Drei Fragen: „Eine Aufgabe, bei der alle gefordert sind"
Die neue Bundesregierung muss sich in den kommenden Jahren dringend um den Subventionsabbau aus der alten Industriegesellschaft kümmern, fordert der Präsident des Umweltbundesamtes, Prof. Dr. Dirk Messner.
Herr Messner, wo sollte die zukünftige Bundesregierung mit dem Subventionsabbau für das Klima anfangen?
Am schnellsten kann man auf der nationalen Ebene im Verkehrsbereich mit dem Subventionsabbau anfangen. Zum Beispiel bei der Privilegierung des Dieselbenzins, der Steuervorteil muss reduziert oder am besten ganz abgeschafft werden. Dann geht es zum Beispiel darum, das Dienstwagenprivileg abzuschaffen. Eine Subvention, die vor allem Besserverdienenden zugutekommt. Warum sollen einfache Bürger den Wohlhabenden dieses Landes Dienstwagen finanzieren, die obendrein das Klima schädigen? Dafür spricht nichts. Und auf der europäischen Ebene geht es vor allem um den Flugverkehr, um die Begünstigung von Kerosin. Dieser Subventionsabbau wird aber länger dauern, weil wir daran mit unseren europäischen Partnern zusammenarbeiten müssen.
Aber es gibt auch klimaschädliche Subventionen im ganz alltäglichen Bereich?
Ja. Da werden wir die Bürger unseres Landes ganz eng einbeziehen müssen, denn es geht um Lebensstile und um die Art, wie wir uns ernähren. Zum Beispiel subventionieren wir im Augenblick den Fleischkonsum durch einen niedrigen Mehrwertsteuersatz. Der ist aber ebenfalls klimaschädlich. Darum plädieren wir dafür, diese Förderung abzubauen und die freiwerdenden Mittel dafür zu benutzen, dass wir pflanzenhaltige Ernährung begünstigen. Das wäre klimaschonend und obendrein auch noch gesünder für die Menschen. Manche Leute hören das nicht so gerne, aber das ist nun mal Teil dessen, was wir brauchen, damit wir die Klimaneutralität in Deutschland realisieren können.
Das klingt reichlich ambitioniert. Müssten da nicht nur die Bürger mitspielen, sondern auch die Regierenden?
Natürlich ist das eine Aufgabe, wo alle gefordert sind. Also auch und gerade die Regierenden. Wir haben eine klare Problem- und Aufgabenanalyse gemacht, um die deutsche Klimaneutralität 2045 zu schaffen. Das muss jetzt Staatsräson und das oberste Ziel sein, dem sich alles andere unterordnen muss, sonst schaffen wir das nicht. Selbstverständlich kann bei der Umsetzung im Detail sich die ein oder andere Meinung durchsetzen, aber das große Ganze muss Ziel allen staatlichen Handelns sein. Interview: Sven Bargel
Ratlosigkeit wegen Inflation
Auch im Oktober hat die Inflationsrate in Deutschland mit 4,5 Prozent erneut einen Rekordwert erreicht. In Wirtschaft und Politik herrscht weitgehend Ratlosigkeit, wie man nun vorgehen soll. Hauptgrund für die Rekordinflation sind die explodierenden Energie-Preise. Dazu kommt die Rücknahme der gesenkten Mehrwertsteuer, die Einführung der CO2-Abgabe und Lieferengpässe. Der Präsident des Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) Marcel Fratzscher spricht in Anbetracht der Rekord-Inflation von Nachholeffekten, nachdem im vergangenen Jahr eine Null-Inflation herrschte, Produkte wurden durch die Mehrwertsteuersenkung sogar billiger. Bei Bundesbank und EZB geht man davon aus, das spätestens nach Weihnachten die Inflation wieder auf circa zwei Prozent runtergeht. Allerdings würden die Energie-Preise hoch bleiben.
