Auch der Schutz von Wildtieren in Kenia leidet unter den Pandemie-Folgen. FORUM-Autor Rainer Heubeck war mit Rangern in einem privaten Schutzgebiet unterwegs.
Yusuf hat ein neues Haus bekommen – und um den Handwerkern zu danken, die monatelang daran gearbeitet haben, wird am Tag der Fertigstellung eine Ziege geschlachtet. Yusuf Bonaya, seit vielen Jahren Ranger in einem privaten Schutzgebiet am Rande des Tsavo Nationalparks in Kenia, ist seit einiger Zeit Chef einer ganzen Rangergruppe, hat bisher aber meist in einem Zelt geschlafen. Seine Aufgaben sind vielfältig und herausfordernd. Er lauert Wilderern auf, sammelt ausgelegte Fallen ein, kontrolliert den rund 50 Kilometer langen Zaun rund um das Wildschutzgebiet, treibt Elefanten, die sich in die Dörfer verirrt haben, zurück ins Schutzgebiet. Er hilft den Einheimischen auch dabei, giftige Schlangen einzufangen und diese nicht einfach zu erschlagen. Hierfür haben die Ranger erst kürzlich ein spezielles Training absolviert. Yusuf freilich kennt Schlangen auch aus eigener Erfahrung. „Mein Team hat Wilderern aufgelauert. Ich war anfangs dabei, habe mich dann aber gegen Mitternacht in meinem Zelt schlafen gelegt. Ich habe nur die Schuhe ausgezogen, war sonst in voller Montur damit ich jederzeit zur Verstärkung ausrücken kann, falls ich gerufen werde. Ich habe nur unruhig geschlafen und gegen zwei Uhr morgens habe ich plötzlich etwas Schweres auf meinem Bauch gespürt", berichtet Yusuf. Es hat etwas gedauert, bis Yusuf im Halbschlaf klar wurde, dass ihm gerade eine Rote Speikobra in seinem Zelt Gesellschaft leistet. Plötzlich war er hellwach – und wickelte das Tier in seiner Bettdecke ein und brachte es nach draußen.
Insgesamt elf Ranger sind im Mbulia Conservancy beschäftigt. Normalerweise werden sie vor allem durch die Conservation Fee finanziert, die Safari-Gäste des „Kipalo Hills Safari Camps" bezahlen. Dieses kleine, aber feine Safari-Camp, mit Swimmingpool und Wasserloch für Tiere, befindet sich auf einer Anhöhe innerhalb des Schutzgebiets.
Ein Safari-Camp im Schutzgebiet
50 Dollar Conservation Fee pro Person und Tag, da kommt einiges zusammen, auch wenn das Camp nur über acht Zelte verfügt und auf maximal 16 Besucher ausgerichtet ist. Hier gibt es keine Safaris im großen Tross, sondern jeder Gast erhält sein individuelles Programm – sei es eine Walking Safari im Conservancy, ein Game Drive durch den größten kenianischen Nationalpark, den Tsavo East Park, oder ein Sundowner mit Blick auf den Kilimandscharo. Ebenfalls beliebt: Ein Ausflug in die Taita Hills, in der sich zahlreiche historische Stätten befinden, die zum Teil an die Kämpfe erinnern, die sich deutsche Truppen aus Tansania und britische Truppen aus Kenia im Ersten Weltkrieg hier geliefert haben. Sehr zu empfehlen ist auch ein Ausflug in den landschaftlich überaus beeindruckenden Nationalpark Tsavo West, in dem sich eine Rhino-Auswilderungsstation befindet, die das bedrohteste Tier der Big Five, das Nashorn, hier wieder heimisch machen will.
