Unterm U-Bahn-Viadukt an der Schönhauser Allee gibt’s seit Jahrzehnten Currywurst von „Konnopke’s Imbiss": Mitinhaberin Dagmar Konnopke und Tochter Linda prägen in dritter und vierter Generation die Geschicke des 91 Jahre alten Familienunternehmens.
Unter der U2 bestelle ich am Fenster das „Kleine Menü Rot/Weiß". Unterm Hochbahnviadukt Höhe U-Bahnhof Eberswalder Straße kann das nur eines bedeuten: Ich stehe bei „Konnopke’s Imbiss". Traditionsbewusster lässt sich im Ostteil der Stadt keine Currywurst mit Pommes, Ketchup und Mayo verspeisen. Gleichzeitig habe ich mich damit als Wessi geoutet: „Die alten Kunden bestellen ‚Zwei Curry am Stück‘", weiß Dagmar Konnopke, der gemeinsam mit ihrer Mutter Waltraud Ziervogel der Wurst-Imbiss gehört. Die „Wir hatten ja nüscht"-Situation in der DDR sorgte seinerzeit dafür, dass die „Curry im Ganzen, mit Brötchen auf Porzellanteller" und mit einer heißen Brühe zum Trinken stilecht und nachhaltig serviert wurde. „Pommes gab’s bis zur Wende nicht, und man hat Jahre auf eine Kaffeemaschine gewartet."
Unterm „Magistratsschirm", wie der Hochbahnviadukt an der Schönhauser Allee zu Zeiten von Gründer Max Konnopke hieß, wird seit langem Wurst gegessen. Der Landwirtssohn aus dem Spreewald fand sein Auskommen in Berlin als „Wurstmaxe". „Mein Opa stand mit seinem Bauchladen vor der Sparkasse", sagt Dagmar Konnopke. Die ist immer noch schräg gegenüber. Dass die Brühwurst mitten im Arbeiterkiez Ausgangspunkt für ein kleines Imperium werden würde, war im Gründungsjahr 1930, kurz nach der Weltwirtschaftskrise, nicht absehbar. Auch Max‘ Ehefrau Charlotte stand am zweiten Standort an der Schönhauser Allee Ecke Stargarder Straße ihre Frau und trug etliche Jahre ihren Teil zum Wachsen und Gedeihen des Unternehmens bei.
Der Fotograf und ich starten mit dem jetztzeitigen Nachwende-Teller im Verzehr-Pavillon neben dem Stand. Die Currywurst ist gut. Einfach richtig gut. Eine ordentliche Wurst nach Berliner Art „ohne Darm", aus feinem Brät, in Schweineschmalz gebraten, mit hausgemachtem Ketchup und Currypulver bestäubt. „Ich stehe selbst in unserem Außenlager in Weißensee und mische den Ketchup zusammen", sagt Dagmar Konnopke. Ein Geheimrezept, natürlich, das nach Charlotte Konnopke nun nur Waltraud Ziervogel, Dagmar Konnopke und Linda Konnopke kennen dürften. Die Pommes sind goldgelb, kross, heiß und schön salzig. Genau richtig, um sie immer wieder in den Extraklecks Ketchup und in die vegane Mayo zu stippen. Das „kleine Menü" wird so serviert, wie es die Kunden seit der Wende wünschen und es möglich ist: geschnitten, auf Pappe und mit Pieker und Servietten. „Und mit Kaffee statt Brühe." Doch keine Bange, die gibt es immer noch – eine aromatisch-starke Fleischbrühe in der Suppentasse, die uns angenehm von innen durchheizt.
Eigener Verkauf von Fanartikeln
Vegane Mayo? Am Wurststand? Aber ja, und für alle. Es gibt sogar seit vier Jahren eine vegane Currywurst auf Basis von Soja-Eiweiß. Die in Wunstorf hergestellte vegane Wurst wird eigens in Sonnenblumenöl frittiert. Das fleischliche Pendant dagegen in – täglich frischem – Schweineschmalz auf der 3,10 Meter langen „in einem Stück gefertigten" und damit hygienisch einwandfreien Bratstraße gebraten. „Unsere Vegane kommt super an", sagt Linda Konnopke. „Dafür kommen die Leute gezielt." Die vegane Wurst ist gerade auch bei den „Eat the World"-Rundgängen beliebt, die bei „Konnopke’s Imbiss" Station machen. Ansonsten blieben den Veganern lediglich Pommes und Spreewaldgurken – wenig attraktiv für einen Besuch am Wurststand! Die Mayo kommt im Gegensatz zum Ketchup vom Händler ebenso wie Wurst, Pommes und Brötchen. Letztere werden von einem Bäcker im Prenzlauer Berg nahebei gebacken. Was für Konnopkes produziert wird, entsteht in bewährter Kooperation: „Wir arbeiten seit vielen Jahren mit einem Produktentwickler zusammen." Damit genau die „Curry ohne Darm" sowie Brüh- und Bratwürste mit Darm herauskommen, die die Konnopkes und ihre Kunden mögen. Bockwürste und Wiener werden in der „Biomanufaktur Havelland" in Velten produziert, die vergleichsweise neue Bisonwurst kommt von der Firma Olde nahe Hamburg. Diese Brühwurst aus kanadischem Wasserbüffel und Rind gibt’s exklusiv bei „Konnopke’s": „Sie beliefern in jeder Stadt nur einen Imbiss und sind auf uns zugekommen." Konnopkes und Bison, das passt: Die kümmelwürzige grobe Wurst ist nicht nur fett- und cholesterinarm, sondern schmeckt mit Senf und aus der Hand gegessen richtig gut.