EU-Position zur Klimakonferenz
Schon vor der großen Klimakonferenz COP26 in Glasgow steht die Position der Europäischen Union beim Klimaschutz fest. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb in einem Gastbeitrag im „Handelsblatt": „Es geht in diesem Jahrzehnt um alles oder nichts. Die Konferenz ist für mich dann ein Erfolg, wenn es uns als internationaler Gemeinschaft gelingt, das große gemeinsame Klimaziel zu halten." Noch reichen, nach von der Leyen, die nationalen Maßnahmen nicht aus. Um von europäischer Seite den Willen zum Handeln zu verdeutlichen, will sie sich mit US-Präsident Biden unter anderem zu einem geringeren Methanausstoß verpflichten.
Größte Schutzmaßnahme für Meere gescheitert
Die von Umweltexperten geforderte Einrichtung des größten Meeresschutzgebiets der Erde in der Antarktis wird um mindestens ein weiteres Jahr verschoben. Bei der 40. Konferenz der Antarktis-Kommission CCAMLR im australischen Hobart gelang wegen Widerstand von Russland und China erneut kein Durchbruch. Die Kommission lasse sich Jahr für Jahr von einzelnen „Bremserstaaten" vorführen, kritisiert Greenpeace-Meeresbiologin Sandra Schöttner die Blockade. China und Russland sähen in schmelzenden Polkappen lediglich Fischgründe, so die Expertin. „Klimakrise und Artensterben ignorieren sie völlig." Die Meere spielten eine zentrale Rolle beim Klimaschutz, würden aber zunehmend selbst zum Opfer der Klimakrise. Allein das antarktische Weddellmeer ist sechs Mal so groß wie Deutschland und Habitat und Rückzugsgebiet vieler Arten, die sich auf einen eisigen Lebensraum spezialisiert haben. Seit dem Jahr 2016 wird seine Ausweisung als Schutzgebiet regelmäßig beantragt.
Impfzentren reloaded
Aufgrund der zuletzt rapide steigenden Corona-Inzidenzzahlen erwägt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Reaktivierung diverser Impfzentren. Dadurch sollen Berechtigte schneller die Möglichkeit bekommen, ihre Coronaimpfung auffrischen zu lassen. So sagte er der „Rheinischen Post": „Um möglichst vielen möglichst schnell eine Auffrischungsimpfung zu ermöglichen, sollten die Länder die Impfzentren, die sie seit Ende September in Stand-by bereithalten, nun wieder startbereit machen." Zurzeit empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) Boosterimpfungen für Bürger ab 70 Jahren, Menschen mit geschwächtem Immunsystem und Pflegepersonal. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Gruppe Stück für Stück um weitere Personen ergänzt wird, wie es auch schon bei der ersten Coronaimpfung der Fall war.
Höherer Mindestlohn betrifft jeden Zehnten
Weniger als zwölf Euro die Stunde verdienen in Deutschland rund 8,6 Millionen Beschäftigte. Das geht aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung hervor. Vor allem Frauen würden von der Anhebung profitieren. Durch die von SPD, Grünen und FDP geplante Anhebung käme es zu deutlichen Lohnsteigerungen vor allem bei nicht tarifgebundenen Beschäftigten, so die Studie. Diese seien rund dreimal so häufig von Löhnen unter zwölf Euro brutto pro Stunde betroffen wie Beschäftigte, die nach Tarif bezahlt würden. Löhne unter zwölf Euro kommen am häufigsten im Einzelhandel, dem Gesundheitswesen, der Gebäudebetreuung, der Gastronomie und dem Sozialwesen vor. Hinzu kommen Hilfskräfte in Reinigung, Hauswirtschaft, Küchen und Logistik. Die Anhebung würde für die Beschäftigten ohne Tarif ein Plus von 4,1 Prozent bedeuten. Die Studie bewertet den neuen Mindestlohn als „gesamtwirtschaftlich sinnvoll". Langfristig würde die Wirtschaftsleistung um etwa 50 Milliarden Euro im Jahr steigen. Die Staatseinnahmen erhöhten sich demnach um rund 20 Milliarden Euro jährlich.
