Verreisen im Elektroauto: ein Abenteuer oder neue Normalität? Auf jeden Fall immer ein Anlass, um unterwegs ins Gespräch zu kommen. Ein Selbsterfahrungsbericht.
Was waren die Sorgen im Vorfeld groß. Vor zugeparkten Ladestationen, Problemen beim Bezahlen und erst recht vor der elektrischen Kühlbox auf dem Rücksitz, die zusätzlich Strom zieht. Mit dem Elektroauto in den Urlaub fahren ist eben noch immer ein Abenteuer. Oder nicht?
Da ist es fast schon enttäuschend, dass der große Nervenkitzel zunächst ausbleibt. Knapp 1.400 Kilometer sind es bis Kroatien; bei spätsommerlichen Temperaturen und moderatem Fahrstil (120 km/h) schafft der Hyundai Kona auf der Autobahn locker 350 Kilometer pro Etappe. Dazwischen immer 30- bis 45-minütige Boxenstopps an der Raststätte, manchmal auch längere Pausen zum Spazierengehen. Erst im österreichischen Lienz zeigt sich, dass nicht etwa mangelnder Strom das Problem ist, sondern zu viel: Nach der Mittagspause will sich das Kabel partout nicht von der Ladesäule lösen. Auf ihrem Display steht: „Error".
Nach zehn Minuten erfolglosem Rütteln hilft nur noch die Hotline. „Normalerweise würden wir jetzt einen Techniker schicken", antwortet der Mann am anderen Ende der Leitung. „Aber heute ist Samstag. Da kann ich leider nichts machen." Und nun? Sollen wir im Auto übernachten? Der Hotline-Mensch schweigt. „Vielleicht", rät er schließlich, „können Sie den Ladevorgang am Auto beenden." Womit er am Ende Recht behält. Ein paarmal den Autoschlüssel drücken, schon lässt sich das Kabel manuell abziehen. Der Adrenalinspiegel ist trotzdem gestiegen.
Reise vor Antritt am Computer planen
Auf der Karawanken-Autobahn ist der kleine Dämpfer schnell wieder vergessen. „Neu: Mit E-Ladestation" steht auf den Schildern, die Raststätten ankündigen – leider so klein, dass man fast schon eine Lupe braucht, um den Hinweis zu erkennen. Oder eine Dashcam mit Zoomfunktion. Beides ist leider nicht an Bord. Das Navi hilft ebenfalls nur bedingt: Es zeigt zwar Ladestationen in unmittelbarer Nähe an, kann aber keine komplette Route mit Ladestopps planen. Weshalb die Reise vor Fahrtantritt am Computer geplant werden musste. Das sollte man tunlichst machen, um unterwegs nicht ins Schwitzen zu geraten. Denn so schnell der Ladesäulen-Ausbau auch vorangeht: Gerade in der Urlaubszeit kann eine Ladesäule schnell mal belegt, defekt oder von einem Auto mit Verbrennungsmotor zugeparkt sein.
Zwischenübernachtung in Ljubljana. Die slowenische Hauptstadt wurde 2016 zur Europäischen Umwelthauptstadt gewählt. Wo, wenn nicht hier, kommen E-Autos wohl auf ihre Kosten! Tatsächlich steht direkt auf dem Hotelparkplatz eine Ladesäule, sogar eine mit schnellem Gleichstrom, wie auf der Autobahn. Eine große Sonnenblume prangt auf der Verkleidung, womöglich ein Indiz, dass hier Sonnenenergie fließt. „Google Translate" bestätigt diese Vermutung; bei den meisten anderen Ladesäulen auf der Reise bleibt jedoch unklar, ob das E-Auto mit umweltfreundlichem Ökostrom oder mit Kohlekraft aufgetankt wird.
Dann der erste Rückschritt: Die Sonnenblume versagt ihren Dienst. Ob’s an der deutschen Ladekarte (EnBW) liegt oder an einem technischen Fehler? Unklar. „Da sind Sie nicht der Erste", sagt ein junger blonder Mann, der hinter der Rezeption hervoreilt. „Ich muss nur kurz den Chef anrufen. Mit seiner App kann er die Ladesäule aus der Ferne starten." Und wirklich: Fünf Minuten später blinkt die grüne Ladeanzeige, aktiviert wie von Zauberhand. Angenehmer Nebeneffekt: Für Hotelgäste ist der Strom kostenlos.
Doch schon der nächste Morgen beginnt wieder ernüchternd: nur vier Prozent mehr Strom im Akku. Hat die Säule einfach aufgehört zu laden oder hatte der Hotelchef nach ein paar Minuten genug? Auch diese Frage bleibt unbeantwortet. Zum Glück wird Ljubljana seinem Ruf als Öko-City gerecht, sodass im Stadtzentrum unzählige weitere Ladestationen bereitstehen. Während eines Stadtbummels lässt sich das Auto bequem nebenbei laden.
