Warum das Amt des Finanzministers so wichtig und umkämpft ist
Man mag zum Gezerre und Verbalgetöse (vulgo: Verhandlungen) der Ampelkoalitionäre stehen wie man mag, eines ist in den vergangenen Wochen selbst dem letzten Bundesbürger klar geworden: Das Amt des Bundesfinanzministers ist nach dem des Bundeskanzlers das wichtigste der ganzen Regierung.
Dazu ein kurzer Blick zurück in die Geschichte: Der Finanzminister ist neben dem Innen-, Außen-, Justiz- und Verteidigungsminister (früher gehörte noch der Postminister dazu) eines derjenigen Regierungsmitglieder, die einem der sogenannten klassischen Ressorts vorstehen. Diese Bezeichnung stammt daher, dass es in der ersten deutschen Reichsregierung vom 1. Januar 1871 nur diese Geschäftsbereiche gab.
Die Gründung des heutigen Finanzministeriums erfolgte 1949. Neben dem Justiz- und dem Verteidigungsministerium gehört das Finanzministerium zudem zu den drei Bundesministerien, die im Grundgesetz ausdrücklich erwähnt werden (Art. 112 S. 1 und Art. 114 Abs. 1) und deren Status als solche nicht angetastet werden darf. Ansonsten steht es dem Bundeskanzler im Rahmen seiner Organisationsgewalt frei, Ministerien einzurichten oder aufzulösen.
Ohne Zustimmung des Finanzministers muss sich die kommende Bundesregierung von ihren ambitionierten Plänen, die deutsche Volkswirtschaft umzubauen und auf Umweltkurs zu bringen, verabschieden. Künftig 50 Milliarden Euro jährlich zusätzlich will sie allein für den Klimaschutz ausgeben, um die CO2-süchtige Wirtschaft und Gesellschaft von CO2 zu entwöhnen. Kein Pappenstiel, denn immerhin sind das allein zehn Prozent mehr, als die Bundesausgaben 2021 (547,7 Milliarden Euro) ohnehin betragen werden. 50 Milliarden Ausgaben zusätzlich, die die Regierung aber vor Amtsantritt noch gar nicht hat und die der Bundesfinanzminister also beschaffen muss.
Solche Aufgaben eines Finanzministers haben Tradition. Berühmt geworden dafür sind zwei Beispiele: zum einen das von Jean-Baptiste Colbert, französischer Staatsmann und Finanzmister des Sonnenkönigs Ludwig XIV., dessen luxuriöse Hofhaltung in Versailles Unsummen verschlang und dessen Staatskasse chronisch leer war. Colberts Aufgabe war es, stets für die notwendige Liquidität zu sorgen. Dazu erfand Colbert den Merkantilismus in Form von hohen Zöllen auf Warenimporte – angeblich zum Schutz der heimischen Industrie – und zahlreiche neue Steuern und Abgaben für die Bauern und Bürger. Jedem Studenten der Finanzwirtschaft wird schon im ersten Semester als wichtigstes Werkzeug eines Finanzministers Colberts Handlungsmaxime eingebläut: „Die Kunst der Besteuerung liegt darin, die Gans so zu rupfen, dass sie unter möglichst wenig Geschrei so viele Federn wie möglich lässt."
Das zweite Beispiel ist die Sektsteuer, die 1902 vom Reichstag zur Finanzierung der kaiserlichen Kriegsflotte von Wilhelm II. eingeführt wurde, weil „bei einer so starken Steigerung der Ausgaben für die Wehrkraft des Landes auch der Schaumwein herangezogen werden muss". Wie bekannt ist die Flotte längst untergegangen, die Sektsteuer aber existiert bis heute.
Eine möglichst schuldenfreie Finanzierung der Ausgabenpläne seiner Kabinettskollegen ist die hohe Kunst jedes Finanzministers, gleich welcher politischer Couleur. Ob die in Deutschland nach der Wahl ins Amt drängenden Persönlichkeiten über diese Kunstfertigkeit verfügen, mag man im Einzelfall bezweifeln. Fest steht aber in jedem Fall, dass die Beschaffung der notwendigen Einnahmen zur Finanzierung der ambitionierten Ziele die wichtigste Aufgabe des kommenden Finanzministers sein wird.
Damit ist die zweite Säule angesprochen, auf der die herausragende Machtposition eines deutschen Finanzministers beruht: Er hat erheblichen Einfluss auf die Ausgaben und die dahinterstehenden Projekte der Ressorts. Oder wie es im Volk so schön heißt: „Ohne Moos nix los!" Die Wirtschaft sagt dazu lakonisch: „Wer bezahlt, schafft an!"
Mit Einnahmen und Ausgaben hat der kommende Finanzminister zwei Hebel in der Hand, die Ressortpläne seiner Kollegen zu akzeptieren oder zu konterkarieren. In der Tat eine sehr reizvolle Aufgabe! Heftige Kontroversen in der neuen Regierung sind programmiert. Das Volk darf sich auf eine spannende Wahlperiode freuen.