Auch wenn „Konnopke’s Imbiss" schon auf die 100 Jahre zuströmt, ist der Traditionsbetrieb überhaupt nicht museal. Das ist er nie gewesen, sondern er lebte immer von seiner Innovationsfähigkeit. Ein Beispiel: Waltraud Ziervogels Bruder „importierte" die darmlose Currywurst. Günter Konnopke arbeitete nach seiner Metzgerlehre und kurz vor dem Mauerbau in Westberlin. Dort lernte er die Bratwurst ohne Darm kennen. Gemeinsam mit einem Weißenseer Fleischermeister wurde weiter experimentiert. „Die ersten Versuche wurden durch einen Gartenschlauch in einen Eimer mit Eiswasser gespritzt", erzählt Dagmar Konnopke. Die Grundlage für die Currywurst ohne Darm in Ostberlin war geschaffen.
Ein anderes: Als 2009 der feste Imbiss aus den 60er-Jahren wegen der Hochbahn-Sanierung abgerissen werden musste, zog das Unternehmen in einen gemieteten Imbisswagen auf den kleinen dreieckigen Platz gegenüber. Im April 2011 eröffneten schließlich das neue, mattgoldene Imbiss-Häuschen und ein fester Pavillon, der den bisherigen „Imbissgarten" ersetzte. Ob Dampfkessel und Edelstahl-Bratstraße, vegane oder Bio-Wurst oder Merchandise-Artikel – die Familien Konnopke/Ziervogel verstehen es, mit der Zeit zu gehen. Nur eines bleibt gleich: Preise, die sich so ziemlich jeder leisten kann. Einen „anständigen Preis" wolle sie bieten, sagt Dagmar Konnopke. 5,60 Euro kostet mein „kleines Menü", die vegane Variante 5,90 Euro. Das „große Menü" mit zwei Currywürsten gibt’s für 8,10 Euro. Für 2,50 Euro sind eine Curry-, Bio-Wiener oder -Bockwurst mit Brötchen zu haben, die vegane für 30 Cent mehr.
Die Geschichte von „Konnopke" spiegelt unweigerlich viel Stadtgeschichte. „Ein Kunde hat immer gesagt: ‚Schreibt das doch mal auf‘", sagt Dagmar Konnopke. So geschah es. Sie und ihre Mutter Waltraud Ziervogel gaben zum 85. Firmenjubiläum das Buch „Konnopke’s Imbiss. Das Original in Berlin seit 1930" heraus. Es ist im Andenken-Abteil rechterhand erhältlich, wie auch Schlüsselanhänger, Jutebeutel und Kaffeetassen mit dem Wurstmaxe-Logo in Curryketchup-Dunkelrot. Bekannt aus Film, Funk und Fernsehen ist der Imbiss seit jeher, und so strömen die Stammkunden ebenso wie Touristen zu „Konnopke" auf eine Wurst.
Von Kindesbeinen an mitgearbeitet
Die müssen sie allerdings inzwischen während deutlich kürzerer Öffnungszeiten als zu DDR-Zeiten essen, als noch sieben Tage die Woche geöffnet war. „Die ersten und die letzten haben früher morgens um halb fünf bei uns gegessen", sagt Dagmar Konnopke. Nachtschwärmer traf auf Arbeiter, Bohème auf Werktätige. Mutter Waltraud und Vater Kurt Ziervogel versorgten sie alle. Doch zwei Schichten mit jeweils 15 Mitarbeitern sind nicht mehr drin. Wie in vielen anderen Gastronomien ist Personal rar. „Wir müssen auf unsere langjährigen Mitarbeiter aufpassen und zusehen, dass sie nicht noch eine und noch eine Stunde arbeiten." Jetzt ist montags bis freitags von 11 bis 18 Uhr und samstags sogar erst ab 12 Uhr geöffnet. „Unsere Kunden haben das auch gelernt und akzeptiert."
„Meine Mutter stand bis zum 80. Geburtstag im Laden", sagt Dagmar Konnopke. Das lässt Waltraud Ziervogels Gesundheit inzwischen so nicht mehr zu. Denn das Geschäft bei Kälte und Hitze am lärmigen Verkehrsknotenpunkt ist nach wie vor hart. „Aber meine Mutter kommt immer noch ins Büro und guckt." Linda Konnopke ist an einem Tag in der Woche ebenfalls dort zu finden. Sonst steht die gelernte Hotelfachfrau und studierte Event- und Marketingmanagerin genauso wie die langjährigen Mitarbeiterinnen im Laden. Vor allem am Großkampftag: „Samstags machst du auf und machst zu. Dazwischen kommst du zu nicht viel anderem."
Warum tut sich die 30-Jährige das so richtig arbeitsame Familienbusiness seit drei Jahren an? „Ich bin damit auf- und hineingewachsen. Ich war schon als kleines Kind mit auf der Arbeit", sagt Linda Konnopke. „Ich war schon immer von der Gastronomie fasziniert und das Kind, das auf Familienfeiern kellnert. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, mit im Unternehmen zu sein." Berlin muss sich in den nächsten Jahren keine Sorgen um den Fortbestand von „Konnopke’s Imbiss" und die Currywurst machen, so viel steht fest.