Wikileaks: Anschlagspläne geleakt
Im Rechtsstreit um eine mögliche Auslieferung von Julian Assange an die USA haben Vertreter des Wikileaks-Gründers Enthüllungen über angebliche Anschlagspläne eingebracht. „Es wurde darüber geredet, Herrn Assange zu töten, zu entführen oder zu vergiften", sagte der Anwalt des inhaftierten Australiers im Berufungsverfahren vor einem Gericht in London. Investigative Journalisten hatten vor wenigen Wochen unter Berufung auf ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter berichtet, der US-Auslandsgeheimdienst CIA habe Anschlagspläne auf Assange geschmiedet. Die Anschlagspläne sollen sich auf die Zeit beziehen, als sich Assange in der ecuadorianischen Botschaft in London aufhielt. Die USA fechten im laufenden Berufungsverfahren die Entscheidung an, die ein britisches Gericht im Januar getroffen hatte: Eine Richterin hatte das Auslieferungsbegehren mit Hinblick auf Assanges angegriffene psychische Gesundheit und die zu erwartenden Haftbedingungen in den USA abgelehnt. Die US-Justiz will dem 50-Jährigen wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft.
Kokain im Abwasser
Laut Zahlen der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) liegt Saarbrücken auf Platz neun der deutschen Städte mit dem meisten Kokain im Abwasser. Mit 168 Milligramm pro tausend Einwohner liegt der Wert dabei im Mittelfeld der durch die Studie untersuchten Städte. Spitzenreiter in Deutschland sind Hamburg gefolgt von Frankfurt mit über 400 Milligramm. Die Werte, die durch Stichproben über das Jahr verteilt ermittelt werden, sollen Aufschluss darüber geben, wie viele Drogen an einem Ort eingenommen werden. Für die Polizei ist es nämlich schwer zu erfassen, welche Drogenmengen wirklich konsumiert werden, da die Anzahl der jährlich sichergestellten Rauschmittel stark variiert. Die europäische Kokainhauptstadt ist laut der EBDD Zürich, dort wurde zehnmal mehr Kokain im Abwasser gemessen als in der Landeshauptstadt Saarbrücken. Neben Kokain wird das Abwasser außerdem auf Cannabis, Amphetamine, Methamphetamine und MDMA getestet.
Krankenhaus 2.0
Für die Träger der 20 saarländischen Krankenhäuser stehen mehr als 50 Millionen Euro an Fördermitteln zur Digitalisierung und dem Ausbau der Informationssicherheit zur Verfügung. Davon kommen 15,21 Millionen Euro vom Land, der Rest vom Bund. Gesundheitsministerin Monika Bachmann: „Digitalisierung bietet die große Chance für die Krankenhäuser, Prozesse effizienter und zielgerichteter zu gestalten und letztendlich zu einer Verbesserung der Patientenversorgung beizutragen." Gefördert werden können unter anderem Patienten-Portale, digitales Medikamentenmanagement, die Modernisierung von Notaufnahmen oder das Herrichten von Räumlichkeiten in Erwartung einer Pandemie. Insgesamt sind 83 Anträge zur Projektförderung eingegangen. Staatssekretär Stephan Kolling betont hierzu: „Dass im Durchschnitt von jedem Krankenhaus vier Anträge eingereicht wurden, zeigt uns den Nachholbedarf, der in der Vergangenheit durch zu knappe Mittel entstanden ist."
IG Metall: Stahl-Aktionstag
Mehr als 3.000 Menschen nahmen am Aktionstag der IG Metall in Dillingen teil, um auf die Sorge und Nöte der saarländischen Stahlindustrie aufmerksam zu machen. Die Aktion in Dillingen ist Teil eines bundesweiten Programms an 50 Standorten in der Bundesrepublik. Für die Beschäftigten der Branche geht es um mehr politische Rückendeckung während der derzeitigen Industrietransformation. Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall: „Es braucht milliardenschwere Investitionen in nachhaltige Produkte und Produktionsverfahren, um den CO2-Ausstoß zu senken und die Digitalisierung voranzutreiben. Entscheidend ist für uns, dass dabei die Menschen fest in den Blick genommen werden: Es bedarf erheblicher Zukunftsinvestitionen in Qualifizierung, die Chance auf eine zweite Ausbildung und belastbare Brücken in die neue Arbeitswelt." Gerade die ökologische Transformation, hin zu grünem Stahl und Innovationen wie E-Autos, macht der Branche in Deutschland zurzeit schwer zu schaffen.
