Im Frühjahr verlor Starkoch Klaus Erfort überraschend seinen dritten Stern, den er seit 2008 Jahr für Jahr erfolgreich verteidigt hatte. Im Interview spricht er über mögliche Gründe, welche Auswirkungen das fürs „Gästehaus" hat und wie sich Corona auf die ganze Branche auswirkt.
Herr Erfort, als im Frühjahr die Meldung kam, dass der Guide Michelin Ihnen „nur" zwei statt der bislang drei Sterne zuerkannt hat, war das Raunen in der Branche gewaltig. Wie geschockt waren Sie selbst?
Man muss immer damit rechnen, dass man irgendwann auch mal wieder einen Schritt zurück machen muss, wenn man ewig vorne mit dabei ist. Dass es ausgerechnet im Corona-Jahr kommt, war schon ein bisschen überraschend. Dafür hat Michelin auch sehr viel Kritik bekommen. Für uns war es im Nachhinein aber gut, dass es im Corona-Jahr war, das hat das Ganze etwas abgeschwächt. Wenn man hinfällt, muss man wieder aufstehen, sich schütteln und weitermachen. Ich denke, wir haben das Ganze ganz gut gelöst. Wir sind offensiv damit nach außen gegangen. Das kam gut an, wir bekamen jede Menge Mails und Anrufe, auch von Kollegen, die es einfach nicht verstanden haben. Wir haben jetzt zwei Sterne und arbeiten genauso, wie wir auch vorher gearbeitet haben. Mal schauen, wohin die Reise geht.
Das klingt sehr abgeklärt. Hat Sie das nicht gewurmt?
Klar wurmt einen das. Andererseits muss ich sagen, im Dschungel der Sterne-Restaurants waren wir eines der wenigen, das als eigenständiger Betrieb das Ganze gepackt hat. Alle anderen Kollegen im Drei-Sterne-Niveau sind einem Hotel angegliedert und werden finanziell unterstützt. Viele davon wären aus eigenen Mitteln gar nicht überlebensfähig. Wir haben das immer gepackt und sind darauf auch stolz, haben immer gutes Geld verdient. Wir haben unsere Stammgäste, die uns treu geblieben sind. Entsprechend zuversichtlich blicken wir nach vorne.
Was war denn die Begründung oder gab es gar keine Begründung für die Zurückstufung?
Es gibt nicht wirklich eine Begründung. Ich habe ein längeres Telefonat mit dem Chefredakteur des Guide Michelins gehabt und das Ganze besprochen. Letztlich muss man es hinnehmen. Das ist wie im Sport, auch dort kann man nicht immer den Sprint gewinnen. Wir haben uns gut ausgetauscht, das war ein sehr positives Gespräch.
Dennoch nochmals die Nachfrage: Können Sie die Entscheidung nachvollziehen und akzeptieren?
Ich kann das für mich akzeptieren. Ich persönlich muss mir nichts mehr beweisen. Natürlich ist das Ganze ein Aushängeschild nach außen hin, das ist gar keine Frage und auch nicht wegzudiskutieren. Ich koche jetzt aber auch nicht schlechter als ich das zuvor gemacht habe. Es gab eine Zeit, in der ich sehr viel unterwegs und auf Reisen war. Ich habe den Betrieb alleine gelassen und in dem Moment nicht mehr zu 100 Prozent die Kontrolle darüber gehabt. Das ist sicher der ausschlaggebende Punkt gewesen. Es ist meine Schuld. Ich sage mal, der Fisch stinkt immer vom Kopf zuerst. Ich bin offensiv damit umgegangen und habe da niemandem die Schuld gegeben. Wir haben eine Stunde vor der Pressekonferenz einen Newsletter rausgeschickt, ich wusste es ja einen Tag vorher. Das kam sehr, sehr gut an.
Im Team gab es einige Veränderungen. Konsequenz der Zurückstufung?
Es musste niemand gehen, wenn Sie das meinen, aber einige sind von sich gegangen. Die frische Luft, die durch den Wechsel ins Team reingekommen ist, tut uns aber wirklich sehr gut. Wir haben wirklich eine tolle Stimmung, haben junge, sehr motivierte Leute. Ich habe das Gefühl, dass wir da auf einem ganz guten Weg sind.
Wie schwierig ist es denn im Moment, gutes Personal zu bekommen? Viele haben sich in Corona-Zeiten ja von der Branche abgewendet und sich ganz anders orientiert.
Das ist natürlich ein ganz großes Thema. Den Mitarbeitern hat in der Zeit, in der die Restaurants zu hatten, das Trinkgeld gefehlt. Was nicht zu unterschätzen ist, um das tägliche Leben zu bestreiten. Viele mussten sich umorientieren, was ich voll und ganz verstehen kann. Vieles verändert sich gerade. Natürlich ist es wichtig, gute Löhne zu zahlen. Aber wir unterhalten uns heute nicht mehr über die Löhne. Für viele spielt die Work-Life-Balance eine immer größere Rolle, bei manchen ist das Gehalt zweitrangig.
Bedeutet konkret?
