In „Best Sellers" ist Sir Michael Caine in seiner womöglich letzten Rolle als Schauspieler zu sehen. Allein das sollte Grund genug sein, den kanadischen Film im aktuellen Streamingangebot näher unter die Lupe zu nehmen.
Wenn in der ersten Einstellung eines Films eine Katze zu sehen ist, kann der Film doch nur gut werden. Zumindest zeigt es eine gewisse Sensibilität gegenüber Haustieren. Aber nicht nur das, die Katze – oder in diesem Fall der Kater – ist sozusagen der letzte Freund von Harris Shaw (Michael Caine), einem ehemaligen Bestsellerautor, dessen erfolgreiche Zeit längst vergessen und verjährt ist. Nachdem seine Frau gestorben ist, bleiben ihm nur noch der Alkohol, ein paar jämmerliche Zigaretten und sein treuer Kater übrig. Das ändert sich jedoch schlagartig, als Lucy Stanbridge (Aubrey Plaza), eine junge Verlegerin, im wahrsten Sinne des Wortes in Shaws Leben platzt, denn eines Tages steht sie einfach so mitten in seinem Haus und fordert einen neuen Roman von ihm. Doch damit nicht genug. Shaw soll auf Lesetour gehen, um das neue Buch persönlich zu promoten. Eine geradezu absurde Vorstellung für den alten, verbitterten Mann, der keine Menschen mehr um sich herum ertragen kann. Schroff lehnt er ab und verweist Lucy mit Waffengewalt des Hauses.
Ungleiches Paar, abenteuerliche Reise
Als sich Harris Shaw dann doch dazu entscheidet, auf die Forderungen der unerfahrenen Verlegerin einzugehen, beginnt für ihn eine abenteuerliche Reise, die ihn schlussendlich zu sich selbst führt.
„Best Sellers" ist das Spielfilm-Regiedebüt der kanadischen Schauspielerin und Regisseurin Lina Roessler, die man beispielsweise aus der Serie „Lost Girl" kennen könnte. Ihr ist es gelungen, eine Tragikomödie nach klassischem Muster zu drehen. Alter einsamer Mann trifft junge, aufstrebende Karrierefrau. Gegensätze des Lebens, die miteinander konfrontiert werden. Im Laufe des Films lernen sie voneinander. Das ist manchmal lustig, oft schmerzlich und am Ende erlösend.
Star des Films ist natürlich Sir Michael Caine, der mit seiner schauspielerischen Präsenz auch im Alter von inzwischen 88 Jahren noch zu überzeugen weiß. Gegenüber der BBC ließ der mehrmalige Oscar- und Golden-Globe-Preisträger unlängst verlauten, dass „Best Sellers" möglicherweise sein letzter Film als Schauspieler gewesen sei. Das hat auch Clint Eastwood schon mehrmals gesagt und doch wieder revidiert. Inzwischen spielt er sogar als 90-jähriger noch in Filmen mit. Man sollte also niemals nie sagen. Aber wenn „Best Sellers" wirklich der endgültige Abschied von Michael Caine vom Film ist, dann ist es einer mit Würde. Die Schauspielkarriere von Michael Caine umfasst eine geradezu unglaubliche Filmografie. Seinen Durchbruch hatte er 1964 mit „Zulu". 1987 erhielt er seinen ersten Oscar für „Hannah und ihre Schwestern" und im Jahr 2000 seinen zweiten für die großartige und unvergessene Verfilmung von John Irvings „Gottes Werk und Teufels Beitrag". Das ist nur die Spitze an Auszeichnungen, die Michael Caine für sein filmisches Lebenswerk erhalten hat.
In „Best Sellers" zeigt Caine noch einmal sein ganzes schauspielerisches Können und hebt den Film allein dadurch qualitativ über vergleichbare andere Filme. Ihm gelingt es, den alternden Autor Harris Shaw so zu spielen, dass man Verständnis für dessen Schroffheit und Verbitterung bekommt. Am Ende des Films wird auch klar, warum er sich hinter dieser rauen Schale versteckt hat und weshalb er keine weiteren Romane mehr veröffentlichen wollte. „Best Sellers" ist ein kleiner Film, der zwei wichtige Themen unserer Zeit anspricht. Auf der einen Seite geht es vordergründig um Bücher.
Michael Caine gewohnt erstklassig
Was sind Bücher heute noch wert? Lesen die Menschen auch noch in Zukunft Bücher oder wird das Medium immer unwichtiger, gerade für junge Leute, die sich mehr für Smartphones, Games oder Social Media interessieren? Wie muss man ein Buch präsentieren, damit es seine Leserschaft erreicht? Muss ein Autor sich selbst vermarkten können, um erfolgreich zu sein oder reicht es aus, wenn das Buch für sich selbst steht?
Auf der anderen Seite spricht der Film ein anderes, sehr wichtiges Thema an, das uns alle betrifft – beziehungsweise irgendwann betreffen wird. Die Einsamkeit von alten Menschen. Je älter man wird, umso einsamer wird es um einen herum. Freunde und Verwandte werden krank und sterben, das Leben verliert nach und nach seine Farben. Wie soll man selbst damit umgehen? Was können junge Menschen tun, um alten Menschen eine Stütze zu sein?
So gesehen ist „Best Sellers" ein wichtiger Film, der die richtigen Fragen stellt und den man nur empfehlen kann, vor allem, wenn man Sir Michael Caine noch ein letztes Mal als Schauspieler bewundern möchte. Zu finden ist der Film im Streamingangebot von Amazon oder iTunes.