Nach einem Jahr Pause war es endlich soweit: Die elfte Günter Rohrbach Filmpreisverleihung fand wieder in Präsenz statt. Der große Gewinner des Abends wurde der Film „Fabian oder der Gang vor die Hunde".
Auch wenn Tom Schilling sich „total bewusst ist, dass Preise ein bisschen doof sind, weil es ganz viel mit Geschmack und mit Zeitgeist zu tun hat", wie er bei seiner Dankesrede von der Bühne der Gebläsehalle in Neunkirchen verkündet hatte – das Siegerlächeln konnte sich der Preisträger an diesem Abend trotzdem nicht verkneifen. Der 39-jährige Schauspieler räumte gleich doppelt ab. Einmal mit einer „direkten" Auszeichnung als bester männlicher Darsteller und einmal als Teil der Filmcrew, die mit der Hauptkategorie „Bester Film" auch indirekt mit ausgezeichnet wurde. Beide Preise gingen an diesem Abend an das knapp dreistündige Filmdrama „Fabian oder der Gang vor die Hunde", eine filmische Adaption des Romans „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten" von Erich Kästner.
Wie auch in der Buchvorlage beginnt die Geschichte in Berlin, Anfang der 1930er-Jahre. Im Land herrscht eine Umbruchsstimmung: Die Weimarer Republik löst sich auf, der politische und wirtschaftliche Niedergang wird begleitet von moralischer Dekadenz. Dominik Graf, Regisseur und Mitautor des Drehbuchs, und Produzent Felix von Boehm zeichnen das Drama um den Werbetexter Dr. Jakob Fabian und seinen Freund Stephan Labude mit großem Feingefühl für die fatalen Umstände, die für die beiden Protagonisten ins Verderben führen. Das Sittengemälde, das profunde Einblicke in die deutsche Vorkriegsgeschichte bietet, überrascht durch seine außergewöhnliche Darstellungsform und wurde bereits mit der Silbernen Lola bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2021 ausgezeichnet. Fabians Suche nach dem Sinn des Lebens scheint ein Ende zu haben, als er seine große Liebe trifft, die ihn jedoch aus Opportunismus verlässt. Aufgrund eines üblen Scherzes bringt sich auch sein bester Freund um, sodass der verarmte Germanist schließlich einsam in der trostlosen Provinz strandet und stirbt. Schilling zelebriert das Scheitern des hoch gebildeten Fabian an seiner sich auflösenden Gesellschaft und zeigt mit seinem reduzierten Spiel das komplette Spektrum zwischen Lässigkeit und Zerbrechlichkeit. Dabei überzeugt der Film nicht nur mit einem großartigen Spiel des gesamten Casts und einem hervorragendem Drehbuch, sagte Laudator Ulrich Matthes vor der Überreichung des Filmpreises. Auch die Kameraführung würde einen erheblichen Beitrag zu der Atmosphäre des Films beitragen. Dafür spricht schon die erste Szene des Films.
„Jugendliche brüllten rechte Parolen"
Dem Zuschauer offenbart sich eine Menschenmenge, die sich mühevoll in die gelbe Berliner U-Bahn quetscht. Für einen Augenblick scheint es so, als würde die Geschichte in der heutigen Zeit beginnen und die Bilder auf der Leinwand die Realität wiedergeben. Doch dem ist natürlich nicht so. Schon in der nächsten Einstellung scheinen sich die Fahrgäste zu verwandeln: moderne Kleidung verschwimmt, an ihre Stelle treten Damenhüte und Schiebermützen – bis die Menschen im Film optisch ganz der Zeit aus der Buchvorlage entsprechen. Der größte Verdienst des Films sei jedoch, „dass er gewissermaßen heute spielt", betonte Matthes. Wie nah der Film an die Realität kommt, erlebt auch die Crew während der Filmarbeiten. „Zu diesem Zeitpunkt waren wir gerade dabei eine Szene in Görlitz in der Wohnung von Fabian zu drehen", erzählt Regisseur Dominik Graf nach der Preisverleihung. „Das Fenster stand gerade offen, und plötzlich brüllten draußen auf der Straße irgendwelche Jugendliche rechte Parolen. Als hätten wir sie für die Szene als Komparsen engagiert. Es hatte plötzlich den Anschein als würden wir in der Geschichte zurückkehren."
Als beste Darstellerin wurde an diesem Abend Maria Hofstätter für ihre hervorragende schauspielerische Leistung in dem österreichische Spielfilmdrama „Fuchs im Bau" von Arman T. Riahi ausgezeichnet. In ihrer Rolle verkörpert Hofstätter eine Gefängnislehrerin, die mit unkonventionellen Methoden ihre „Kinder" auf das Leben vorbereitet. Dabei geht es ihr weniger um Wissensvermittlung als um die persönliche Entwicklung der Jugendlichen, die Vertrauen zu sich selbst fassen müssen. Hofstätter verkörpert diese Rolle mit einer absoluten und Durchsetzungsfähigkeit, die sie einerseits im Umgang mit den pubertären Straftätern braucht, sie anderseits aber auch den neuen Lehrer spüren lässt, den sie als Konkurrenten auffasst. Die harte Schale um das große Herz, das nur für ihre „Kinder" schlägt, muss von dem feinfühligen Kollegen erst geknackt werden.
Der Preis des Saarländischen Rundfunks ging zu gleichen Teilen an Schauspieler Jannis Niewöhner in „Je suis Karl" und an Schauspielerin Saskia Rosendahl in „Fabian oder Der Gang vor die Hunde". Den Preis der Saarland Medien GmbH konnte Arman T. Riahi für seine Regiearbeit „Fuchs im Bau" entgegennehmen. Der Preis des Oberbürgermeisters ging an den Kameramann (Director of Photography) Benedict Neuenfels für „Ich bin Dein Mensch".