italiener freundlich in Richtung des Journalisten, „aber ich bleibe dabei, dass Mut am Ende belohnt wird.“ Und damit es auch überhaupt keine Missverständnisse gibt, betonte der Trainer seinen Standpunkt noch mal mit einem Versprechen: „Bei mir wird es keinen anderen Fußball geben.“ Seine Spielidee könne zwar immer mal wieder variieren, „aber ich bin fest davon überzeugt, dass man offensiv denken soll. Es werden auch wieder Spiele kommen, die wir auf unsere Seite ziehen.“
Die kommende Partie wird aber zumindest auf dem Papier die schwerste der Saison. Die Himmelblauen treten am Samstag (23. Oktober/14.00 Uhr) beim großen Aufstiegsfavoriten 1. FC Magdeburg an. Der FCM führt die Tabelle mit fünf Punkten Vorsprung souverän an, auch wenn das Team von Trainer Christian Titz beim jüngsten 3:2-Auswärtssieg beim SV Meppen etwas Glück benötigte. Viktoria muss sich aber nicht nur auf große spielerische Qualität beim Gegner einstellen, sondern auch auf eine ganz spezielle Atmosphäre vor rund 15.000 Zuschauern in der MDCC-Arena.
„In so einem Stadion vor so einem Publikum zu spielen, und dann gegen eine Mannschaft, die zu Recht da oben steht – das wird für viele Jungs wieder ein erstes Mal sein“, sagte Muzzicato. Er wolle bei seinem Team aber eher die Lust auf dieses Ereignis wecken, denn Viktoria hat in dieser Saison schon mehrfach bewiesen, dass es gegen Top-Clubs der Liga mindestens mithalten kann. Die Paarung der zwei besten Offensivteams der Liga verspricht auch für die Zuschauer ein Leckerbissen zu werden.
„Es treffen zwei Mannschaften aufeinander, die einfach ‚All-in‘ gehen, deswegen kann das ein sehr schöner Schlagabtausch werden“, meinte Muzzicato: „Ich freue mich drauf, wir freuen uns drauf – und die Fans können das auch tun.“ Er selbst erwarte „sehr viel von Magdeburg, weil es für die 3. Liga ein besonderer Fußball ist“. Schon beim Duell in der Vorbereitung habe er erkennen können, „dass das der Titz-Fußball ist“, berichtete Muzzicato. Der FCM-Coach habe bei den Magdeburgern einen „sehr mutigen, sehr variablen und sehr effektiven“ Spielstil installiert. „Sie versuchen, schönen Fußball zu zeigen und waren damit in der vergangenen Rückrunde sehr erfolgreich. Das führen sie jetzt fort“, sagte Muzzicato: „Da kommt einiges auf uns zu.“
Vor ein paar Wochen wäre das Spiel zumindest tabellarisch noch ein Duell auf Augenhöhe gewesen, doch die Formkurve der Kontrahenten zeigt inzwischen in entgegengesetzte Richtungen. Obwohl Muzzicato dem so nicht zustimmen würde, denn er betont: Die Form stimmt! Was fehlt, sind etwas Spielglück und die letzte Konsequenz vor dem eigenen und dem gegnerischen Tor. So wie auch bei der jüngsten 1:2-Heimniederlage gegen Zweitliga-Absteiger VfL Osnabrück, als die Berliner trotz einer über weite Strecken ansehnlichen Leistung ohne Zählbares den Rasen des mit 3.112 Zuschauern gefüllten Jahnsportparks verlassen mussten. Doch Muzzicato trotzte der Tristesse.
„Ich mache meiner Mannschaft lieber ein Kompliment, als dass ich über die verlorenen Punkte nachdenke“, sagte der Trainer bei der anschließenden Pressekonferenz. Die Augen verschließen werde er vor der kleinen Sieglos-Serie natürlich nicht: Darüber werde er sich auch Gedanken machen, „aber lieber alleine, wenn ich zu Hause bin“. Muzzicato weiß: Die Spieler müssen nun viel Zuspruch bekommen, damit sie nicht an sich und dem riskanten Spielstil zweifeln. „Es gilt, die Jungs nach dem Osnabrück-Spiel, in dem sie sich für ein gutes Spiel nicht belohnen konnten, ein bisschen aufzubauen“, so Muzzicato. Nur so könne man „mit viel Frische und Energie nach Magdeburg zu fahren“.