Herausforderung Haushaltssteckdose
Kaum ist das Kabel eingesteckt, eilt ein slowenischer Rentner herbei, um seine Hilfe anzubieten. „Sie brauchen dafür eine App", sagt er auf Deutsch. Womit er aber nicht Recht hat. Denn obwohl die EnBW-Ladekarte in Slowenien eigentlich gar nicht funktionieren sollte, fließt sofort Strom in den Akku. Der alte Mann lächelt, sichtbar stolz auf seine Stadt und den technischen Fortschritt. „Ich fahre auch Elektroauto, wissen Sie", erklärt er in kundigem Ton. Den kleinen Twingo auf dem Nachbarparkplatz? Da zuckt der Senior empört zusammen. „Einen Twingo? Ich fahre Porsche!"
Am nächsten Tag, kurz vor Kroatien, liegt Urlaub in der Luft: Vorm Grenzübergang verkaufen Händler Olivenöl, am Straßenrand blüht Oleander. Die Insektendichte auf der Frontscheibe nimmt merklich zu – und die der Elektroautos ab. Vor allem Verbrenner-SUVs mit deutschen und österreichischen Kennzeichen schlängeln sich nun über die engen Landstraßen, Schnellladesäulen sind deutlich rarer gesät. Für E-Mobilisten hängt also viel davon ab, ob am Zielort ein Stromanschluss existiert. Einige Campingplätze und Ferienwohnungen bieten so etwas inzwischen an, auch in unserem Fall.
Statt einer dafür vorgesehenen Wallbox hat der Vermieter aber nur eine normale Schuko-Steckdose zu bieten. Sie wackelt, ist von Lavendel überwuchert und wirkt insgesamt nicht sehr vertrauenerweckend. Aber ihren Dienst tut sie. 22 Stunden wird es dauern, bis der Akku von 50 auf 100 Prozent aufgeladen ist. „Sie haben ja Urlaub", sagt der Vermieter mit einem Schulterzucken. Und damit hat er schließlich auch Recht. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Elektro-Maul.
Bei einer Rundfahrt am nächsten Tag zeigt sich, dass auch in Kroatien die Lade-Infrastruktur wächst. In Pula steht eine Ladesäule direkt vor dem römischen Amphitheater. Eigentlich ist der Parkplatz voll, doch als der Pförtner das Summen des Konas hört, lupft er die Schranke: Für Stromer ist noch Platz. Die Ladesäule soll sogar kostenlos sein, verrät die englischsprachige Aufschrift. Blöd nur, dass nach dem Anstecken nichts passiert. Auch die Hotline kann aus der Ferne nicht weiterhelfen, schon zum zweiten Mal auf dieser Reise.
Mit etwas Planung klappt auch Urlaub
In der Ferienwohnung wäre das Laden kein Problem, aber was ist mit Urlaubern, die sich ohne einen solchen Anschluss durchschlagen müssen? Gibt es genügend öffentliche Lademöglichkeiten vor Ort? Laut Handy-App sollte eine Schnellladesäule vor einem nahegelegenen Autohaus den ersehnten Strom liefern – was stimmt, aber daran scheitert, dass sie zugeparkt ist. Ein Autohaus-Mitarbeiter erbarmt sich schließlich, den Parkplatz frei zu räumen, woraufhin ihn ein norwegischer BWM-Fahrer sofort wegschnappt. „Am Strand können Sie ebenfalls laden", weiß er zu berichten. „Da ist aber meistens belegt." Womit er Recht behalten soll: Zwei deutsche Stromer haben ihr Revier bereits abgesteckt.
Spannend wird es noch einmal auf der Rückfahrt, diesmal über Italien und die Schweiz. Ein Bio-Bauernhof am Comer See soll eine „Ladestation für Elektroautos" bieten, so jedenfalls die Ankündigung auf Booking.com. Vor Ort stellt sich jedoch heraus, dass es sich abermals um eine normale Steckdose handelt, in die der deutsche Stecker nicht passt. Doch alles kein Problem. Sofort eilt Kellner Luca mit einem Adapter herbei. Luca schwärmt für guten Wein, für Elektroautos und für niederländische Urlauberinnen, wie er ungefragt erzählt.
Zunächst aber ist der Kona aus Deutschland die große Attraktion. Fünf Minuten nach dem Einparken stehen zwei weitere Küchenhelfer auf dem Parkplatz. Und sind ebenso überrascht wie der Fahrer selbst: Urlaub im Elektroauto, das geht wirklich!