Die Corona-Zeit hat auch Positives. Wie zum Beispiel bei Ulla Weiersbach, Petra Moser und Inge Biehl. Um die Zeit zu Hause zu nutzen, haben die Freundinnen aus Schaufensterpuppen farbenfrohe Kunstwerke gemacht.
Sie heißen „Astra", „Moderna", „Corona", „Johnson" oder einfach nur „Pünktchen" oder „Püppi". Sie sitzen lasziv auf dem Sofa, stehen stoisch in der Zimmerecke, blicken verführerisch aus dem Wintergarten. Bunt, wild, verwegen, sexy, traumhaft.
Die Rede ist von Schaufensterpuppen, die von drei Freundinnen – Ulla Weiersbach, Petra Moser und Inge Biehl – seit Ausbruch der Corona-Pandemie künstlerisch gestaltet werden.
Keine der drei würde sich als Künstlerin bezeichnen, sie sind passionierte Freizeitmalerinnen, die aus der Not eine Tugend gemacht haben. Und dennoch verströmen ihre „Mal-Werke" erfrischende Kreativität, werden im Auge des Betrachters letztendlich zu „Kunst-Werken".
Angefangen hat alles mit „Püppi": „Coronabedingt verbrachten wir viel Zeit zu Hause, haben uns gefragt, wie wir unsere Freizeit sinnvoll nutzen können", erzählt Petra Moser. „Ich hatte schon länger eine Schaufensterpuppe zu Hause stehen, und da kam uns die Idee, diesen geschwungenen Körper farblich zu gestalten." „Wir haben uns nicht lange beratschlagt, wie wir die Puppe bemalen sollen, sondern einfach drauf losgemalt. Bunt sollte sie sein, das war unsere Idee", erzählt Ulla Weiersbach. Sie war anfangs in dem Trio die treibende Kraft, die die beiden Freundinnen mitriss und damit ungeahnte Leidenschaften und Talente bei allen dreien herauskitzelte.
Künstlerisches Talent hat nämlich schon immer in ihr geschlummert. Seit über 20 Jahren malt sie mit Acryl. In ihrem Haus in Wiebelskirchen hängen abstrakte Bilder, mal groß- mal kleinformatig, sie lassen die Räume mit fröhlichen Farbkompositionen erstrahlen; Anregungen für die drei, denen Corona einen neuen Schub in ihrer Kreativität bescherte.
Manch einer mag erinnert sein an den saarländischen Künstler „Tom" alias Thomas Hoffmann von Tom’s Company, der Tische, Kerzenständer, Stühle, Lampen, Bilderrahmen, Regenschirmständer und ähnliches kunterbunt bemalt hat. „Doch spezielle Vorbilder haben wir nicht. Alles kommt aus dem Bauch heraus."
„Unser Rohmaterial – sprich die Puppen – bestellen wir im Internet oder schauen gezielt bei Geschäftsauflösungen vorbei", erzählt Inge Biehl. „Im Schnitt kosten die Puppen zwischen 80 und 100 Euro. Es gibt aber auch welche für 2.500 Euro. Eine dänische Firma bietet die Rohlinge sogar für 6.500 Euro an. Der helle Wahnsinn! Männer kosten oft mehr als Frauen, sind auch eher rarer", meint sie augenzwinkernd. „Nach dem Bemalen verkaufen wir die Puppen für 350 bis 500 Euro, je nach Arbeitsaufwand."
„Als wir mit dem Puppenbemalen anfingen", berichtet Petra Moser, „meinte mein Mann: ‚Petra und Ulla malen sich eine neue Freundin.‘ Später sagte er schmunzelnd: ‚Zu Weihnachten bekomme ich eine neue Freundin geschenkt‘."
