Der Film „Große Freiheit" thematisiert ein dunkles Kapitel der deutschen Rechtsgeschichte: als Schwulsein noch eine Straftat war. Er ist seit 18. November im Kino zu sehen.
Die Bilder, mit denen „Große Freiheit" beginnt, sind deutlich: Sie zeigen Sex unter Männern auf einem dreckigen öffentlichen Klo. Während man die offensichtlich mit versteckter Kamera in Schwarzweiß angefertigten Aufnahmen sieht, drängt sich unweigerlich eine Frage auf: Was in aller Welt ist in demjenigen vorgegangen, der sie angefertigt hat? Es sind diese Filmaufnahmen der Polizei, die Hans Hoffmann (Franz Rogowski) im Jahr 1968 in den Knast bringen. Für etwas, das heute keine Straftat mehr ist. Denn trotz des hässlichen Orts ist der Geschlechtsverkehr der Männer einvernehmlich – und nichts, in das sich nach heutigem Verständnis der Staat einmischen sollte. Doch bis zum Jahr 1969 wurden Schwule aufgrund des Paragrafen 175 des Strafgesetzbuchs dafür ins Gefängnis gesteckt. Das aus dem 19. Jahrhundert stammende Gesetz war zur Zeit des Nationalsozialismus verschärft worden und stellte nicht nur den Beischlaf unter Männern unter Strafe, sondern beispielsweise auch gegenseitige Masturbation. In der Bundesrepublik Deutschland wurde es weiter angewendet.
Homosexualität als Grund für Haft
Hans Hoffmann kennt das Leben im Gefängnis. Während der Nazi-Zeit ist er wegen seiner Homosexualität im Konzentrationslager gewesen. Und nach seiner Befreiung gleich im Gefängnis gelandet. Dort hat er – wie der Film in Rückblenden erzählt – den Mörder Viktor Bix (Georg Friedrich) kennengelernt. Der hat für Schwule überhaupt nichts übrig und will Hans erst recht nicht als Zellengenossen. Doch als er sieht, dass Hans eine KZ-Häftlingsnummer am Unterarm tätowiert hat, bietet er ihm an, sie mit einer anderen Tätowierung zu überdecken. Mit der Zeit lernen die beiden einander kennen und entwickeln gegenseitige Sympathie. Während eines weiteren Gefängnisaufenthalts von Hans treffen die beiden erneut aufeinander, und als Hans 1968 wieder in den Knast kommt, ist die erste Begegnung der beiden schon rund 20 Jahre her. Nun ist es Viktor, der Hilfe braucht, denn im Laufe der Jahre ist er drogensüchtig geworden.
Mit „Große Freiheit" hat sich Regisseur Sebastian Meise eines harten Themas der deutschen Rechtsgeschichte angenommen: Der Film zeigt, wie die Gefangenen – insbesondere die sogenannten 175er – leiden, wie brutal die Wärter mit ihnen umgehen, wie etwa auf kleine Vergehen Einzelhaft in einer dunklen Zelle folgt. Und gleichzeitig erzählt er die Geschichte von Solidarität unter den Gefangenen, wie der Alltag im Knast dann doch wieder ein bisschen menschlich wird.
Rogowski überzeugt in seiner Rolle
Natürlich ist ein Film wie „Große Freiheit" völlig abhängig von der Leistung seiner Hauptdarsteller. Völlig eingetaucht in die Rolle ist Franz Rogowski, den man ohne zu zögern zu den interessantesten Schauspielern des deutschen Kinos zählen darf. Sei es in dem 2013er Ultra-Low-Budget-Film „Love Steaks", sei es in dem One-Shot „Victoria" von 2015, in der Clemens-Meyer-Verfilmung „In den Gängen" (2018) oder eben jetzt in „Große Freiheit": Immer wieder überzeugt der Schauspieler in seinen Rollen. Insbesondere die des ein wenig unbeholfenen Außenseiters hat er schon oft gespielt.
„Große Freiheit" ist ein ganz heißer Kandidat für Auszeichnungen. Beim Europäischen Filmpreis, der am 11. Dezember in Berlin vergeben wird, ist Franz Rogowski für den Preis als bester Darsteller nominiert. Bei den Filmfestspielen von Cannes wurde der Film mit dem Jurypreis in der Kategorie „Un Certain Regard" ausgezeichnet. Und beim Sarajevo Film Festival wurde Georg Friedrich als bester männlicher Darsteller und der Film als bester Spielfilm ausgezeichnet.
Bleibt zu hoffen, dass die Anerkennung für den Film auch das Bewusstsein schärft für das Unrecht, das Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung erfahren haben. Zu lange mussten die Opfer des Paragrafen 175 auf ihre Rehabilitierung warten. Erst im Jahr 2017 wurden die Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen aufgehoben.