Doch dieses Finanzierungsmodell hat einen Haken: Wenn keine Gäste kommen, wie für lange Zeit während der Corona-Pandemie, dann zahlt niemand diese Conservation Fee. Die Ranger jedoch müssen weiter arbeiten – und haben sogar mehr zu tun als zuvor. „Viele Leute in den Dörfern haben ihre Jobs verloren, sie haben nichts zu essen und fangen deshalb Tiere im Nationalpark. Wenn wir diese Menschen, die aus Armut auf die Jagd gehen, bei unserer Patrouille finden, belassen wir es meist bei einer Verwarnung. Etwas anderes ist es, wenn wir kommerzielle Wilderer antreffen, die beispielsweise Elefanten jagen, um ihnen die Stoßzähne abzunehmen. In diesem Fall geben wir zuerst einen Warnschuss ab, und wenn sie dann nicht aufgeben, kann es im Extremfall auch zum offenen Schusswechsel kommen", erläutern Yusuf Bonya und Richard Corcoran, der das Schutzgebiet mit aufgebaut hat. Ranger zu sein, das machen Yusufs Äußerungen deutlich, ist keineswegs nur der Einsatz für Naturschutz, es bedeutet häufig auch, mit militärischer Disziplin vorzugehen und sich nachts stundenlang getarnt in den Wald oder in die Savanne zu legen, um Fallensteller aufzuspüren. Rund 2.500 Drahtfallen unterschiedlicher Größe haben die Ranger im Mbulia Conservancy in den letzten Jahren eingesammelt, manche, die auf Kleintiere ausgelegt waren, etwa Klippschliefer und Zwergantilopen, aber auch große Metallschlingen, mit denen Büffel oder Zebras gefangen werden können.
Ein privates Schutzgebiet zu betreiben, das heißt nicht nur, Ranger zu beschäftigen und zu bezahlen, das bedeutet auch, sich um das Wohl der Tiere innerhalb des Schutzgebiets zu kümmern. Während der Trockenzeit ist es enorm wichtig, Wasser für diese heranzuschaffen. Etliche Wasserstellen im Mbulia-Schutzgebiet werden regelmäßig mit Traktoren angefahren, die Wasserfässer im Schlepptau haben. In besonders trockenen Monaten müssen für die Tiere mehr als 200.000 Liter Wasser angekauft und hergebracht werden. Auch Salz und Mineralien werden für einige Tierarten bereitgestellt, damit diese das Reservat nicht verlassen müssen, um sich gesund zu ernähren. Gefüttert werden die Tiere allerdings nicht. Auch wenn das Schutzgebiet eingezäunt ist, leben hier keine gezähmten, sondern vor allem wilde Tiere. Darunter mehrere Hundert Elefanten. Und es finden sich hier auch bedrohte Tierarten, die in den staatlichen Nationalparks nur schwer zu entdecken sind, beispielsweise zwei Rudel Wildhunde.
Fallenstellern auf der Spur
Bei meinem Besuch im „Kipalo Hills Safari Camp" im Herbst 2021 bin ich mehrere Tage lang der einzige Gast. Waren Safaris früher – zumindest in den staatlichen Parks – ein regelrechter Massenauflauf, bei dem sich zehn Jeeps oder mehr um einen altersschwachen Löwen gereiht haben, sind sie heute fast automatisch ein eher einsames Unterfangen. Gemeinsam mit dem Massai Guide Chris Ngotiek, einem jungen Mann, der seit zwei Jahren Game Drives und Walking Safaris begleitet, und Fahrer Kyembeni Kinyenze besuche ich den Tsavo East Park, und begegne innerhalb von knapp neun Stunden vielleicht fünf weiteren Safari-Fahrzeugen. Selbst an den Wasserlöchern, an denen besonders viele Tiere anzutreffen sind, insbesondere Gazellen, Elefanten und Büffel, sind wir meist die einzigen Beobachter. Chris Ngotiek kennt die besten Stellen im Park, er entdeckt immer wieder Tiere, die mir allein garantiert entgangen wären – etwa Leoparden, die auf einem Baum sitzen, ein Löwenpärchen, das sich zur Paarung ins Buschland zurückgezogen hat, oder eine stattliche Hyäne, die sich in einem Wasserrohr versteckt hat.
