Steven Spielberg hat „West Side Story" neu verfilmt. Dem Regisseur gelingt eine Mischung aus großem Entertainment und Gesellschaftskritik, die seit 9. Dezember im Kino zu sehen ist.
West Side Story" ist das Musical, das weltweit wohl am häufigsten aufgeführt wird. Seit der Premiere Ende der 1950er-Jahre ist es im Programm vieler großer Theater am Broadway, im Londoner West End oder am Berliner Kurfürstendamm, zudem haben es schier unzählige Schultheater aufgegriffen und zahlreiche Ensembles mit unterschiedlichen Inszenierungen sind in der Welt auf Tournee. Der Film aus dem Jahr 1961 hat zehn Oscars bekommen und ist bis heute ein Klassiker. Kein Wunder also, dass viele Fachleute „West Side Story" als das beste Musical überhaupt bezeichnen.
Dass „West Side Story" irgendwann eine neue Kinofassung bekommen würde, war eigentlich klar – aber die Fragen waren, wann es so weit sein würde und wer sich an das Meisterwerk heranwagen würde. Beide sind nun beantwortet: Unter der Regie von Steven Spielberg ist die Neuverfilmung von „West Side Story" am 9. Dezember in den deutschen Kinos gestartet.
Musical-Hit der Superlative
„West Side Story" basiert auf einer der größten Bühnentragödien überhaupt: auf Shakespeares „Romeo und Julia". Die Geschichte aus dem 16. Jahrhundert spielt nun im New York der 1950er-Jahre. Die Viertel sind von einheimischen und zugewanderten Bewohnern und Bewohnerinnen geprägt.
Um die Herrschaft in ihrer Nachbarschaft kämpfen zwei Straßengangs – zum einen die „Jets" mit ihrem Anführer Tony und zum anderen die „Sharks", die aus Puerto-Ricanern bestehen und von Chef Bernardo geleitet werden. Als sich Tony in Bernardos Schwester Maria verliebt, droht die Stimmung zwischen den zwei Rivalen und ihren Banden endgültig überzukochen. Es dauert nicht lange, da sind auf beiden Seiten die ersten Opfer zu beklagen. Tony und Maria müssen sich fragen, ob ihre Liebe diesem Druck standhalten kann und ob sie es wert ist, weitere Menschenleben aufs Spiel zu setzen.
Die Musik des Komponisten Leonard Bernstein und die Liedtexte des erst kürzlich verstorbenen Stephen Sondheim haben unter Spielbergs Regie zwar eine Auffrischung bekommen, die Songs wie „America", „Tonight", „Somewhere" und „I feel pretty" sind jedoch im Grunde zeitlos gut. Und bei „Maria", Tonys Liebeserklärung an seine Angebetete, dürfte wohl jeder Zuhörer ins Träumen geraten. Die Schauspieler in „West Side Story" sind in Deutschland nur wenig bekannt. Ansel Elgort („Die Bestimmung", 2014) spielt den Tony, David Alvarez hat als „Billy Elliot" am Broadway große Erfolge gefeiert und ist im Film ein Neuling. Auch Rachel Zegler als Maria gibt ihr Debüt als Filmschauspielerin und ist sowohl gesanglich als auch schauspielerisch herausragend. Rita Moreno, die im Film von 1961 schon oscarprämiert mitspielte, ist noch einmal in einer Nebenrolle zu sehen.
Entertainment mit politischer Botschaft
Er wollte seinen Film mit zeitgenössischen Werten anreichern, sagt Steven Spielberg, der die Gratwanderung zwischen Unterhaltung und gesellschaftlichen Herausforderungen beherrscht wie kaum ein anderer. In seinem Horror-Klassiker „Der weiße Hai" (1975) wehrt sich der Raubfisch gegen das Eindringen der Menschen in seinen Lebensraum; das Science-Fiction-Märchen „E.T. – Der Außerirdische" (1982) erzählt von Einsamkeit und Orientierungslosigkeit von Kindern, während der Actionreißer „Jurassic Park" (1993) eine Anklage an die Arroganz der Menschen ist, die Natur beherrschen zu wollen. In „West Side Story" verknüpft Spielberg mit Drehbuchautor Tony Kushner grandioses Entertainment mit gesellschaftlichen und politischen Problemen wie Rassismus, Armut und illegaler Einwanderung.
Die Kernaussage des Musicals sei auch in der Neuverfilmung aktuell, sagt Drehbuchautor Kushner: „Es geht um zwei junge Menschen, die sich leidenschaftlich ineinander verlieben. Ihre Leidenschaft kann zwar vielen Bedrohungen widerstehen, aber eben nicht allen." Die Liebe werde von der politischen Welt und den gesellschaftlichen Konflikten ermordet – und das sei die Tragödie von „West Side Story", so der Autor. „Die Geschichte ist eine Warnung: Rassismus und Armut als Feinde der Demokratie müssen bekämpft werden, sonst zerstören sie die Bande, die uns als Gesellschaft zusammenhalten."