Das soll ihr einer der aktuellen Singer-Songwriter nachmachen: Juliana Hatfield hat trotz Corona-Wirren ihr 19. Soloalbum herausgebracht – dafür nahm sie das Album „Blood" in ihrem Haus auf, ihr neuer Kompagnon Jed David assistierte ihr. Die 54-Jährige treibt sich seit den 90ern im Musikbusiness herum: Erst war sie festes Mitglied der Indierock-Band Blake Babies, bis es zur Auflösung kam, danach war sie Bassistin der Lemonheads um den charismatischen Frontmann Evan Dando, mit dem sie eine Zeit lang liiert war. Während andere Bands das Zeitliche segneten, Bandprojekte auf Eis gelegt wurden, verfolgte sie konsequent ihre Solokarriere weiter.
Dass sie immer noch nachdenkliche, wütende und groovige Songs schreiben kann, hört man dem neuen Album an. Dort schüttet die US-Amerikanerin ein Füllhorn an geschmeidigen Pop-Melodien und rauen Gitarrenakkorden aus – mal geben angeberische Hardrock-Gitarren den Ton an („Suck it Up"), mal umschmeicheln Keyboardklänge den entspannten Gesang („Splinter"), mal erklingt zu bluesig-verschlepptem Groove ein Gitarren-Solo („Torture").
Fast meint man, es hier mit einem Konzeptalbum zu tun zu haben: Das Cover ist in Splatter-Optik gehalten und durch die Texte zieht sich das Wort „Blood". Und in Letzteren – Achtung nicht ganz jugendfrei – geht’s ordentlich zur Sache: Juliana Hatfield verarbeitet beispielsweise in „Had a Dream" eine geträumte Gewaltorgie, in der sie von Messerstecherei, Vierteilung und Zersägen eines Körpers erzählt. In der Single-Auskopplung „Mouthful of Blood" zieht sich das Blutrünstige weiter durch. Das Gefühl, in einem Albtraum zu leben, aber nicht aufwachen zu können, thematisiert sie in „Nightmary". Wenn Hatfield darin singt, dass die ganze Welt von faschistischen, blutsaugenden Schlägern kontrolliert wird, kann einen das nachdenklich stimmen. Aber: Die düsteren, rauen Songbotschaften stehen immer im Kontrast zu den eingängigen, harmonischen Melodien und Juliana Hatfields lebensbejahender, mitunter müder Stimme. Sie selbst versteht die neuen Lieder als Reaktion darauf, auf welch negative Weise viele Menschen von den letzten vier Jahren betroffen waren.