Bis ins kleinste Detail inszenierte Bilder, hervorragende Darsteller, dazu Spannung und eine Prise Humor: Das sind die Zutaten für „À la carte!" – einen Film, in den man besser nicht hungrig gehen sollte.
Am Vorabend der Französischen Revolution ist kulinarischer Genuss noch ein Privileg des Adels – und so steht der begnadete Koch Pierre Manceron im Dienste des Herzogs von Chamfort. Tischt dem Aristokraten und seinen vornehmen Gästen strikt festgelegte und hoch kompliziert zu kochende Speisefolgen auf – vom Schwanenragout bis hin zu gebackenen Täubchen. Doch immer nur das Gleiche zu kochen ist Manceron zu langweilig. Er kreiert in einem Anflug kreativer Kochkunst sogenannte „Délicieux" – kleine, auf der Zunge zergehende Pastetchen – ausgerechnet aus der „niedrigsten aller Zutaten", der Kartoffel. Was bei dem Herzog zum Wutanfall führt und für Manceron in seinem Rauswurf endet. Was also tun? Zurück im heimischen Elternhaus, einer an der Landstraße gelegenen Poststation, scheinen die Aussichten düster. Nur wenige Reisende verirren sich zu dem heruntergekommen wirkenden Gehöft, um sich hier Suppe und Brot servieren zu lassen. Doch an einem regnerischen Abend steht die geheimnisvolle Louise in der Tür und bittet Manceron, sie als Lehrling in die Geheimnisse feiner Kochkunst einzuweihen. Ein Unding, so empfindet es Manceron, haben doch Frauen Ende des 18. Jahrhunderts nichts in der „professionellen Küche" zu suchen. Louise aber gelingt es, den brummigen Kochkünstler von der Ernsthaftigkeit ihres Vorhabens zu überzeugen – und von ihrem Talent. Denn schnell wird klar, dass die Frau, die sich als „Marmeladenköchin" ausgibt, ein feines Gespür für Aromen und ihre Kombination hat und sie geradezu sinnlich mit Früchten, Kräutern und Trüffeln umgeht.
Bilder, die Gemälden gleichen, hat Regisseur Eric Besnard in „Délicieux", der nun unter dem Titel „À la carte!" in deutschen Kinos zu sehen ist, entworfen, wenn er seine Protagonisten in der schummrigen, oft nur durch Kerzenschein erhellten Küche Gemüse in feinste Scheiben schneiden, gehaltvoll wirkende Cremes in tönernen Töpfen rühren lässt. Schalen mit braunen Eiern, Körbe mit Brotlaiben oder wuchtig wirkende Käsebrocken stehen für rustikalen Genuss. Die Gerichte, die Pierre und Louise letztlich zusammen kreieren, lassen dem Publikum das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Bildgewaltige Kochkunst und ein perfider Mordversuch
Warum, so formuliert es Louise, sollte ein mit Sorgfalt zubereitetes Mahl aus guten Produkten denn nur der Aristokratie vorbehalten sein? In der Waldschänke und auf dem Platz davor könnten Tische aufgebaut, Menüs für die Bewohner der nahe gelegenen Ortschaften serviert werden. Eine Idee – so will es hier Regisseur Eric Besnard – aus der Frankreichs erstes Restaurant hervorgehen soll. Nicht ohne dass es zuvor noch reichlich Dramatik, Verwicklungen und einen fast glückenden Mordversuch gibt. Zugleich nehmen die Vorboten der Revolution immer konkretere Gestalt an –
auch Mancerons Sohn führt aufrührerische Reden, aus Paris dringen Berichte von der hungernden Bevölkerung in die Provinz. Und der Herzog von Chamfort, der sich vor Ort vom Erfolg seines einstigen Hofkochs überzeugen will, wird zwar nicht mit Gewalt, aber immerhin mit viel Spott und Hohn von den hier speisenden Bürgern verjagt. Grégory Gadebois verkörpert in dieser filmischen Ode an die Kochkunst Pierre Manceron, der sich vom Günstling eines Aristokraten zum selbstständigen Gastronomen und Unternehmer entwickelt. Eine Wandlung, die er freilich ohne die Unterstützung und die Inspiration durch die geheimnisvolle Louise – hinreißend dargestellt von Isabelle Carré – nie vollziehen könnte. Das Dreigestirn der Protagonisten macht Benjamin Lavernhe komplett, der den Herzog von Chamfort als selbstverliebten und skrupellosen Vertreter des Adels gibt, der schon längst in dieser sich wandelnden Welt keine Existenzberechtigung mehr hat.
Filme über Kochkunst, über gutes Essen, über Genuss haben, so scheint es, gerade in Krisenzeiten Hochkonjunktur. Und so kommt auch der bildgewaltige „À la carte!" mit seiner hervorragenden Besetzung und einem mehr als versöhnlichen Ende zur richtigen Zeit.