Der 1. FC Saarbrücken vergeigt das zweite Derby innerhalb einer Woche. Und dies mit einer Vorstellung, die viele Fragen aufwirft.
Man kann dem 1. FC Saarbrücken nicht pauschal unterstellen, er könne keine Derbys. Die von Tobias Eisel trainierte B-Jugend gewann am Samstagmittag beim FC Homburg mit 5:4 – und das nach einem 4:0-Rückstand. Das Spiel fand zeitgleich zum „großen" Derby statt. Doch das Aufeinandertreffen zwischen dem FCS und dem 1. FC Kaiserslautern hinterließ auf Saarbrücker Seite nur eines, das groß war. Nämlich die Enttäuschung. Minutenlang musste sich die Mannschaft eine Schimpforgie des aufgebrachten Anhangs anhören. „Es war sicherlich derb. Aber wir müssen die Leute verstehen. Sie haben jahrzehntelang auf das Spiel gewartet. Und dann liefern wir wieder so eine Leistung ab. Es ist unerklärlich, wir gehen ja nicht in das Spiel und sagen: Heute verlieren wir absichtlich", sagte Mannschaftskapitän Manuel Zeitz. Co-Kapitän Sebastian Jacob kämpfte gar mit den Tränen. „Ich bin Saarländer, ich weiß, dass wir viel Kredit verspielt haben und dass es sehr lange dauern wird, bis wir uns ihn wieder erarbeitet haben", sagte der Offensivmann.
Cheftrainer Uwe Koschinat wirkte derweil angegriffen und schockiert. „Unerklärlich", fand er das erneute Kollektivversagen seiner Mannschaft. Wie schon bei der 0:1-Niederlage in Mannheim präsentierte sich sein Team saft- und ideenlos. „Bei Saarbrücken sehe ich gar kein taktisches Konzept. Außer langen Bällen geht da gar nix", sagte der Ex-FCS-Spieler und heutige Zweitligaspieler Florian Ballas. Der ehemalige Nationalspieler Philipp Wollscheid formulierte es noch drastischer: „Die haben die Hose vollgeschissen."
Kaum ein Neuzugang hilft wirklich weiter
Der FCS zeigt in dieser Saison zwei Gesichter. Starken Auftritten wie gegen Magdeburg oder gegen Türkgücü München folgen desaströse Darbietungen wie jüngst in Mannheim oder nun gegen den FCK. Gibt es einen Derby-Fluch? Die Statistik sagt ja. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass am Samstag sieben Neuzugänge in der Startelf standen. Der FCS hat im Sommer einen großen Umbruch vollzogen. Topspieler wie Nicklas Shipnoski oder Marin Sverko konnte der Verein nicht halten. Sie adäquat zu ersetzen, ist bislang nicht gelungen. Andere Spieler, wie die Publikumslieblinge Fanol Përdedaj, Markus Mendler und Kianz Froese wollte man nicht haben. Doch ihre Nachfolger haben die Erwartungen bislang nicht erfüllt. Unter dem Strich muss man während der Länderspielpause das Fazit ziehen, dass bis auf Angreifer Adriano Grimaldi keiner der Neuzugänge restlos überzeugen konnte. Der 30-Jährige ist dabei Fluch und Segen für das Saarbrücker Spiel. Seine Präsenz und seine Wucht sind eine Waffe, andererseits ist das Team durch die vielen langen Bälle auch leicht ausrechenbar. Sebastian Jacob beispielsweise, ein Typ, der fußballerische Lösungen bevorzugt, fremdelt sichtbar mit dem System. Teilweise sind es auch individuelle Schwankungen. Minos Gouras spielte sich mit beherzten Auftritten in die Notizbücher zahlreicher Zweitligisten. Seitdem seine persönliche Zukunft ungeklärt ist, wirkt der 23-Jährige sichtbar gehemmt. Andere Dinge sind schlicht und ergreifend nicht zu erklären. Es gab Spiele, in denen erspielte sich das Team fast ein Dutzend Torchancen. In den Partien gegen Mannheim und den FCK kam man dann 160 Minuten lang zu keinem ernsthaften Torabschluss.
Kurioserweise taute Koschinats Team im Derby erst dann auf, als der FCK durch Boris Tomiak und Kenny Redondo mit 2:0 führte. Marco Antwerpens FCK genügte wohlgemerkt eine höchst durchschnittliche Leistung, um das Traditionsduell zu gewinnen. Die drei guten Chancen, die die Gastgeber in der Schlussviertelstunde hatten, entschärfte dann noch Torwart Matteo Raab. Für den FCS bietet die Länderspielpause Zeit, eine nüchterne Bestandsaufnahme zu machen. Auch die Frage nach Kaderveränderungen muss im Hinblick auf die Winterpause diskutiert werden. Ein schneller Innenverteidiger fehlt der Mannschaft völlig. Hier ruhen alle Hoffnungen auf der Rückkehr von Steven Zellner, die aber keineswegs ausgemachte Sache ist. Im Mittelfeld sucht Koschinat nach wie vor nach einer Optimalbesetzung. Gleiches gilt für die linke Abwehrseite. Ob junge Spieler wie Dave Gnaase, Nick Galle oder Pius Krätschmer nach ihrem desaströsen Derby-Auftritt noch viele Kredit beim Publikum haben werden, ist aber eine große Frage. Auffallend ist, dass dem Team derzeit im letzten Drittel kreative Lösungen abgehen. Ein großes Manko ist zudem eine ausgeprägte Harmlosigkeit bei eigenen Standartsituationen. Ein filigraner Freistoßschütze wie sie beispielsweise der FCK mit Mike Wunderlich oder Hendrick Zuck hatte, wird beim FCS sehr vermisst. Beim nächsten Auswärtsspiel beim SC Verl muss Koschinat zudem auf Rechtsverteidiger Dominik Ernst verzichten. Dessen brutale Grätsche im ersten Abschnitt wurde vom Unparteiischen großzügigerweise nur mit „Gelb" bedacht. Es war seine fünfte. Bezeichnenderweise war es die einzige Situation, in der man den Eindruck haben konnte, der FCS würde sich gegen die Niederlage stemmen.