Nach der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern sprechen SPD und Linkspartei miteinander über eine Koalition. Für die CDU steht eine lange Zeit der Aufarbeitung des Wahldesasters in der Opposition bevor.
Ähnlich wie im Bund sollen nun auch in Mecklenburg-Vorpommern die Zeiten einer Großen Koalition beendet werden – nach 15 Jahren gemeinsamer Regierungszeit von SPD und CDU. Nach ihrem fulminanten Wahlsieg mit 39,6 Prozent, ganzen neun Prozent mehr als noch bei der Landtagswahl 2016, versucht die SPD im Nordosten Deutschlands eine Koalition mit den Linken aufzubauen. Dabei hatte Manuela Schwesig, die Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten, auch andere Möglichkeiten: Eine Neuauflage der Großen Koalition wäre, wie auch eine Ampel, also eine Regierung aus SPD, FDP und Grünen, rechnerisch möglich gewesen – jeweils sogar mit einer größeren Mehrheit. Schließlich entschied sie sich aber wohl aus inhaltlichen Gründen für Die Linke, die als Spitzenkandidatin Simone Oldenburg aufgestellt hatte. „In der Schulpolitik, Landesentwicklung und der sozialen Infrastruktur sind die Gemeinsamkeiten größer", fasste es Horst Kahrs, Wahlanalytiker der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Partei Die Linke nahesteht, für den „Tagesspiegel" zusammen.
Gespräche mit CDU waren erfolglos
Sondiert hatte die SPD zunächst auch mit der CDU, doch diese konnte bei den gemeinsamen Gesprächen auf der Ostseeinsel Rügen aber nicht überzeugen. Auch wenn über die konkreten Gesprächsinhalte geschwiegen wurde, kann man davon ausgehen, dass verschiedene Faktoren zum Scheitern der Verhandlungen führten: Eine wesentliche Forderung der SPD in Mecklenburg-Vorpommern, das Tarif-Treue-Gesetz, welches von Unternehmen für öffentliche Aufträge Tariflohn für die Beschäftigten fordert, war schon in der vergangenen Legislatur ein Streitthema bei den Parteien. Die CDU als kleiner Koalitionspartner der ehemaligen Regierung von Ministerpräsidentin Schwesig blockte alle Vorstöße für ein solches Gesetz. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Position in der Zwischenzeit verändert hat, während Die Linke das Gesetz unterstützt. Ein anderer Grund dürften die Folgen des verheerenden Wahlergebnisses der CDU im Nordosten sein. Mit 13,3 Prozent, einem Minus von 5,7 Prozent zu 2016, erzielte sie mit großem Abstand das schlechteste Ergebnis in ihrer Geschichte. In der Folge trat der Landesvorsitzende und Spitzenkandidat der Partei, Michael Sack, nur einen Tag nach der Wahl zurück und verzichtete auf sein Mandat im Landtag. Wer dieses Loch nun füllen soll, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Philipp Amthor, dessen Name für die Nachfolge immer wieder ins Spiel gebracht wird, dürfte ebenfalls ein Problem für den möglichen Koalitionspartner SPD gewesen sein. Seine Hypothek: die Affäre rund um Augustus Intelligence, für die Amthor lobbyierte. Doch schon vor der Wahl betonte Schwesig, dass sie eine Regierung am liebsten mit nur einem Partner aushandeln will – also schon im Vorfeld eine Absage für die Ampel-Koalition.