Corona-Krise: Städtetag will Milliarden
Bis zu 20 Milliarden Euro hat der Deutsche Städtetag vom Bund und den Ländern gefordert. Damit sollen die Verluste in der Corona-Krise ausgeglichen sowie der Ausbau des Nahverkehrs vorangebracht werden. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, sagte: „Die Finanzkraft der Städte muss insgesamt gestärkt werden". So sollten außerdem die Regionalisierungsmittel des Bundes für den Schienenpersonennahverkehr von derzeit neun Milliarden Euro pro Jahr um 1,5 Milliarden Euro erhöht werden. Für eine Verkehrswende seien gute Verbindungen nötig. Jung sprach insgesamt von einem Investitionsrückstand in den Kommunen von rund 149 Milliarden Euro. Das Sondierungspapier von SPD, Grüne und FDP enthalte gute Ansätze, sagte er. Es müsse nun aber in den Koalitionsverhandlungen gelingen, konkret zu werden. In dem Papier steht etwa, dass eine Entlastung der Kommunen von Altschulden geprüft werde, und dass es zwischen Bund, Ländern und Kommunen Klarheit bei den Aufgaben und der Finanzierung brauche.
Halbleitermangel lässt Industrie straucheln
Der Mangel an Halbleitern macht der Industrie weiterhin schwer zu schaffen. Der Autozulieferer und Rüstungskonzern Rheinmetall will die Folgen des Chipmangels teilweise mit Einsparungen kompensieren. Für 2021 kalkuliert das Unternehmen nur noch mit einem Umsatzwachstum um die sechs Prozent, statt mit den vorher erwarteten bis zu neun Prozent. Ins Stocken geraten auch die Automobilhersteller, wie etwa Volkswagen: „Der globale Halbleiterengpass hat die Geschäftsentwicklung im dritten Quartal besonders belastet", teilte der Konzern kürzlich mit. Man rechne daher damit, dass die Auslieferungen im Gesamtjahr das Vorjahresniveau erreichen, hieß es in einer Mitteilung. Zuvor hatte der Konzern ein Absatzniveau in Aussicht gestellt, das deutlich über dem Vorjahresniveau liegt. Auch Daimler muss die eigene Produktion runterschrauben. Der Autobauer verkauft fast ein Drittel weniger Fahrzeuge als im Vorjahr.
SPD: Parteivorsitz unklar
Nachdem der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans seinen Rückzug angekündigt hatte, steht auch die Zukunft der Co-Vorsitzenden Saskia Esken infrage. Sie selbst hat signalisiert, ihr Amt gern behalten zu wollen; zugleich gilt sie als potenzielle Ministerin in einer neuen Ampel-Regierung. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat ihr nun nahegelegt, sich entweder für die Parteispitze oder einen Ministerposten zu entscheiden. Er meint, ein Ministeramt alleine sei schon anstrengend genug. Olaf Scholz selbst hat nach Walter-Borjans Ankündigung deutlich gemacht, dass er dessen Nachfolge an der Parteispitze der Sozialdemokraten nicht anstreben würde. Die SPD-Doppelspitze an sich hat sich in Mützenichs Augen aber bewährt. „Ich gehe davon aus, dass es weiterhin eine Doppelspitze ist", sagte der Fraktionschef. Bei Fragen nach möglichen Nachfolgern, wie Generalsekretär Lars Klingbeil und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, hielt er sich bedeckt. Schwesig lässt sich ihre Zukunft ebenfalls offen. Jetzt sei nicht die Zeit für Personaldiskussionen, erklärte sie. Walter-Borjans war 2019 gemeinsam mit Esken bei den SPD-Mitgliedern als Sieger einer aufwendigen Kandidatenkür hervorgegangen.