Hit-Komponist Peter Plate vom Pop-Duo Rosenstolz schrieb mit Kollege Ulf-Leo Sommer das Musical „Ku’damm 56". Weltpremiere ist am 28. November im Theater des Westens in Berlin.
Szenekneipen neben Weinbars, teure Boutiquen neben Bistros. Dazu gut betuchte ältere Damen, die ein wenig an „Wilmersdorfer Witwen" erinnern: Die Gegend um den Savignyplatz wirkt ein bisschen aus der Zeit gefallen. Wie ein Stück altes Westberlin im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Nur ein paar Meter weiter flirrt Großstadthektik, die aber am Kiez abzuprallen scheint.
Man würde nicht unbedingt auf die Idee kommen, dass hier einer der erfolgreichsten Musikproduzenten Deutschlands arbeitet und auch lebt: Seit 23 Jahren ist Charlottenburg die Wohnadresse von Peter Plate, der hier gemeinsam mit Ulf-Leo Sommer ein Tonstudio betreibt. Lange Zeit waren beide auch privat ein Paar. Populär wurden sie als Komponisten des Pop-Duos Rosenstolz mit Sängerin Andrea Rosenbaum (Anna R.). Peter Plate stand mit ihr 20 Jahre lang auf der Bühne und stürmte die Charts, produzierte mit Ulf-Leo Sommer aber auch Songs für Stars wie Sarah Connor, Annett Louisan, Helene Fischer oder Zweiraumwohnung. Die Filmmusik für „Bibi & Tina" entstand hier in der zweiten Etage eines schicken Mietshauses ebenfalls. Was beide schreiben, scheint zum Hit zu werden. Das muss sich auch Drehbuchautorin und Grimme-Preisträgerin Annette Hess gedacht haben. Von ihr stammt die Story zum ZDF-Mehrteiler „Ku’damm 56", die Geschichte einer Familie im Nachkriegsberlin.
Die Story kommt von Grimme-Preisträgerin Annette Hess
„Von ihrer Idee, aus dem Stoff ein Musical entstehen zu lassen, waren wir sofort begeistert. Schon die ZDF-Filme gefielen uns. Und: Wir lieben den Ku’damm", so Studiotüftler Peter Plate. An der Musik der 50er-Jahre, also Schlager und Rock’n’Roll, wollte er sich allerdings nicht orientieren. „Da hatten wir freie Hand. Annette Hess ermunterte uns sogar, den Songs unseren Stempel aufzudrücken. Das spornte uns zusätzlich an, der Musik etwas Originelles zu geben", wirkt Peter Plate im Gespräch regelrecht euphorisch. Seine Begeisterung scheint er über die Lieder zu transportieren: 18 Titel sind zunächst auf der CD „Ku’damm 56" zu hören. In der Bühnenfassung werden es sogar 21 Songs sein – Weltpremiere ist am 28. November im Berliner Theater des Westens.
Aus Peter Plate sprudelt es nur so heraus. Er schwärmt vom Ku’damm als „coole und hippe Meile", die gerade ein Comeback erlebe. Ulf-Leo Sommer sieht es ähnlich, bedauert aber, dass im früheren „Café Kranzler" heute auch Textilien verkauft werden. Ein wenig ist es wohl wie beim Songschreiben: Peter Plate wirkt überschwänglich, sein Kompagnon doch etwas vorsichtiger. „Manchmal geht mir Ulf mit seinem Gemecker auch auf den Zeiger. Ich bin ihm oft zu euphorisch", so Peter Plate in Anspielung auf neue Songs und deren Hitpotenzial. So entstünden manche Lieder in fünf Minuten, andere in einer ganzen Woche. „Doch diese Extra-Meile gehe ich mit Ulf gern", beschwichtigt der 1967 in Neu-Delhi geborene Künstler.
Mit 17 kam er per Schulausflug das erste Mal nach Westberlin, wie er berichtet. „Da schliefen wir hier ganz in der Nähe in einem Park." Nach der Wende zogen beide Wahlberliner fest in die wiedervereinigte Stadt. „Zuerst wohnten wir im Friedrichshain, in einer Einzimmerwohnung für 28 Mark im Monat. Und unser erster Ausflug ging wohin? Natürlich zum Kurfürstendamm! Für ein Ticket im Theater des Westens nur einen Steinwurf entfernt an der Kantstraße waren wir damals zu arm, dachten aber schon: Hier müsste man später mal herziehen", erinnert sich Plate.