Für eine rot-rote Regierung gäbe es einiges aus dem Schweriner Schloss heraus zu erledigen: Ein großes Thema wird der Tourismus im Ostsee-Bundesland spielen. Touristische Großprojekte sollen künftig der Vergangenheit angehören. Dagegen regt sich zunehmend Widerstand aus der Bevölkerung. Stattdessen wollen SPD und Linke auf Qualität setzen. „Das heißt, pro Platz, pro Tourist mehr Einnahmen, mehr wirtschaftliche Kraft im Land entfalten", so SPD-Verhandlungsführerin Manuela Schwesig gegenüber dem Norddeutschen Rundfunk (NDR). Kulturtourismus, Fahrradtourismus und das Feld Jugendtourismus sollen dabei gezielter gefördert werden. Um diese Transformation zu koordinieren, sprechen sich die beiden Parteien für die Schaffung der Position eines Tourismusbeauftragten in dem Bundesland aus und wollen ein Landestourismusgesetz schaffen. Auch der Industriestandort soll in Zukunft weiter unterstützt werden. Um Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen, die industrielle Transformation zu stemmen, Zulieferer und Schiffswerften noch besser miteinander in Ausgleich zu bringen, möchten Schwesig und Simone Oldenburg von den Linken einen maritimen Koordinator in Mecklenburg-Vorpommern einstellen. Im besten Fall soll dieser den Werften auch bei der Aufstellung einer zukunftsfesten Produktpalette helfen. Ohne sich neu zu verschulden, sollen zusätzlich 1,8 Milliarden Euro für die Digitalisierung von Stadt und Land bereitgestellt werden. Zusätzlich soll das Land bis 2035 seinen ganzen Energiebedarf über nachhaltige Quellen wie Wind- und Solarenergie decken.
„Sozialistische Revolution ist nicht zu erwarten"
Wie das aber alles finanziert werden kann, ist bisher ungeklärt. Deswegen regt sich Kritik. Neben der AfD, mit 16,7 Prozent der Stimmen größte Oppositionspartei im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, und der CDU sieht auch der Bund der Steuerzahler in Mecklenburg-Vorpommern manche Forderungen der beiden Koalitionäre bisher kritisch. Zu den neu zu schaffenden Jobs maritimer Koordinator oder Tourismusbeauftragter meint die stellvertretende Landesvorsitzende der Organisation Diana Behr: „Es muss sichergestellt sein, dass es hier nicht um die Versorgung mit Posten geht, sondern um einen echten Zusatznutzen. In Bezug auf die Werften bedarf es bei einer reinen Fortführung der bisherigen Subventionspolitik, sicherlich keines zusätzlichen Postens. Hier braucht es Mut, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, um die maritime Wirtschaft langfristig wettbewerbsfähig zu gestalten." Gleichzeitig begrüßt der Bund der Steuerzahler das frühe Bekenntnis zur Schuldenbremse und das ebenfalls erfolgte Versprechen zur Schuldentilgung des Bundeslands. Von der Partei Die Linke fordern sie jedoch noch mehr: eine deutliche Abkehr von „absurden Versprechungen" im Landeswahlprogramm. Explizit genannt wird der Wunsch nach einer Corona-Prämie in Höhe von 10.000 Euro für Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Eine andere Forderung an beide Koalitionäre betrifft eine nachvollziehbare Haushaltführung in der anstehenden Legislatur. „Vor allem in Bezug auf eine transparente Haushaltsführung ist im Vergleich zur bisherigen Regierungsführung noch deutlich Luft nach oben", so Behr. Auch wenn noch viele Fragezeichen bleiben, bis der Koalitionsvertrag ausgearbeitet ist, ist der weitere Fahrplan schon klar. Laut der Verfassung in Mecklenburg-Vorpommern muss in einem knappen Monat, am 23. November, eine neue Regierung gewählt sein. Da SPD und Linke den Koalitionsvertrag jeweils noch von ihrer Basis auf einem Parteitag absegnen müssen, bleibt nicht mehr viel Zeit für die letzten offenen Themen und die Personalfragen. Diese wollten beide Parteien erst ganz am Ende ihrer Verhandlungen klären. Auch wenn, wie der Politologe Wolfgang Muno dem NDR sagte, eine sozialistische Revolution nicht zu erwarten sei, ist eine neue Regierung nach 15 Jahren Großer Koalition immer die Möglichkeit für neue Ideen und neue Ansätze. Was daraus wird, welche Projekte in die Tat umgesetzt werden und wie erfolgreich diese schließlich sind, muss die Zeit zeigen.