Keiner im Kader des 1. FC Saarbrücken hat gegen solch hochkarätige Gegner gespielt wie Maurice Deville. Doch bei den Blau-Schwarzen kommt er kaum zum Zug.
Wer sich in diesen Tagen mit Maurice Deville unterhält, der merkt, dass der luxemburgische Nationalspieler in zwei Welten lebt. Kommt die Sprache auf „seine" Nationalmannschaft, dann leuchten seine Augen. Redet man aber über den FCS, wird seine Stimme leise. „Ich bin nicht zufrieden. Natürlich nicht", sagt der 29-Jährige. Dabei sollte alles besser werden. Vor eineinhalb Jahren war der Angreifer Wunschspieler des damaligen Cheftrainers Lukas Kwasniok. Doch die Liebe erkaltete schnell. Kwasniok fand keinen Zugang zu dem introvertierten Luxemburger. Der war oft bei der Nationalmannschaft. Zurück in Saarbrücken, setzte er sich klaglos auf die Bank oder Tribüne. „Rückblickend muss ich sagen, dass ich mit ihm nicht ganz fair umgegangen bin. Maurice ist ein absoluter Profi. Er hat sich nie beschwert. Vielleicht war das sein Problem. Seine Quote war so schlecht nicht. Hätte er 30 Spiele von Beginn an gemacht, hätte er sicher auch acht, neun Tore gemacht", sagte Kwasniok bei seinem Abschied. Dass Deville im ersten Jahr nach seiner Rückkehr nicht zum Zug kam, lag sicher auch daran, dass Nicklas Shipnoski zum überragenden Außenspieler der Liga avancierte. Doch nach dessen Wechsel zu Zweitligist Fortuna Düsseldorf sollte alles besser werden.
Keiner, der Ärger macht
Und zunächst sah es danach aus. Der Luxemburger lieferte eine starke Vorbereitung ab, spielte beim Auftaktsieg in Havelse ordentlich. Bei der Heimniederlage gegen den VfL Osnabrück stand er in der Startelf, war gut im Spiel. Und musste zur Überraschung selbst seiner Mannschaftskollegen zur Halbzeit raus. Es war der Tag seines 29. Geburtstags. Das erste Heimspiel mit Publikum. Seine Eltern waren im Stadion, sowie seine ältesten Jugendfreunde. „Für mich ist eine Welt zusammengebrochen", sagt Deville heute, „ich fand es einfach ungerecht." Beschwert hat er sich nie. Auch nicht, als er nach diesem Spiel in der Kaderhierarchie durchgereicht wurde. Sechs Kurzeinsätze folgten noch. Zu wenig, um sich zeigen zu können. Stand in der Vorsaison Topscorer Shipnoski vor ihm, sind es in diesem Jahr Tobias Jänicke und Robin Scheu. Beide haben echs Scorerpunkte – zusammen. Für offensive Außenbahnspieler eine mäßige Quote. „Tobi ist lange hier. Er ist ein wichtiger Spieler in der Mannschaft. Und Robin ist der Wunschspieler des Trainers gewesen. Er wollte ihn unbedingt. Also lässt er ihn spielen. Das würde ich auch so machen", sagt Deville nüchtern.
Vor zwei Wochen, als beim FCS in der Partie beim SC Verl nichts mehr ging, warf Trainer Uwe Koschinat den Luxemburger ins kalte Wasser. Der traf kurz nach seiner Einwechslung, war auch ansonsten äußerst präsent. Und eine Woche später traf er als Joker gleich wieder. Seine Reaktion? Gelassenheit. „Ich bin ein ruhiger Typ. Es gibt genug Leute, die einen den ganzen Tag volllabern", sagt der 29-Jährige lachend: „Ich bin Profi. Ich habe das gemacht, wofür ich bezahlt werde. Ich habe versucht, der Mannschaft zu helfen." Sowohl Kwasniok als auch Koschinat loben die Einstellung des Angreifers. „Wenn Du ihn bringst, weißt Du, dass Du einen Spieler hast, der von allen auf dem Platz die größte Laufstrecke zurücklegt", sagt Koschinat, „aber die eine ganz überragende Fähigkeit hat er eben nicht." Deville ist ein Teamplayer, einer der einer funktionierenden Einheit viel geben kann. Taktisch gibt es wohl keinen besseren Spieler als den Luxemburger, der fast 60 Länderspiele für sein Land absolviert hat. „Vor zehn Jahren war es eine Sensation, wenn wir mal aufs Tor geschossen haben. Mittlerweile halten wir gut mit", sagt Deville, der richtig auftaut, wenn die Sprache auf seine Länderspielreisen kommt. „Wir haben genauso viele Punkte in der WM-Quali geholt wie Irland. Bei uns spielen Leute, die in Europas Topligen unterwegs sind", sagt er und fügt hinzu: „Aber das zählt hier nicht. Es fragt mich auch niemand danach." Das klingt schon ein bisschen bitter. Eine Situation, für die sein aktueller Trainer durchaus Verständnis hat. „Es ist für einen Spieler in der 3. Liga schwer, diese dauerhaften Abstellungen zu kompensieren. Er war insgesamt mehr als fünf Wochen nicht bei der Mannschaft. Dadurch fehlt natürlich Bindung", sagt Koschinat. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Deville bei der Nationalmannschaft auf qualitativ deutlich höherem Niveau trainiert und spielt. „Man kann sich die Spiele auch auf DAZN anschauen", sagt der 29-Jährige lachend, „aber ich erzähle eigentlich nichts von den Länderspielen. Sonst heißt es wieder, ich wäre abgehoben." Der Luxemburger hat das, was man Gardemaß nennt. Er ist 1,96 Meter groß und wiegt fast 90 Kilo. Doch hinter dem Riesen verbirgt sich ein sensibler Charakter.
„Dadurch fehlt Bindung"
Oft wird ihm das als Arroganz ausgelegt. Doch wer sich mit unterhält, merkt schnell, dass das nicht stimmt. „Ich bin niemand, der sich schlecht über Kollegen oder Trainer äußert. Das gehört sich nicht", sagt Deville. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass es unglaublich leicht ist, ihn auf die Bank zu setzen. „Ich bin jetzt 29 Jahre alt, ich bin vom Naturell so. Warum soll ich mich verstellen? Ich versuche mich anzubieten und verhalte mich professionell. Aber natürlich bin ich mit der Situation nicht zufrieden", sagt er. Sein Vertrag läuft am Saisonende aus, sollte sich seine Situation nicht verändern, stehen die Zeichen auf Trennung. „Fußball ist kurzfristig, vielleicht spiele ich ja bald wieder öfter", sagt Deville. Doch erst mal steht sein persönlicher Höhepunkt an. Am 21. Dezember wird er seine langjährige Partnerin Michelle heiraten. „Unter Corona-Bedingungen ist leider keine große Feier möglich", sagt der Luxemburger, der sich zum FORUM-Interview in der Mittagspause im FC-Sportheim verabredet hat. Es gibt einen Salat mit Hähnchenbrust, der Angreifer ernährt sich bewusst. Das Besteck spült er anschließend eigenhändig ab: „Die Clubwirtin ist ja nicht meine Bedienung", meint er trocken. Diese kleine Geste sagt viel über den Luxemburger aus. Bescheiden, höflich und ruhig. Vielleicht manchmal zu ruhig für das knallharte Profigeschäft.