Dass wir hier im Saarland abgehängt sind. Ich habe einen Mitarbeiter gesucht über einen Headhunter. Der hat gesagt, es liegt nicht an den freien Tagen, nicht an Urlaubstagen, nicht am Haus oder den Konditionen, es liegt an der Region. Das ist ein Thema, das sich wie ein roter Faden durchzieht. Es fehlt an der Attraktivität der Region. Wohnraum haben wir auch keinen zur Verfügung. Die Leute zieht es nach München, Berlin, Frankfurt. Dort ist einfach mehr Leben, auch im weiteren Umkreis. Wenn man in Saarbrücken in die Stadt geht, macht das nicht mehr viel Spaß, die Stadt ist einfach nicht mehr schön. Sie macht einem regelrecht Angst, man sieht sehr viel Graffiti. Wir sind nicht mehr attraktiv, sodass Menschen ins Saarland kommen. Wir sind logistisch sehr schlecht erreichbar, haben keine Zugverbindung mehr, ganz miese Flugverbindungen. Uns fehlt einfach Publikum von außen. Warum sollten die Leute ins Saarland kommen und vor allem wie? Da können wir mit größeren Städten, wo eine Internationalität herrscht, einfach nicht mithalten. Luxemburg etwa boomt, die Stadt ist voll, die Restaurants sind brechend voll. So klein die Stadt auch ist: Es ist immer ein gutes Gefühl, dorthin zu fahren. Das fehlt uns hier.
Die Gäste kommen ja nicht, weil es das Gästehaus in Saarbrücken ist, sondern weil es das Gästehaus von Klaus Erfort ist. Vielen Leuten dürfte der Standort ziemlich egal sein. Gibt es da nicht Überlegungen, sich räumlich zu verändern?
Das ist ganz klar eine berechtigte Frage. Und ja, es gibt auch immer wieder Angebote. Trotz der derzeit schwierigen Situation ist immer noch sehr viel Kapital auf dem Markt. Entsprechend erhält man auch Anfragen, ob man nicht Lust habe, in irgendeiner großen Stadt in Deutschland, die sicherlich deutlich attraktiver ist als Saarbrücken und mehr Kaufkraft hat, ein Restaurant zu machen. So etwas darf man als Geschäftsmann natürlich nie völlig ausschließen, momentan gibt es diese Pläne aber nicht. Ich habe gute Vermieter und wir haben einen langfristigen Mietvertrag gemacht.
Haben Sie nach dem Einschnitt etwas an der Konzeption des Gästehauses geändert?
Nein, wir machen die Konzeption genauso weiter wie zuvor auch. Der Erfolg gibt uns ja Recht, dass wir da nicht alles verkehrt machen. Wir sind immer noch ein Zwei-Sterne-Restaurant und brauchen uns nicht zu verstecken, liefern eine sehr gute Leistung ab. Ich persönlich komme eigentlich sehr gut mit der Situation klar. Wichtig ist, dass es dem Gast Spaß macht.
Und haben sie preislich etwas verändert?
Nein, wir sind preislich gleich geblieben, die Kostenstruktur hat sich ja nicht verändert. Es gibt Mitbewerber am Markt, auch hier in Saarbrücken, die bieten Menüs an zu Preisen, das muss subventioniert werden. Vom Geschäftlichen gesehen müssen die eigentlich tiefrote Zahlen fahren. Wenn man eins und eins addiert, kommt aber am Ende immer noch zwei raus. Wir sehen bei jedem täglichen Einkauf, dass wir im Moment deutlich mehr auf der Kasse stehen haben. Ein Steinbutt kostet derzeit mehr als 50 Euro, weißer Trüffel teilweise über 6.000 Euro das Kilo, es ist alles extrem teuer. Sonst kaufen wir weißen Trüffel für etwa 2.500 Euro ein. Dazu steigen die Mindestlöhne. Derzeit ist das noch abzufangen durch die reduzierte Mehrwertsteuer bei den Speisen. Das kommt uns schon sehr entgegen und ist eine tolle Geschichte für die Gastronomie, aber auf Dauer wird sich auch da die Preisspirale nach oben drehen. Das wird sich auswirken, zumal die Gäste, jeder Einzelne, auch deutlich gestiegene Lebenshaltungskosten haben. Da bleibt am Ende weniger, um Essen zu gehen.
Klar haben wir auch zum Teil ein Publikum, das interessiert es weniger. Aber wir haben auch Gäste, die feiern ihren Geburtstag oder ihren Hochzeitstag bei uns. Für die stellt sich die Frage durchaus, ob sie sich das gönnen können, dafür habe ich vollstes Verständnis. Wir leben von einer Mischung aus beidem. Da muss man kreativ sein und braucht etwas Durchhaltevermögen. Ich blicke positiv nach vorne, dass es immer wieder weiter geht. Wir sind kommenden März 20 Jahre am Markt und wissen, wie man damit umgehen muss. Wird spannend, aber nicht unmöglich.
Der Gastronomie wird sehr viel abverlangt, Stichwort Kontaktverfolgung, Prüfen des Impfstatus. Gibt es trotzdem auch bei Ihnen Leute, die versuchen sich reinzumogeln?
Klar, die Situation gibt es, wir haben da aber weniger Probleme. Wir hatten bislang erst zwei Situationen, in denen wir Gäste nach Hause schicken mussten. Wir hatten einmal mittags die Situation, das war ein Hochzeitstag. Wir hatten eine Blumendeko bestellt und alles – und die kamen an und waren ungeimpft. Da verliert man schon ein bisschen den Glauben an die Menschheit.