Faszinierend, brutal, verstörend, spannend und bis ins kleinste Detail inszeniert: Die südkoreanische Dramaserie „Squid Game" ist die Serien-Sensation des Jahres und auf Netflix zu sehen.
Die Geschichte um hoch verschuldete Menschen, die an tödlichen Kinderspielen teilnehmen, um ihre Schulden bezahlen zu können, ist einfach. Aber sie durchdringt die tiefsten Schichten des menschlichen Seins und stellt die richtigen Fragen: Kann man sich mit Geld alles erkaufen? Was ist ein Mensch noch wert, wenn er zu einem Objekt degradiert wird? Wie weit geht man, um sich selbst zu retten?
Nach dem oscarprämierten „Parasite" (2019) ist „Squid Game" („Tintenfischspiel") nun schon der zweite weltweite Erfolg einer südkoreanischen Produktion in relativ kurzer Zeit. Sowohl in „Parasite" als auch in „Squid Game" stehen Menschen im Fokus, die in ärmlichen Verhältnissen leben und eigentlich nichts haben. In „Parasite" kapert eine ganze Familie das Haus von reichen Leuten und in „Squid Game" steht sich eine Gruppe von Menschen gegenüber, die in ihrem Leben alles verloren haben und vor dem finanziellen Ruin stehen.
Der Mensch als Spielfigur
Ausgangspunkt der Handlung ist die Geschichte des von ständigen Geldsorgen geplagten Seong Gi-hun (Lee Jung-jae), der noch – beziehungsweise wieder – bei seiner gebrechlichen Mutter lebt. Man erfährt, dass er eine Tochter hat, die er allerdings kaum sieht. Viel mehr wird nicht bekannt über die Lebensumstände des Protagonisten, und das ist eine Eigentümlichkeit der Serie, die sich konsequent auch in anderen Charakteren widerspiegelt. Die Figuren bleiben holzschnittartig gezeichnet. Über ihren Background wird nur wenig bekannt. Alles bleibt vordergründig reduziert auf die Geldsorgen und die damit verbundene Hoffnungslosigkeit im Leben. Das ist jedoch keine Schwäche des Drehbuchs, sondern ganz bewusst eingesetzt, um den Fokus auf den Menschen als Spielfigur zu setzen, was in den tödlichen Spielen, die das zentrale Element von „Squid Game" darstellen, in dramatischer Weise zum Ausdruck kommen wird.
Um sich von Geldproblemen und brutalen Schuldeneintreibern zu befreien, versucht sich der verzweifelte Gi-hun an Glücksspielen. Eines Tages trifft er in einer U-Bahn-Station auf einen mysteriösen Mann, der ihm 10.000 Won (ca. sieben Euro) in Aussicht stellt, wenn Gi-hun das in Korea bekannte Kinderspiel Ddakji mit ihm spielt. Dabei handelt es sich um ein einfaches Wurfspiel mit gebastelten Papierquadraten, bei dem ein Spieler versucht, das am Boden liegende Quadrat seines Gegners mit seinem eigenen Wurfquadrat umzudrehen. Schafft er es nicht, gewinnt der Gegner die Runde. Nach dieser seltsamen Begegnung bekommt Gi-hun eine Karte mit einer Einladung zu einem Spiel, bei dem es anscheinend eine unglaubliche Menge Geld zu gewinnen gibt. Und wie er schon bald feststellen wird, ist er nicht der Einzige, der diese Einladung bekommen hat. Eingepfercht mit Hunderten weiteren Menschen, findet sich Gi-hun in einer großen Halle wieder, die sich als Vorhof zur Hölle herausstellt. Anfangs herrscht noch Vorfreude auf die bevorstehenden Spiele, die jedoch in blankes Entsetzen umschlägt, als während des ersten Spiels klar wird, was eine Disqualifikation zu bedeuten hat: Wer ausscheidet, wird getötet.
Insgesamt besteht das morbide Szenario aus sechs Kinderspielen, die vor allem in Korea bekannt sind. Wer am Schluss übrig ist, gewinnt einen geradezu irrwitzig hohen Geldbetrag. Die Spielteilnehmer werden von maskierten Personen in roten Kostümen überwacht. Mit jedem Spiel wird die Anzahl der Spielenden kleiner, und es wird schnell klar, dass es nur noch ums nackte Überleben geht. Das führt zu grausamen Konflikten zwischen den Teilnehmern.
Wer ausscheidet, wird getötet
Regisseur, Drehbuchautor und Ideengeber der Hitserie ist Hwang Dong-hyuk, dem es gelungen ist, ein geradezu ikonisches Universum an modernen Gladiatorenkämpfen zu inszenieren. Er schrieb sämtliche Folgen und saß auch bei jeder Folge auf dem Regiestuhl. Eine unglaubliche Willensleistung. „Squid Game" ist eine perfekt konstruierte Allegorie auf die menschenverachtenden Auswüchse, die eine kapitalistische Gesellschaft zutage fördert. Im Laufe der insgesamt neun Folgen stellt sich heraus, dass sowohl die Teilnehmer des Spiels als auch die anonymen Maskenträger Spielfiguren in einem noch perfideren Spiel sind, das sich im Hintergrund abspielt.
Am Schluss wird einiges aufgeklärt, aber viele Fragen bleiben unbeantwortet. Eines darf man schon verraten: Wenn man am Ende angelangt ist, will man die Serie noch einmal schauen und nach verborgenen Hinweisen suchen. Squid Game ist schon jetzt eine der besten Serien der letzten Jahre. Einer zweiten Staffel steht hoffentlich nichts im Wege.