Was so locker aussieht, ist richtig schwere Arbeit. „Bis zu 30 Stunden sitze ich an einer Puppe", gibt Inge Biehl zu bedenken. Neben der Idee für die Farb- und Motivwahl muss die Pinselführung sehr exakt sein, da ja kein Stoff die Übergänge zwischen den Armen, Händen, Hüften und Beinen verdeckt. Manche Körperteile werden separat bemalt, wenn dann der Oberkörper wieder mit dem Unterteil zusammengesetzt wird, muss alles zusammenpassen. Nach dem Farbauftrag wird alles lackiert, damit die Puppen abwaschbar und die Farben langlebig und glanzvoll sind." Wenn die drei nicht zusammen malen, hat jede bei sich ein extra Plätzchen fürs Malen gesucht. Inge arbeitet im Wintergarten, Ulla in einem extra Malzimmer im Keller und Petra hat sich ein Zimmer in ihrem Haus zu einem richtigen „Malstudio" umgestaltet.
Eine Puppe wurde zum Spaß von Nachbarn entführt
„Wenn die eine Puppe fertig ist, haben wir bereits wieder ganz viele Ideen für die nächsten Puppen. Es ist wirklich zu einer Sucht geworden", sagen alle übereinstimmend.
Auftragsarbeiten werden übrigens auch angenommen. „Wir können uns vorstellen, für Fußballfans die Puppen in blau-schwarz oder gelb-schwarz oder ganz rot anzupinseln." Auch Katzen-, Bulldoggen- oder Dinosaurier-Modelle sind vor dem Trio nicht sicher.
Kuriose Erlebnisse hatten sie beim Puppenbestellen auch schon. „Einmal habe ich eine Puppe im Internet gesehen, die ein T-Shirt trug", erinnert sich Ulla Weiersbach. „Der Verkäufer meinte, die Puppe hätte leichte Gebrauchsspuren. ‚Kein Problem, das wird schon nicht so schlimm sein‘, dachte ich. Als ich sie ausgepackt hatte, musste ich feststellen, dass die Brüste der Puppe abgeschnitten waren, was durch das T-Shirt verdeckt wurde. Zuerst war ich sprachlos. Doch dann meinte mein Mann: ‚Mensch, die Sängerin Madonna hat doch mal so eine Tüten-Korsage getragen, das würde bei dieser Puppe bestimmt auch gut aussehen.‘ Ich bin dann in den Baumarkt, habe zwei Trichter gekauft, etwas Gips dazu, und fertig waren die Madonna-Brüste. Die Puppe sieht jetzt übrigens richtig fetzig aus."
Wie im Krimi haben sich Petra und Manfred Moser übrigens auch schon mal gefühlt: „Eines Tages lag bei uns im Briefkasten ein Erpresserschreiben. Die Erpresser hatten unsere Püppi entführt und verlangten Lösegeld. Als Beweis dafür, dass Püppi noch lebt, und dass es ihr gut geht, bekamen wir Beweisfotos: ‚Püppi unter Palmen‘ in Nachbars Garten oder ‚Püppi auf großer Reise‘ am Stumm-Denkmal in Neunkirchen. Mit viel Wein und Crémant konnten wir schließlich Püppi aus den Händen der Erpresser freikaufen und mit ihnen ein rauschendes Gartenfest feiern. Diese Idee war unseren Nachbarn in weinseliger Laune gekommen, hat uns mehrere Tage auf Trab gehalten und machte allen Beteiligten diebische Freude."
Wie es mit ihrer malerischen Leidenschaft weitergeht, wissen die drei noch nicht. Noch sprühen sie vor Ideen. Vielleicht wird es mal eine Ausstellung in einem Hotel, einem Fußballstadion, einer Galerie oder in einem Autohaus geben? Alles denkbar für das kreative Trio. Viele ihrer Puppen haben schon Platz genommen auf den Sofas von Freunden und Bekannten, stehen in Arztpraxen und Fitnessstudios oder lehnen an Geländern in Hausfluren. „Mal sehen, was die Zeit bringt."