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WAS MACHT EIGENTLICH...

Ray Davies, hier 1973, wird vom „Rolling Stone“-Magazin zu den besten 100 Songschreibern aller Zeiten gezählt
Foto: picture alliance / Avalon/Retna | Michael Putland

… Ray Davies?

Als Kopf der Kinks und Autor von 60er-Jahre-Hits wie „Lola" oder „Waterloo Sunset" wurde er durch seine sozial­kritischen Texte und musikalischen Ideen zum Star und Vor­bild vieler anderer Musiker. Er schrieb Musicals und Bücher, drehte auch Filme und wurde zum „Sir" geadelt. Heute arbeitet der 77-Jährige weiter am Plan eines neues Kinks-Albums.

Das Musikmagazin „Rolling Stone" führt Ray Davies auf Rang 27 der 100 besten Songwriter aller Zeiten. Über Jahrzehnte hat der Sohn einer zehnköpfigen Arbeiterfamilie für The Kinks Dutzende Hits geschrieben, die zum Allgemeingut der Swinging Sixties gehören: die hard-rockigen Erstlinge „You Really Got Me" und „All Day and All of the Night", die melodischeren Nachfolger „Set Me Free" und „Tired of Waiting for You", das balladeske „See My Friends", die sozialkritischen „A Well Respected Man" und „Where Have All the Good Times Gone " und die nostalgischen „Sunny Afternoon", „Dandy" oder das bissige „Dedicated Follower of Fashion". Mit dem Album „Arthur" legte Davies 1969 sein erstes Konzeptalbum vor, das das Leben der Arbeiterklasse thematisierte. Sein facettenreiches Werk mit zeitkritischen Texten war für viele Musiker eine Inspiration. Die gradlinigen Songs der Anfangszeit wurden zunehmend pessimistischer und desillusionierter. „Ich schreibe Songs, weil ich wütend bin und in einer Phase, wo Humor nicht mehr angebracht ist", so Davies damals. Nach der Kinks-Zeit produzierte er mehrere Solo-Alben, von „Return to Waterloo" 1985 über „The Storyteller" (1998) und „Working Man’s Café" (2007) bis hin zu „Americana" und dessen Sequel „Our Country: Americana Act II" (2017/18). „Americana" basiert auf seiner gleichnamigen Autobiografie von 2013, in der er seine Erfahrungen in den USA beschreibt, wo die Kinks lange Jahre nicht auftreten durften.

„Ich glaube nicht an Nostalgie"

Der 77-Jährige arbeitet weiter daran, ein neues Kinks-Albums rauszubringen
Der 77-Jährige arbeitet weiter daran, ein neues Kinks-Albums rauszubringen - Foto: picture alliance / Photoshot

Davies hat bisher auch drei Musicals geschrieben: 1981 hatten „Chorus Girls" und 2008 „Come Dancing" jeweils Premiere am Royal Straftford Theater London. Sein bislang letztes, autobiografisches Musical „Sunny Afternoon", das 2014 am Londoner Harold Pinter Theater uraufgeführt wurde, erhielt 2015 vier Preise, einer davon ging an Davies für seine Verdienste um die Musik. Zum 50-jährigen Jubiläum des historisch-verklärenden Album-Klassikers von 1968 „The Kinks are the Village Green Preservation Society" (kurz „Village Green") erklärte Davies bei „Classic Rocknet": „Ich glaube nicht an Nostalgie, sondern an Zeitreise! Zeit ist eine Konstante, sie gehört zu unserem Dasein. Nostalgie existiert dagegen nicht wirklich." Davies hat sich in vielen Songs kritisch mit seiner Umgebung auseinandergesetzt, als Rebell sieht er sich aber rückblickend nicht: „Ich versuche, den Menschen eine Stimme zu geben, die selber keine haben." Die sozialen Medien hält der Rockstar wegen der Manipulationsgefahr für problematisch: „Ich habe Angst davor, was sie mit der Welt machen. Das Gefährlichste am Internet ist, dass es die Leute glauben macht, sie sollten so sein, wie andere sie haben wollen." So werde die Entwicklung einer eigenen Identität erschwert. Dennoch sieht Davies auch Vorteile des Internets: Als seine Schwester tödlich an Krebs erkrankt war, habe sie über Skype immer Kontakt zur Familie halten können. Auch das Rockoper-artige „Arthur (Or the Decline and Fall of the British Empire)" hat inzwischen ein halbes Jahrhundert „auf dem Buckel". An der kürzlich erschienenen Jubiläumsbox hat Davies in der Corona-Zeit intensiv gearbeitet. „Arthur" gilt bis heute als der vielleicht größte Wurf der Kinks, war aber trotzdem kein Publikumserfolg: „Vielleicht waren es zu viele Einfälle", vermutet Davies.

Von der „Arthur"-Neuerscheinung verspricht sich Davies wegen der nach wie vor vorhandenen Aktualität eine größere Resonanz. Der Brexit habe Großbritannien neuerlich zerbrochen, die Stimmung sei giftig und die Politiker spielten wieder mit den Verlustängsten der Menschen: „Alles ist noch viel zugespitzter geworden. Die Reichen sind reicher und die Armen ärmer, und die Mittelklasse ist verloren gegangen: Entweder endet der Brexit im totalen Chaos, oder die Leute kommen endlich runter und diskutieren wieder", betont Davies und hofft, dass der gesunde Menschenverstand am Ende doch siegen wird. Schon seit einiger Zeit denkt Ray Davies über ein Revival der Band nach. Zwar sei die Kinks-Zeit von vielen internen Auseinandersetzungen geprägt gewesen, die Bandmitglieder hätten sich erst anlässlich der Beerdigung von Keyboarder Ian Gibbons 2019 zum ersten Mal nach langer Zeit wiedergesehen, und selbst zu seinem jüngeren Bruder und Kinks-Gitarrist Dave habe er nur sehr selten Kontakt.

Würde gerne wieder auftreten

Trotzdem kann Ray Davies sich vorstellen, dass man noch mal zusammenfindet. „Als wir zuletzt die alten Aufnahmen von Village Green gesichtet haben, entdeckten wir viele unveröffentlichte Kinks-Tracks, die nur teilweise fertig sind."

Es sei geplant, demnächst zumindest einen Song zusammen rauszubringen: „Ob es dann weitergeht, hängt davon ab, wie wir miteinander auskommen", betont Davies kürzlich bei „Classic Rocknet". Gern würde er auch wieder auf der Bühne stehen, ob solo oder mit den Kinks: „Es wäre schön, die Leute zur Abwechslung mal wieder in Fleisch und Blut zu sehen."

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