Beeindruckt bin ich vor allem von den zahlreichen Elefanten, die wir im Tsavo East Park sehen – und die bei der Suche nach Wasser überaus findig sind. „Die Parkverwaltung betreibt eine Wasserleitung durch den Park, die Elefanten graben diese immer wieder aus und zapfen sie an", erläutert Chris. Eine Geschichte, die ich ihm nicht recht glaube, bis unser Fahrer ein solch künstliches Wasserloch ansteuert. Dort hält eine Elefantenkuh ihren Rüssel gezielt an ein Leck in der Leitung, wenn sie Wasser trinken will. Um sich abzukühlen und ihre Haut mit Wasser zu benetzen, nimmt sie hingegen angesammeltes Wasser aus dem Tümpel, der sich um das Leck gebildet hat. Nach mehreren Stunden Safari, unterbrochen von Picknickpausen an Wasserlöchern und unter schattenspendenden Bäumen, haben wir vier Tiere von den sagenumwobenen Big Five gesichtet. Lediglich Nashörner haben wir heute nicht angetroffen.
Leoparden töten auch aus Freude
Chris Ngotiek, der ursprünglich aus der Masai Mara stammt, hat nicht nur viele versteckte Tiere aufgespürt, sondern auch mein biologisches Wissen erweitert. Ich habe gelernt, dass Leoparden die einzigen Savannenbewohner sind, die zuweilen aus purer Freude töten, und dass von der Herde verstoßene, allein lebende alte Büffel besonders gefährlich sind. Neu war für mich auch, dass die kleinen, wie Murmeltiere aussehenden Klippschliefer, eng mit den Elefanten verwandt sind und Gemeinsamkeiten mit diesen haben: sie haben eine sehr lange Tragezeit, und ihre Fußabdrücke wirken wie Elefantenfüße im Miniformat.
Am Ufer des Galana, einem der letzten Wasserläufe hier, die noch nicht ausgetrocknet sind, erinnert ein Schild daran, dass bereits über ein Dutzend Ranger des Kenyan Wildlife Service beim Einsatz für den Schutz von Elefanten ihr Leben lassen mussten. Der Erhalt der Natur hier in Kenia hat seinen Preis – und je weniger Touristen ankommen, desto schwieriger wird es. Dass Yusufs Haus am Eingang des Schutzgebiets fertig wurde, ist nicht der von den Touristen bezahlten Conservation Fee zu verdanken, die seit der Pandemie weggebrochen ist, sondern der großzügigen Zuwendung einer US-amerikanischen Firma, die sich für den Tierschutz in Kenia ebenso einsetzt wie für Community-Projekte. Wildschutz-Pionier Richard Corcoran, der Kipalo Hills und das Mbulia Conservancy regelmäßig besucht, ist überzeugt davon, dass Kenias Tierwelt durch die privaten Schutzgebiete viel besser geschützt wird als die Tierwelt im Nachbarland Tansania, in dem es ausschließlich staatliche Schutzgebiete gibt. Auch der Konflikt zwischen Menschen und Wildnis lässt sich durch solche Schutzgebiete zumindest entschärfen. Zum einen, weil diese eingezäunt sind, zum anderen, weil die Ranger schnell zur Stelle sind, wenn irgendwo ein Elefant die Maispflanzen zertrampelt oder sich ein Leopard über eine Ziegenherde hermacht.
Bonface Wighanga Kisomb, ein Taita, der in der Nähe des Mbulia Conservancy aufgewachsen ist und mittlerweile als Ranger hier arbeitet, weiß zu berichten, dass das private Schutzgebiet für die Gemeinde ein echter Segen ist. Denn die Betreiber des Schutzgebiets versorgen die Dorfbevölkerung regelmäßig mit Wasser, und sie unterstützen Kinder aus armen Familien dabei, die Schule besuchen zu können. Zudem schaffen das Schutzgebiet und die angegliederte Lodge Jobs für Menschen aus dem Dorf. Bislang ist das 2009 gegründete Schutzgebiet also eine echte Erfolgsstory. Ob diese so weitergeht, hängt auch davon ab, ob die Touristen nun bald zurückkehren. Urlaub in der Natur statt Urlaub in den Städten: In Pandemie-Zeiten ist dies ja eigentlich gefragt. Masken und Hygienestandards gibt es natürlich auch hier – und kurz nach meinem Besuch im „Kipalo Hills Safari Camp" wurde die komplette Belegschaft geimpft.