Es war die Zeit, in der das deutsche Musical „Linie 1" erfolgreich am Berliner Gripstheater lief. „So etwas auch zu machen, war ein lang gehegter Traum", so der sympathische Musikproduzent. Doch erst einmal folgte die große Karriere mit Rosenstolz und Sängerin Anna R. Mit der Friedrichshainerin steht der Komponist nach wie vor in Kontakt, wie im Interview zu erfahren ist. „Ich finde es sehr klug von ihr, wie sie verschiedene Projekte angeht. Gerade plant Anna eine Tournee mit Silly. Ulf und ich sind schon lange Fans der Band um die verstorbene Sängerin Tamara Danz. Mit Rosenstolz coverten wir unter anderem deren Hit ‚Wo bist du‘", sagt Peter Plate. Im brandenburgischen Münchehofe (Gemeinde Hoppegarten) sang Anna R. kürzlich im Silly-Tonstudio Songs für ein neues Album der Band ein.
Um die Frage, was aus Rosenstolz wird, drückt sich Peter Plate etwas. Aktuell liege das Projekt auf Eis, auch weil Zeit für neue Songs und Bühnenshows fehle. Ein Comeback stehe nicht an, sei aber zukünftig auch nicht völlig ausgeschlossen, lächelt Plate, der vor seiner Musikkarriere mal Sozialpädagogik studierte und in einem Friseursalon jobbte.
Ulf-Leo Sommer kommt übers Silly-Tonstudio in Münchehofe noch mal auf Brandenburg zu sprechen. Zwar seien beide absolute Berlin-Fans, schätzen aber auch die Mark. „Ob Oberuckersee in der Uckermark oder Potsdam mit Sanssouci und Babelsberg: Wenn Zeit bleibt, kochen wir uns eine Kanne Kaffee und dann geht’s raus ins Grüne", nennt Peter Plate einige Ausflugsziele. Sein Hund, ein Beagle, sei stets mit dabei. Für Ulf-Leo Sommer, ein gebürtiger Thüringer, sind die Brandenburg-Touren wie Ausflüge in die eigene Kindheit: Vom Duft der Kiefern bis zum Barfußlaufen auf Wiesen. Nur Seen gebe es in Brandenburg mehr als in Thüringen. An welches Gewässer es beide besonders häufig zieht, wollen sie jedoch nicht verraten. Beide leben heute mit jeweils neuen Partnern in Wohnungen desselben Charlottenburger Hauses.
Von dem Musical sind 165 Aufführungen geplant
Zwar sind Plate und Sommer nicht gerade als Müßiggänger bekannt, sondern von Natur aus eher „Musik-Arbeiter", wie sie sagen. Doch bei Ausflügen könnten sie einen Gang runterschalten und seien nicht mehr Getriebene der eigenen Kreativität. „Wir haben uns vorgenommen, im Studio nur noch von 10 bis 20 Uhr zu arbeiten. Das klappt auch ganz gut", sagt Peter Plate, der vor Jahren einen Burn-out erlitt.
Druck und hohe Erwartungen spüre man aber auch jetzt wieder vor der Premiere des „Ku’damm"-Musicals. Immerhin sind zunächst 165 Aufführungen geplant. „Wir sind absolut geflasht vom hohen Zuspruch und dem Medieninteresse", so der Songschreiber. „Es sind Momente, in denen ich merke, dass ich den schönsten Beruf der Welt habe", sagt Plate, der sich im Gespräch mehrfach als Abba-Fan outet.
„Was Benny und Björn von Abba machen, verfolgen wir seit Jahren. Deren Songs vom Musical ‚Chess‘ hören wir beispielsweise sehr oft." Ulf-Leo Sommer verrät zum Schluss noch, dass sich sein musikalischer Partner einst nicht traute, ein Autogramm der beiden Abba-Legenden zu holen. Das habe dann Max Raabe für ihn erledigt. Dabei muss Peter Plate oft selbst Autogramme geben. „Das mag sein, aber Abba ist für mich noch mal eine ganz andere Liga." Das höre man gerade wieder bei deren neuen Songs: „Auf den Punkt produziert, perfekt aus der Zeit gefallen. Wir mussten beide beim Hören weinen", so Peter Plate.