Mit dem ein oder anderen Spieler wird der Trainer sicher etwas intensiver sprechen müssen. Soufian Benyamina zum Beispiel war nach dem Osnabrück-Spiel mächtig geknickt, der Stürmer machte in entscheidenden Szenen eine unglückliche Figur. Beim Gegentor zum 1:2 ließ Benyamina Torschütze Sven Köhler aus den Augen, kurz nach dem Seitenwechsel vergab er eine Riesenchance zum Ausgleich nach Vorarbeit von Lucas Falcao. Und eine Gelbe Karte wegen wiederholten Foulspiels holte er sich auch noch ab.
Muzzicato wechselt auf der Torwart-Position
„Über Soufian brauche ich nicht viel sagen, er beschäftigt sich damit viel mehr als ich“, sagte Trainer Muzzicato, der seinen Angreifer verbal aufbaute: „Er hat trotzdem ein sehr engagiertes Spiel gezeigt.“ Auch die vergebene Großchance solle er so schnell wie möglich aus dem Gedächtnis streichen, denn: „Das passiert auch den Besten.“ Viele Fans fragten sich jedoch: Wäre das auch Tolcay Ciğerci passiert? Viktorias Topscorer (sechs Tore, fünf Assists) fiel wegen einer Entzündung im Fuß aus und wurde durch den unglücklich agierenden Benyamina ersetzt.
„Tolcay kann man in dieser Form nicht ersetzen“, gab Muzzicato zu. Vor allem dessen Einstellung, Präsenz und Qualität im letzten Drittel hätten gegen Osnabrück gefehlt. Ciğerci sei „ein Ausnahmespieler“ in der 3. Liga, den Muzzicato natürlich gerne gegen Magdeburg wieder aufbieten möchte. Ob er bis dahin fit wird? „Schau‘n mer mal“, antwortete Muzzicato in bester Beckenbauer-Manier. Doch selbst wenn der frühere Wolfsburger ausfallen sollte, wird Muzzicato dem Sturm-Trio Benyamina, Falcao und Enes Küc, der für ihn gegen Osnabrück „der beste Mann auf dem Platz“ war, ohne Einschränkung vertrauen. Denn Vertrauen ist wichtig für den riskanten Offensivstil der Himmelblauen.Genauso wie ein sicherer Rückhalt durch den Torhüter. Gegen Osnabrück nahm Muzzicato auf dieser sensiblen Position einen Tausch vor, für Philip Sprint begann Julian Krahl. Die Gründe für die Maßnahme habe man „im Spiel gesehen“, meinte der Coach, „Julian hat zwei-, dreimal fantastisch reagiert.“ Sprint habe seine Stärken ganz klar im Spielaufbau, „aber das ist in den nächsten Wochen eher zweitrangig“. Der bei RB Leipzig ausgebildete Krahl ist also vorerst die Nummer eins – zumal der 21-Jährige auch fußballerisch Fortschritte macht. „Er hat ein paar Drucksituationen mit dem Ball am Fuß super gelöst“, meinte Muzzicato: „Er ist noch ein sehr junger Torhüter, aber ich bin mir sicher, dass er eine starke Karriere machen wird.“
Das behaupten Experten auch vom Viktoria-Trainer selbst. Osnabrücks Coach Daniel Scherning outete sich nach dem Spiel als Fan des 43-Jährigen. „Muzzi, dir und deiner Truppe alles Gute“, sagte Scherning: „Du hast in mir auf jeden Fall einen Fan gefunden.“ Deswegen bleibt Muzzicato seinem Spielstil aber nicht treu. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass Mut und Offensive am Ende belohnt werden.